| # taz.de -- ICANN will Domainbesitzer speichern: „Die Behörden wollen mehr D… | |
| > Die Netzverwaltung ICANN plant, Daten der Besitzer von Internet-Domains | |
| > zwei Jahre lang zu speichern. Der Verband der deutschen | |
| > Internet-Wirtschaft ist dagegen. | |
| Bild: Wer hatte mit wem Kontakt? Die ICANN will mehr Durchblick. | |
| Herr Süme, Sie warnen davor, dass die Netzverwaltung ICANN eine neue Form | |
| von Vorratsdatenspeicherung plant – diesmal für Internet-Adressen. Was ist | |
| angedacht und wer ist betroffen? | |
| Oliver Süme: Bei der Registrierung von Domains müssen durch den | |
| Domaininhaber bei dem zuständigen Registrar, in Deutschland beispielsweise | |
| 1&1 oder Strato, unter anderem Name und Kontaktdaten angegeben werden. Im | |
| Zuge der Neuverhandlung der Verträge zwischen den Registraren und ICANN ist | |
| derzeit vorgesehen, dass diese Registrierungsdaten sowie die | |
| Kommunikationsdaten, unter anderem aus E-Mail- und Telefonverkehr, die im | |
| Zusammenhang mit der Registrierung anfallen zu speichern sind. | |
| Diese Daten sollen auch nach Kündigung einer Domain oder Wechsel des | |
| Domaininhabers für zwei Jahre gespeichert werden, damit | |
| Strafverfolgungsbehörden darauf Zugriff haben. Auch wenn viele | |
| Länderdomains wie ".de" nicht erfasst sind, sind dennoch weltweit | |
| Zigmillionen Domain-Inhaber betroffen.* | |
| Betroffen sind zudem die Unternehmen, die hier wie bei der | |
| Vorratsdatenspeicherung auch einen viele Millionen Euro teuren Aufwand | |
| betreiben müssten, um die technische Infrastruktur für die Datenspeicherung | |
| aufzubauen und zu betreiben. | |
| Der Plan erscheint auf den ersten Blick sinnvoll. Wenn jemand über eine | |
| Internet-Adresse verfügt und darüber ein Angebot ins Netz stellt, muss es | |
| doch eine Möglichkeit geben, ihn zu erreichen. | |
| Das ist auch so vorgesehen und völlig in Ordnung. Wenn allerdings die | |
| Domain gar nicht mehr genutzt wird, gibt es auch keinen Grund zur | |
| Datenspeicherung. Zudem ist die Speicherung der Kommunikationsdaten | |
| zwischen Registrar und Domaininhaber sicher nicht erforderlich, um jemanden | |
| zu erreichen. In Deutschland wie auch in der EU gibt es dafür jedenfalls | |
| keinerlei Rechtsgrundlage. Die Pläne werden deswegen auch von den | |
| europäischen Datenschutzbeauftragten kritisiert. | |
| Was genau soll gespeichert werden? Wären auch Domains mit der Endung ".de", | |
| die von der [1][DE-NIC] in Frankfurt verwaltet werden, betroffen? | |
| Die ".de"-Domains sind nicht betroffen, da die DE-NIC ihre Statuten mit den | |
| Registraren selbst festlegt. Bei Zigmillionen anderen Domains weltweit | |
| sollen aber neben den Adressdaten auch E-Mail-Adresse und Telefonnummer | |
| sowie die im Zusammenhang mit Bezahlvorgängen hinterlegten Daten.** | |
| Besonders kritisch sind die erwähnten Kommunikationsdaten - also von | |
| welcher Telefon- oder Faxnummer beziehungsweise E-Mail- oder Skype-Adresse | |
| aus wurde wann und mit welcher Zielnummer im Zusammenhang mit der | |
| Domainregistrierung kommuniziert. | |
| In den USA gibt es [2][Anonymisierungsdienste für Domains] – wer zahlt, | |
| kann sich hinter einem Dienstleister verstecken. Ist das der Grund, warum | |
| die ICANN etwas ändern will? | |
| Der Grund ist weniger in der Möglichkeit zur Anonymisierung zu sehen, | |
| sondern insgesamt in einem gesteigerten Interesse der | |
| Strafverfolgungsbehörden an Internet-Daten generell. Die Daten der | |
