| # taz.de -- Oberbürgermeister-Wahl in Stuttgart: Einer für alle | |
| > Fritz Kuhn ist am Ziel: Der Kandidat der Grünen gewinnt den zweiten | |
| > Wahlgang der Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart mit sieben Prozentpunkten | |
| > Vorsprung. | |
| Bild: Geschafft: Fritz Kuhn freut sich. | |
| STUTTGART taz | Es war gerade mal 18.28 Uhr. Die Stuttgarter Wahllokale | |
| waren noch keine halbe Stunde geschlossen, von 433 Wahlbezirken die ersten | |
| 100 ausgezählt, da waren sich viele bereits sicher. „Das nimmt uns keiner | |
| mehr“, sagte im Rathaus-Saal eine Frau am Büffet und klopfte dem Mann neben | |
| ihr auf die Schulter. | |
| Tatsächlich wuchs von da an der Vorsprung des grünen | |
| Oberbürgermeister-Kandidaten Fritz Kuhn auf seinen Kontrahenten Sebastian | |
| Turner kontinuierlich an. Am Ende waren es deutliche 7,6 Prozentpunkte, die | |
| Kuhn vor dem parteilosen Turner lag, der von der CDU, der FDP und den | |
| Freien Wählern unterstützt worden war. Mit 52,9 Prozent der Stimmen wurde | |
| Kuhn schließlich zum ersten grünen Oberbürgermeister einer Landeshauptstadt | |
| gewählt. Turner kam auf 45,3 Prozent. | |
| Er wolle ein Oberbürgermeister für ganz Stuttgart sein, sagte Kuhn | |
| standesgemäß nach der gewonnenen Wahl vor einer Traube an Kameras. „Damit | |
| meine ich für alle, die mich gewählt haben, die nicht zur Wahl gegangen | |
| sind und die mich nicht gewählt haben.“ Nun müssten die Wunden, die ein | |
| Wahlkampf schlage, heilen, um sich dann gemeinsam auf den Weg zu machen, | |
| Stuttgart zu gestalten. | |
| Empfangen worden war Kuhn im Rathaus von zahlreichen Grünen, die ihm ein | |
| grün umrandetes „Fritz“-Lebkuchen-Herz backen ließen. Als sie sich damit … | |
| 19 Uhr aufgestellt hatten, hatten die meisten CDUler und FDPler den Saal | |
| bereits verlassen. Eingereiht in die Gratulanten hatten sich hingegen die | |
| SPD-Kandidatin Bettina Wilhelm und der Stadtrat und S21-Gegner Hannes | |
| Rockenbauch, die beide ihre Kandidatur nach dem ersten Wahlgang | |
| zurückgezogen hatten. | |
| Vor zwei Wochen lag Kuhn bereits zwei Prozentpunkte vor Turner. Wilhelm und | |
| Rockenbauch waren abgeschlagen auf Platz drei und vier gelandet. Die SPD | |
| hatte daraufhin eine Wahlempfehlung für Kuhn ausgesprochen – und dürfte | |
| damit ein Kriegsbeil beigelegt haben. Denn schon bei der OB-Wahl 1996 lag | |
| der damalige Grünen-Kandidat Rezzo Schlauch aussichtsreich auf Platz zwei | |
| nach dem ersten Wahlgang. Da jedoch die SPD auch im zweiten Wahlgang | |
| antrat, obwohl ihr Kandidat chancenlos war, machte schließlich CDU-Kandidat | |
| Wolfgang Schuster das Rennen – er regiert bis heute. Anfang Januar wird | |
| Kuhn sein Amt übergeben. | |
| ## Turners kurzes Statement | |
| Sebastian Turner gab am Sonntagabend nur ein kurzes Statement im Rathaus | |
| ab. „Eine Wahl kennt Gewinner und Verlierer. Ich bin heute kein Gewinner“, | |
| sagte er. In der Hoffnung, damit noch die nötigen Wählerstimmen | |
| mobilisieren zu können, hatte Turner in den vergangenen zwei Wochen voll | |
| auf Angriff gesetzt. Seine Dauerthemen, um Kuhn bloß zu stellen: City-Maut, | |
| Tempolimit und Stuttgart 21. Wahlweise bezeichnete er Kuhn als | |
| „Vorsitzendes des City-Maut-Vereins“ oder als deren „Apostel“. Daran ze… | |
| sich die Panik der CDU vor einem erneuten Sieg der Grünen nach der | |
| Landtagswahl 2011. | |
| Im Rathaus war die Kampagne Turners ein viel diskutiertes Thema. | |
| „Oberbürgermeister wird man nicht durch 'negative campaigning', sondern | |
| durch positive Auseinandersetzung“, sagte Kuhn und erntete mit dieser | |
| Aussage den lautesten Applaus. | |
| Zu den ersten Gratulanten gehörte der grüne Ministerpräsident Winfried | |
| Kretschmann. „Die Landesregierung wird sehr gut und offen mit dem OB und | |
| der Stadt Stuttgart zusammen arbeiten“, sagte er. Und aus eigener Erfahrung | |
| konnte er anfügen: „Alles Gute, lieber Fritz, viel Erfolg, gute Nerven, | |
| Stehvermögen und viel Kraft.“ | |
| Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) kann sich nun auf eine zweite | |
| grüne Stimme im Stuttgart-21-Lenkungskreis freuen, in dem die | |
| Projektpartner mit der Deutschen Bahn zusammensitzen. „Die Verträge und die | |
| Volksabstimmung sind damit nicht weggewählt“, sagte er der taz. „Aber ich | |
| nehme mal an, dass das kein Wahlergebnis ist, über das sich die Deutsche | |
| Bahn freut.“ | |
| 21 Oct 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Nadine Michel | |
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