# taz.de -- Kambodschas Ex-König Sihanouk ist tot: „Der Prinz, der einmal K�… | |
> Der schillernde Exkönig Norodom Sihanouk war eine der wichtigsten Figuren | |
> in Kambodschas Geschichte. Am Montagmorgen ist er in Peking verstorben. | |
Bild: Königliches Blut: Norodom Sihanouk ist kurz vor seinem 90. Geburtstag ge… | |
„Obwohl ich das einfache kambodschanische Volk liebe und mich bei ihm | |
zuhause fühle, kann ich doch niemals dem Bewußtsein entfliehen, dass ich | |
bis in die Fingerspitzen königlichen Geblütes bin“, sagte Norodom Sihanouk | |
einmal. Diplomaten erinnern sich bis heute an die bemerkenswerten Szenen in | |
den achtziger Jahren, als Sihanouk durch den Dschungel der sogenannten | |
„Befreiten Gebiete“ an der thailändischen Grenze stapfte - mit einem | |
Schoßhündchen auf dem Arm. | |
Kambodschas Exkönig Sihanouk, der am Montag wenige Tage vor seinem 90. | |
Geburtstag in einem Pekinger Krankenhaus starb, war einer der schillernsten | |
und umstrittensten Politiker Südostasiens. Intelligent, lebenslustig, | |
opportunistisch und skrupellos, ist sein Leben untrennbar verwoben mit der | |
tragischen Geschichte seiner Heimat zwischen Kolonialzeit und dem Ende des | |
Ost-West-Konfliktes. | |
Weil Südostasien in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zum | |
Schauplatz des Machtkampfes zwischen den drei Großmächten China, | |
Sowjetunion und USA geworden war, geriet „der kleine König“ bereits in | |
seiner Jugend ins Zentrum der internationalen Politik. 1941, drei Tage vor | |
seinem 19. Geburtstag, hatten die französischen Kolonialherren den hübschen | |
Knaben auf den Thron in Phnom Penh gehoben - in der Hoffnung, sich einen | |
bequemen kleinen Statthalter heranziehen zu können. | |
Doch sie hatten sich verrechnet: Sihanouk, der General de Gaulle hoch | |
verehrte, gewann schnell Geschmack an der Politik und entwickelte dabei | |
einen gewissen Eigensinn. 1954 erreichte er die Unabhängigkeit für sein | |
Land. Weil er als König keine politische Macht hatte, gab er ein Jahr | |
darauf die Krone kurzerhand an seinen Vater weiter und war fortan „Prinz, | |
der einmal König war". | |
## Viele gebrochene Versprechen | |
Sich selbst machte er zum Premierminister. Damals schwor er, dass er den | |
Thron „niemals wieder“ besteigen werde. Das sollte nicht das letzte seiner | |
vielen gebrochenen Verspechen bleiben. Ältere Kambodschaner erinnern sich | |
heute an die autoritäre Regierung Sihanouks zwischen 1955 und 1970 als | |
goldene Periode des Friedens: In jenen Jahren bemühte sich der Prinz | |
beharrlich, Kambodscha aus dem Krieg im Nachbarland Vietnam herauszuhalten. | |
Zusammen mit Ägyptens Nasser, Indiens Nehru, Indonesiens Sukarno und dem | |
Jugoslawen Tito gründete der Prinz die „Bewegung der blockfreien Staaten“. | |
Derweil blühte die Korruption am Hofe in Phnom Penh: Das Land verarmte, und | |
Sihanouk gab rauschende Feste. Mit Kritikern machte der Prinz kurzen | |
Prozess - er ließ sie hinrichten. | |
Eine Zeit lang versuchte er, die Opposition für sich einzunehmen. So berief | |
er zum Beispiel Beispiel Khieu Samphan in seine Regierung, der später einer | |
der führenden Köpfe im Terrorregime der Roten Khmer wurde. In der zweiten | |
Hälfte der sechziger Jahre, als der wirtschaftliche und politische Druck | |
wuchs, flüchtete der Prinz sich immer stärker in seine Hobbies: Er drehte | |
Spielfilme, komponierte Schlager und liebte, wie er gern berichtete, sehr | |
viele Frauen. | |
Besucher, die mit ihm über politische Probleme sprechen wollten, mussten | |
sich oft erst einmal seine jüngsten Streifen anschauen. Als Sihanouk 1970 | |
in einem - vom amerikanischen Geheimdienst CIA unterstützten - Coup | |
gestürzt wurde, rief er die Jugend des Landes auf, in den Untergrund zu | |
gehen und gegen die neue Regierung zu kämpfen. | |
## Üppiges Leben bei Kim Il Sung | |
Es war die Zeit der brutalen Flächenbombardements der Amerikaner über | |
Kambodscha, mit denen die Nachschubwege der nordvietnamesischen Kommunisten | |
zerstört werden sollten. Damals schlossen sich viele Bewohner den | |
kommunistischen Roten Khmer an, die 1975 schließlich Phnom Penh erhoberten. | |
Sihanouk hatte inzwischen beim nordkoreanischen Diktator Kim Il Sung und | |
bei den Kommunisten Chinas Asyl gefunden, die seine Residenzen in Pyöngyang | |