| Domaininhaber sind hier ein Baustein, auf den man gerne Zugriff hätte. | |
| Wer macht Druck auf die ICANN? | |
| Das sind insbesondere die erwähnten Strafverfolgungsbehörden, die sich | |
| selbst bzw. über ihre bei ICANN vertretenen Regierungsrepräsentanten in die | |
| Debatte eingebracht haben. Die US-Behörden gehören hier sicher zu den | |
| aktivsten. Gleichzeitig haben viele bei ICANN vertretene Unternehmen aus | |
| anderen Ländern hier ein geringeres Problembewusstsein als wir in | |
| Deutschland und Europa. | |
| Sind Sie als Verband der deutschen Internet-Wirtschaft allgemein zufrieden | |
| mit der ICANN? | |
| Wir halten insbesondere den Multi-Stakeholder-Ansatz bei der ICANN für ein | |
| Zukunftsmodell der „Internet Governance“, also der Frage, wie wir in einem | |
| globalen Netz gemeinsame Standards für Sicherheit, Verfügbarkeit und Normen | |
| definieren wollen. Wir sind bei ICANN bereits seit mehreren Jahren aktiv | |
| und bringen uns im Interesse der deutschen Internet-Wirtschaft ein. | |
| Insbesondere der neue ICANN-Präsident Fahdi Chehadé will die ICANN noch | |
| mehr in Richtung Internationalität und Transparenz lenken, mit diesem | |
| Ansatz sind wir sehr zufrieden. Wir können die regulatorischen | |
| Herausforderungen des Internet nur global und gemeinsam mit allen | |
| Beteiligten meistern, dazu leistet ICANN einen wichtigen Beitrag. | |
| Die Alternative wäre wohl, das Internet stärker in staatliche Hände zu | |
| legen. Entsprechende Bestrebungen gibt es bereits. | |
| Das ist wahr, insbesondere die anstehenden Verhandlungen der | |
| [3][Internationalen Fernmeldeunion ITU] über ein neues Völkerrechtsabkommen | |
| zur Telekommunikation machen uns da Sorgen. Gerade nichtdemokratische | |
| Staaten und Entwicklungsländer versuchen hier, auf eine stärkere | |
| Regulierung des Netzes durch die ITU zu drängen, deren Mitglieder nur | |
| Regierungen sind. Die ITU ist aber zum einen nicht für das Internet | |
| zuständig und sollte es auch nicht werden. Zum anderen liegt die Zukunft | |
| gerade im Multi-Stakeholder-Ansatz und nicht in der Regulierung durch einen | |
| Staatenverbund. | |
| Ist die Domain-Vorratsdatenspeicherung ein Versuch, einen weiteren Bereich | |
| im Internet nachverfolgbar zu machen? | |
| Es ist ja völlig legitim, auch im Internet eine angemessene Verfolgung von | |
| Straftaten zu ermöglichen und den Strafverfolgungsbehörden den Zugriff auf | |
| die dazu erforderlichen Daten zu ermöglichen. Die Frage ist nur, welche | |
| Daten hierzu tatsächlich erforderlich sind, auf welcher Rechtsgrundlage das | |
| erfolgt und ob die hier diskutierte Vorratsdatenspeicherung noch | |
| verhältnismäßig ist und das Problem löst. Daran habe ich meine Zweifel. | |
| * und ** (Update 28.10. an beiden Stellen wurden auf Wunsch des | |
| Interviewpartners sachliche Korrekturen eingearbeitet. In der früheren | |
| Version dieses Interviews hieß es, dass auch ".de"-Domains von der | |
| geplanten Speicherpflicht betroffen sein sollen. Dies ist nicht der Fall, | |
| weil die zuständige DE-NIC ihre Statuten mit den Registraren selbst | |
| festlegt.) | |
| 27 Oct 2012 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://denic.de/ | |
| [2] http://en.wikipedia.org/wiki/Domain_privacy | |
| [3] http://de.wikipedia.org/wiki/Internationale_Fernmeldeunion | |
| ## AUTOREN | |
| Ben Schwan | |
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