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# taz.de -- Massenproteste in Frankreich: Rote Fahnen gegen Realpolitik
> Sparhaushalt 2013, angestrebte Ratifizierung des EU-Fiskalpakts: Der
> sozialistische Präsident Hollande gerät unter Druck des eigenen Lagers.
Bild: Unpopulärer Sparkurs: Nach nur fünf Monaten Präsidentschaft wird gegen…
PARIS taz | Frankreichs neue Linksregierung sieht sich mit einer Opposition
von links konfrontiert. Mehrere zehntausend Personen haben am Sonntag gegen
die Ratifizierung des EU-Fiskalpakts demonstriert. Sie sehen darin ein
Diktat der „Troika“ (EU, EZB, IWF) unter deutscher Regie. „François, hast
du etwa Angst vor Angela?“, stand als suggestive Frage auf einer an
Horrorfilme erinnernden Fotomontage von François Hollande, die ein
Kundgebungsteilnehmer mittrug.
Die Haushaltspolitik und mehr noch die anstehende Ratifizierung des
EU-Fiskalpakts bringen die sozialistische Regierung von links mächtig unter
Druck. Die Bewegung gegen den Fiskalpakt stellt den ersten bedeutenden
Widerstand gegen die Regierungspolitik dar. Sie will den Präsidenten daran
erinnern, das die Linkswähler etwas mehr erwarten als eine Fortsetzung der
Sarkozy-Politik mit humaneren Mitteln. Sie will die von der Regierung als
unvermeidlich gerechtfertigten Sparzwänge nicht als schicksalhaft
hinnehmen, sondern prangert sie als Verrat an. Sie warnt, Hollandes
Austeritätspolitik werde die Krise und die Arbeitslosigkeit nur noch
verschärfen.
„Das ist keine Demonstration gegen Hollande, eher eine Warnung durch seine
Wähler“, meinte zum Sinn der Aktion der Fraktionssprecher der Kommunisten
im Parlament, André Chassaigne. Wie schon beim EU-Verfassungsvertrag von
2005, der schließlich per Volksabstimmung in Frankreich abgelehnt und damit
begraben wurde, spaltet heute die Europapolitik Frankreichs Linke. Damals
hatten vor der Volksabstimmung auch viele Sozialisten an der Seite der
Kommunisten und der radikalen Linken für eine Ablehnung geworben. Manche
von ihnen zögern heute. Der EU-Fiskalpakt und die diesem angepasste
restriktive Haushaltspolitik lässt aber alte Wunden aufbrechen.
Zwar räumen auch die linken Kritiker ein, dass der am Freitag vorgelegte
Haushaltsentwurf für 2013 die Opfer etwas gerechter verteilt, als dies eine
Rechtsregierung von Sarkozy gemacht hätte. Doch die symbolträchtige
Krisenabgabe (75 Prozent Spitzensteuersatz für Einkommen über 1 Million
Euro) versöhnt die Kräfte links von den Sozialisten nicht mit der
Realpolitik.
Premierminister Jean-Marc Ayrault dramatisiert am Vorabend der am Dienstag
beginnenden Parlamentsdebatte über den Fiskalpakt die Lage und sagt,
Frankreich müsse zu seiner historischen Verantwortung stehen, sonst drohe
eine Verschlimmerung der Krise, wenn nicht sogar das Ende des Euro. Vor
diesem Hintergrund soll das Parlament nach der Billigung des Fiskalpakts
auch gleich, wie dieser das verlangt, eine Schuldenbremse in der Verfassung
verankern.
Staatspräsident François Hollande hatte diesen von Merkel und Sarkozy
ausgehandelten EU-Vertrag vor seiner Wahl noch kritisiert und eine Revision
oder zumindest die Ergänzung durch einen Wachstumspakt verlangt. Er musste
sich angesichts der Kräfteverhältnisse innerhalb der EU schließlich mit
einem Minizusatzvertrag mit beschränkten Mitteln zur Wachstumsförderung
begnügen. Nun sieht er sich gezwungen, seinerseits den Fiskalpakt vom
Parlament ratifizieren zu lassen.
Seine grünen Koalitionspartner haben bereits klargemacht, dass sie bei der
Parlamentsabstimmung passen oder sogar ein Nein in die Urne werfen werden,
ebenso wie die Vertreter der radikalen Linken. Keine wirkliche
Erleichterung ist es für Hollande, dass die konservative Opposition fast
geschlossen für diesen Fiskalpakt votieren will, weil dieser ja praktisch
unverändert aus der Präsidentschaft von Nicolas Sarkozy stammt.
30 Sep 2012
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schwerpunkt Frankreich
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