und Peking finanzierten. Dabei ging es ihm nicht schlecht. Mit typisch | |
Sihanouk`schem Witz kommentierte er später den üppigen Lebensstil von | |
Leuten wie Kim Il Sung: „Was bei meinen Freunden aus den kommunistischen | |
und sozialistischen Gesellschaften, den erfolgreichen und alternden | |
Führern, besonders paradox erschien, war ihr Hang zum Luxus. Mit großer | |
Herzlichkeit akzeptierten sie einen unverholen königlichen Prinzen - mich - | |
in ihrer Mitte. Ich pflegte sie deshalb im Geiste liebevoll als | |
,königlich-kommunistische Führer' zu bezeichnen“. | |
Deshalb habe er seine Furcht vor dem Kommunismus „etwas verloren“, bemerkte | |
der Prinz. Als die Roten Khmer ihm den Posten des Staatschefs versprachen, | |
kehrte Sihanouk 1975 nach Kambodscha zurück. Damit ging er in die Falle: | |
Das Terrorregime brauchte ihn als harmloses Aushängeschild. Isoliert, als | |
Gefangener, überlebte er mit seiner Frau Monique im Königspalast, bis die | |
Vietnamesen 1979 einmarschierten. | |
5 seiner 14 Kinder kamen in dieser Zeit um, über eine Million Kambodschaner | |
starben insgesamt. Als Sihanouk danach erklärte, er werde „nie wieder“ mit | |
den Roten Khmer zusammenarbeiten, wusste er wohl noch nicht, dass er auch | |
dieses Versprechen bald brechen würde: Unter Druck Chinas und der USA | |
verbündete Sihanouk sich ab Anfang der achtziger Jahre wieder mit den Roten | |
Khmer - um die von Vietnam eingesetzte Regierung in Phnom Penh zu | |
bekämpfen. | |
## Von Anfang an zum Scheitern verurteilt | |
Nach den Pariser Friedensverträgen Anfang der neunziger Jahre kehrte der | |
Prinz schließlich wieder nach Phnom Penh zurück - bejubelt von den | |
Kambodschanern, die erstmals wieder Hoffnung auf ein bessere Zukunft | |
schöpften. Die Franzosen renovierten seinen Palast, 1993 bestieg er erneut | |
den Thron. | |
Die Probleme begannen sofort: Als die Ex-kommunistische „Kambodschanischen | |
Volkspartei“ bei der UNO-Wahl gegenüber der königlichen Funcinpec-Partei | |
verlor, weigerte sich der damalige Regierungchef Hun Sen, die Macht an den | |
Prinzen Norodom Ranariddh abzugeben. Sihanouk griff vermittelnd ein. Er | |
überredete seinen widerstrebenden Sohn, zusammen mit Hun Sen eine | |
„zweiköpfige Regierung“ - mit zwei Premierministern - zu bilden. Diese | |
Konstruktion war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. | |
Der König musste zusehen, wie sein „unfähiger“ Sohn (O-Ton Sihanouk) sich | |
in Machtkämpfe mit dem gewiefteren Hun Sen verbiss. Krebskrank und zermürbt | |
zog Sihanouk sich immer häufiger in seine zweite Heimat Peking zurück. Von | |
dort aus kommentierte er in seinen legendären „Hofbulletins“ die | |
Entwicklung in Phnom Penh. Altersmilde geworden, beklagte er nun sogar | |
Menschenrechtsverletzungen und die skrupellose Zerstörung der | |
kambodschanischen Wälder. | |
Regelmäßig drohte er mit dem Rücktritt, bis niemand mehr hinhörte. Seine | |
große Zeit war längst vorbei. Als Hun Sen im Sommer 1997 gegen den Prinzen | |
putschte, weigerte sich Sihanouk zunächst, nach Phnom Penh zurückzukehren. | |
Die Haltung des Königs blieb jedoch, wie so oft in der Vergangenheit, | |
uneindeutig: Einerseits verurteilte er den Staatsstreich. Andererseits | |
wusste er: Hun Sen war inzwischen so mächtig, dass er nichts mehr gegen ihn | |
ausrichten konnte. | |
Ironie der Geschichte: Um neue Gewalt zu vermeiden, zwang Sihanouk seinen | |
Sohn nach den Parlamentswahlen von 1998 sogar, erneut in eine Koalition mit | |
Hun Sen als Regierungchef einzutreten. Zermürbt und verbittert verbrachte | |
der König die nächsten Jahre im Palast, er empfing ab und zu Gäste, betete | |
mit den Mönchen. | |
Im Jahr 2004 dankte er zugunsten seines Sohnes Norodom Sihamoni, eines | |
ehemaligen Balletttänzers, ab. Seither zog er sich immer wieder in seine | |
Residenzen in Nordkorea und China zurück. Nach seinem Tod am Montagmorgen | |
reisen sein Sohn Norodom Sihamoni und Premier Hun Sen nach Peking. Sihanouk | |
hat verfügt, dass sein Leichnam in der Heimat nach buddhistischem Ritus | |
eingeäschert wird. Seine Asche soll in einer goldenen Urne im Königspalast | |
von Phnom Penh aufbewahrt werden. | |
15 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Jutta Lietsch | |
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