| # taz.de -- Parteitag französischer Sozialisten: Zweiter Anlauf nach links | |
| > Auf ihrem 76. Parteitag geht die Regierungspartei in die Offensive. Damit | |
| > reagiert sie auf die Kritik von Medien und bürgerlicher Opposition. | |
| Bild: Unter Druck: Parteichef Desir und Premier Ayrault auf dem Parteitag der S… | |
| TOULOUSE taz | Erstmals in der Geschichte verfügen Frankreichs Sozialisten | |
| über eine Mehrheit in beiden Parlamentskammern, sie regieren zudem fast | |
| alle Regionen sowie eine Mehrheit der Departements und größeren Städte. Zum | |
| ersten Mal seit Jahrzehnten trafen sie sich an diesem Wochenende in | |
| Toulouse, ohne dass tiefe ideologische Differenzen oder persönliche | |
| Machtansprüche und Rivalitäten ihre Partei spalten. | |
| Dennoch war zumindest zu Beginn des 76. Parteitags die Stimmung alles | |
| andere als rosig. Keine sechs Monate sind seit dem Wahlsieg von François | |
| Hollande über Nicolas Sarkozy vergangen. Doch wo bleibt der Enthusiasmus | |
| der Sieger, fragten die Beobachter. In den französischen Medien hagelte es | |
| bereits Kritik an der Linksregierung. | |
| Die bürgerliche Opposition spottet über die Unentschlossenheit und die | |
| „Amateurmethoden“ des Regierungschefs Jean-Marc Ayrault. Dieser verwahrte | |
| sich in Toulouse gegen die höhnischen Kommentare dieser „schamlosen | |
| Rechten, die uns diese außerordentliche Schuldenlast, diese | |
| Massenarbeitslosigkeit, eine ungerechte Klassen-Steuerordnung, einen | |
| demotivierten öffentlichen Dienst und ein Rekordaußenhandelsdefizit | |
| hinterlassen hat und uns dennoch Lehren erteilen will.“ | |
| ## Ultimatum der Arbeitgeber | |
| Wie ein Fehdehandschuh wirkte am Sonntag das „Ultimatum“ einer Gruppe von | |
| hundert Arbeitgebern, die gegen die „unerträglichen“ Steuererhöhungen | |
| protestieren und eine Senkung der Lohnkosten um 60 Milliarden verlangen. | |
| Viele Delegierte sagten, dass sie angesichts solcher „Provokationen“ | |
| ungeduldig seien und nur darauf warteten, für den Präsidenten und dessen 60 | |
| Vorschläge zu kämpfen. „Gerade Maßnahmen, die womöglich unpopulär sind, | |
| müssen zu Beginn der Legislaturperiode beschlossen werden“, riet ein | |
| lokaler Parteisekretär aus Nizza. Ein Basismitglied aus der Lozère | |
| erinnerte daran, dass die von Mitterrand verfügte Abschaffung der | |
| Todesstrafe 1981 von einer Mehrheit abgelehnt worden sei – wie jetzt das | |
| kommunale Ausländerwahlrecht. | |
| Auch die scheidende Parteichefin Martine Aubry machte Dampf. Sie wäre „sehr | |
| traurig“, wenn dieses Wahlversprechen von Hollande bis 2014 nicht | |
| verwirklicht sei. Sie rief ihre GenossInnen auf, hinter Hollande und der | |
| Regierung die Reihen zu schließen. Der Pariser Abgeordnete Jean-Christophe | |
| Cambadélis wollte die Partei aus ihrer „postelektoralen Lethargie“ | |
| wachrütteln: „Die Mitglieder stehen Gewehr bei Fuß, sie warten auf den | |
| Schlachtplan.“ | |
| In Toulouse wollten die in die Defensive geratenen Sozialisten einen | |
| zweiten Anlauf nach links nehmen. Dazu hat die Partei mit dem 52-jährigen | |
| Harlem Désir, dem ehemaligen Gründer der Antirassismusorganisation „SOS | |
| Racisme“, einen unverbraucht wirkenden Chef. Er hielt zum Abschluss zwar | |
| eine kämpferische Rede, in der er die bürgerliche Rechte vor jeder Allianz | |
| mit dem Front National warnte. Doch die Zeitung Le Monde bleibt skeptisch | |
| und fragt, ob der „brave Soldat Harlem“ sich in einen „General Désir“ … | |
| verwandeln wisse. | |
| 28 Oct 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Rudolf Balmer | |
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