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# taz.de -- Neue Intendantin am HAU Berlin: Sie kommt in Frieden
> Jetzt bitte schön freundlich: Das Berliner HAU eröffnet die Saison mit
> der neuen Intendantin Annemie Vanackere.
Bild: Übernimmt ein anspruchsvolles Erbe: HAU-Intendantin Annemie Vanackere.
Wenn der Bühnenraum noch leer ist und noch nichts da ist, Hand aufs Herz,
wie wünscht man sich Theater, wenn es bei null anfängt? Diese Frage hat das
niederländisch-flämische Kollektiv Wunderbaum im Sommer Berliner Passanten
gestellt, und nun, zur Neueröffnung des Hebbel am Ufer an diesem
Wochenende, mühen sich die Performer in „Vision out of nothing“, diese
Wünsche zu erfüllen: Eine schöne Schauspielerin singt auf der Bühne ein
Lied, eine Prise Sozialkritik wird eingestreut, beleuchtete Plastikquallen
schweben lautlos über die Bühne.
Es ist ein gut gelauntes Gemenge aus Gesang, Spiel und Kunstperformance,
das frontal ins Publikum wie bei einem Gespräch mit alten Freunden
vorgetragen wird. Der Wunsch nach einem Theater, in das man wie in eine
farbenfrohe Unterwasserwelt abtauchen kann, wird hier fast wundersam
erfüllt, und die selbstironische Dingbeseelung, die zelebriert wird,
entwickelt durchaus Abwehrzauber: gegen falsche Illusionen des Theaters
genauso wie gegen die übergroße Aufmerksamkeit, die das Haus in diesen
Tagen erfährt.
Jeder weiß, dass Vorgänger Matthias Lilienthal eine Grenzüberschreitung
betrieb, die kaum zu toppen ist. Aber es liegt auch Neues in der Luft, die
Vergangenheit wirkt auf entspannte Weise meilenweit weg. Pendelt man
zwischen den drei Spielstätten des HAU, liegt die Assoziation „Aquarium“
gar nicht so fern.
## Unüberschaubares Programm
Hinter der großen Glasfassade des HAU 2 leuchtet viel Blau. Alle drei
Spielstätten wurden renoviert, konstruktivistische Teppiche und bunte
Neonröhren bringen mehr Farbe rein. Überschaubar ist das Programm, mit dem
die neue Intendantin Annemie Vanackere gestartet ist: repräsentative
Arbeiten von Gruppen, die sie mitbringt, drum herum Konzert, Häppchen,
Filmprogramm.
Ein gut gemischtes Kulturvolk dominierte das Stelldichein, aus dem am Ende
Klaus Wowereit herausstach. Ein Raunen ging jedenfalls durch die Reihen,
als der Regierende Bürgermeister die Begrüßungszeremonie sprach: warme
Worte, sehr staatstragend, mit der unausgesprochenen Botschaft, dass eine
neue Zeit begonnen habe.
Randvoll mit Eindrücken weiß man nach dem ersten Wochenende auf jeden Fall,
dass sich das Hebbel am Ufer mit dem beschäftigt, was für Neuberliner das
liebste Thema ist: die Stadt selbst, das Ankommen, die eigene Rolle bei der
Veränderung, die Berlin an vielen Ecken erfährt. Der Begriff
„Gentrifizierung“ wird offensiv ins Fadenkreuz genommen in Wunderbaums
„Vision out of nothing“.
In einer Szene steht einer der Performer mit einem Rollkoffer auf der
Bühne, erzählt, dass er den Begriff nicht kannte, um sich dann als
Gentrifizierer zu outen. Aber als einer, der nichts Böses will: „Ich komme
in Frieden.“ Drei Wunderbaum-Arbeiten werden bis Mitte November zu sehen
sein, sie bilden eine der Gruppen, mit denen Vanackere die Unterschiede
ihres Programms markiert.
## Kindertoben, das Gewalt wird
Auch das niederländische Kollektiv Schwalbe gehört dazu, das vor vier
Jahren von Absolventen der Amsterdamer Theaterhochschule gegründet wurde.
„Schwalbe spielt falsch“ heißt ihr sechzigminütiger Abend, bei dem sich w…
bei einem Sportwettkampf zwei Teams auf einer Trainingsfläche einander
Kleidungsstücke abjagen. Erst wirkt das wie Kindertoben, aber das Spiel
schlägt in Gewalt um. Immer brutaler reißen sich die acht Performer die
Kleidung vom Leib. Man kann das als Metapher für Überlebenskampf lesen,
aber ein Rest Verrätselung bleibt. Und bei aller Roheit behält der Abend
etwas spielzeughaft Buntes.
Jérôme Bels „Disabled Theatre“ lief als größte Arbeit prominent gesetzt…
HAU 1. Der französische Choreograf hat diesmal mit elf geistig behinderten
Schauspielern des Schweizer Theater Hora gearbeitet. Nacheinander treten
sie nach vorne, schauen schweigend ins Publikum, sagen Namen und Beruf und
tanzen zuletzt zu einem selbst gewählten Popsong.
Der Abend hat beim Festival d’Avignon und auf der Documenta viel
Aufmerksamkeit bekommen. Aber im Berliner Kontext mag man ihn nicht als
State of the art akzeptieren. Der Diskurs ist hier schon weiter. Viele
Inszenierungen mit geistig Behinderten waren in den letzten Jahren in
Berlin zu sehen, die die Chance besser nutzten, den Blick zu verschieben,
die Mechanismen der Zuschreibung zu verändern.
Wie das HAU inhaltlich gefüllt wird, bleibt nach diesen ersten Arbeiten
noch schemenhaft. Es ist noch ein punktuelles Abklopfen von Differenzen und
Gemeinsamkeiten. Aber es wirkt für die Zukunft vielversprechend.
4 Nov 2012
## AUTOREN
Simone Kaempf
## TAGS
Theater
Schwerpunkt Coronavirus
Wuppertal
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