# taz.de -- Auch ".taz" würde möglich: Eine Domain für jeden | |
> Bislang sind Top-Level-Domains wie ".de" oder ".info" streng | |
> reglementiert. Das könnte sich ändern: Die "Internet-Regierung" ICANN | |
> erwägt das Adresssystem radikal zu erweitern. | |
Bild: 2006 war die Freigabe durch die EU-Kommissarin Viviane Reding noch etwas … | |
Wer sich heutzutage eine Internet-Adresse sichern will, sucht sich erst | |
einen passenden Adressraum wie ".de" oder ".com" aus und schaut dann nach, | |
ob der gewünschte Name, im Netzsprachgebrauch Domain genannt, noch frei | |
ist. Der Adressraum wie ".de" oder ".com" - auch als Top-Level-Domain (TLD) | |
bekannt - ist hingegen nur im Rahmen dessen wählbar, was eben an jenen TLDs | |
weltweit vorhanden ist, also von der Internet-Verwaltung zugelassen wurde. | |
Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), zuständig | |
für das Namensystem im Netz und gerne auch als "Internet-Regierung" | |
bezeichnet, denkt nun darüber nach, den aktuellen Ansatz radikal zu | |
verändern. Künftig soll es auch möglich sein, sich seine TLD auszusuchen. | |
Dann wäre es beispielsweise möglich, einen Adressraum ".taz" einzuführen, | |
in dem sich alle taz-Leser tummeln. Oder ".schwimmbad" für | |
Schwimmbadfreunde. Oder ".nachname" für Angehörige einer Namensfamilie - | |
die Möglichkeiten wären unbegrenzt. | |
Entsprechende Planungen laufen bereits seit drei Jahren, eine Abstimmung | |
über die Zulassung soll noch in dieser Woche erfolgen. Die ICANN will | |
allerdings kein völliges Chaos: Zunächst sollen Gruppen, Gemeinden und | |
Firmen die Möglichkeit erhalten, eigene Adressräume zu besetzen, | |
Einzelpersonen hingegen nicht. Sollte das Vorhaben umgesetzt werden, | |
könnten bis Ende des Jahres dennoch hunderte neuer TLDs hinzukommen, später | |
gar tausende. Paul Twomey, Leiter der ICANN, sagte gegenüber der britischen | |
"BBC", dies sei "die größte Veränderung, die es seit Jahrzehnten im | |
Internet gegeben" habe. "Das ist so wie in den Vereinigten Staaten im 19. | |
Jahrhundert. Wir sind dabei, neues Land freizugeben und die Leute werden | |
kommen und sich dieses Land sichern", ist der ICANN-Chef überzeugt. | |
Nicht, dass es derzeit wirklich zu wenige Top-Level-Domains geben würde: | |
Neben über 20 generischen Adressräumen von ".com" bis ".travel", von denen | |
einige erst in den letzten Jahren nach teils heftigen Diskussionen | |
hinzukamen, existieren über 250 so genannte "Country Code Top Level | |
Domains" (ccTLDs), die für einzelne Länder stehen. Einige davon wie etwa | |
".ag" (Antigua), ".fm" (Mikronesien) oder ".tv" (Tuvalu) werden längst als | |
so genannte "Vanity Domains" genutzt - das heißt, viele Nutzer kennen sie | |
nicht als Adressraum für ein Land, sondern als zu einer Website passende | |
Bezeichnung (im obigen Beispiel: Aktiengesellschaft, Radiostation, | |
TV-Sender). Länder wie Tuvalu haben aus ihren einprägsamen ccTLDs | |
inzwischen längst Kapital geschlagen, andere Regionen wie das kleine | |
Montenegro (".me") sind derzeit dabei. | |
Sollte die ICANN den Top-Level-Domain-Bereich tatsächlich stärker öffnen, | |
wie es nun geplant ist, würde das nicht nur eine massive Umstellung für die | |
Nutzer bedeuten, sondern eventuell auch mehr Missbrauch Tür und Tor öffnen. | |
Schon jetzt kämpfen Behörden gegen Spammer und andere Online-Kriminelle, | |
die sich hinter zwielichtigen Adressräumen verstecken, wo sich Domains | |
anonym registrieren lassen. Sollten TLDs freier verfügbar werden, würde | |
sich das Problem womöglich vervielfachen. Hinzu käme ein enormer | |
Verwaltungsaufwand, der schon beim jetzigen System nicht gerade klein ist: | |
Jeder Betreiber eines neuen Adressraums müsste dafür sorgen, dass dieser im | |
Konzert des Internet-Namensystems auch wirklich zuverlässig funktioniert. | |
Die Freigabe neuer TLDs soll laut ICANN grundsätzlich ohne Ansehen des | |
gewählten Namens erfolgen. Allerdings ist ein Schiedsprozess geplant, der | |
sicherstellen soll, dass es beispielsweise nicht zu | |
Markenrechtsverletzungen kommt. Wie viel eine eigene TLD kosten wird, hat | |
die ICANN bislang noch nicht festgelegt. So billig wie einzelne Domains, | |
die es schon für wenige Euro im Jahr gibt, wird es jedoch wohl kaum werden, | |
der Preis dürfte sich eher in Tausenderregionen bewegen. Hinzu kommt die | |
notwendige technische Infrastruktur, um den Adressraum anzubieten - | |
Domainfirmen arbeiten aber bereits an solchen Lösungen, die ein Nutzer dann | |
mieten könnte. Einzelpersonen will die ICANN mit der Zeit ebenfalls | |
zulassen, allerdings sollen die laut Twomey zumindest einen "Businessplan | |
oder den Nachweis technischer Kenntnisse" erbringen. | |
24 Jun 2008 | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
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