# taz.de -- Debatte Konflikt im Kongo: Spiel mit dem Feuer | |
> Die Bemühungen zur Befriedung des Kongo konzentrieren sich darauf, Druck | |
> auf Ruanda auszuüben. Das ist kontraproduktiv – und gefährlich. | |
Bild: M23-Rebellen kontrollieren den Ostkongo. UN und Regierung sind machtlos. … | |
Sobald es abends dunkel wird, sieht man an der Grenze zwischen Kongo und | |
Ruanda Feuer aus dem Kegel des Nyiragongo-Vulkans lodern – ein Symbol. Es | |
brodelt in der Region, und die derzeitige Krise im Osten der Demokratischen | |
Republik Kongo könnte ganz schnell in einen brutalen Krieg münden. | |
Eine UN-Expertengruppe wirft Ruanda und Uganda vor, hinter der neuen | |
kongolesischen Rebellenarmee M23 (Bewegung des 23. März) zu stecken, die | |
seit April im Ostkongo unter Führung desertierter Tutsi-Generäle die | |
Regierung herausfordert. Die Beweise sind erdrückend. Doch das trägt nicht | |
zur Konfliktlösung bei. | |
Den Hebel in Ruanda und Uganda anzusetzen, ist der falsche Weg. Die | |
Intervention der Nachbarländer zugunsten kongolesischer Rebellen ist ein | |
Symptom des Konflikts, nicht die Ursache. Denn solange Kongos | |
Regierungsarmee nicht in der Lage ist, im Osten ihres Landes Stabilität | |
herzustellen, sind eben die Sicherheitsinteressen der Nachbarn gefährdet. | |
Man stelle sich vor, im Elsass würden sich jeden Tag 30 Rebellengruppen die | |
Köpfe einschlagen. 50.000 Flüchtlinge würden sich über den Rhein retten, | |
die Rapsfelder besetzten, den Schwarzwald als Feuerholz abfackeln. Wie | |
würde man in Deutschland reagieren? | |
## Weitere Isolation kontraproduktiv | |
Es scheint kein Zufall, dass der Entwurf des Abschlussberichts der Gruppe | |
im Oktober ausgerechnet kurz vor der Wahl der neuen nichtständigen | |
Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats in New York „geleaked“ wurde. Wollte | |
jemand verhindern, dass Ruanda ab 2013 Afrika im Sicherheitsrat vertritt? | |
Letztlich ging die Wahl in New York positiv für Ruanda aus – zum Glück. | |
Denn eine weitere Isolation des Kleinstaats wäre kontraproduktiv. | |
Bereits im Juni hatten die UN-Experten Ruanda beschuldigt, die M23-Rebellen | |
mit Waffen, Munition und Truppen zu unterstützen. Daraufhin strichen die | |
USA einen Teil ihrer Militärhilfe. Mehrere europäische Länder, darunter | |
Deutschland, froren Budgethilfe ein. Noch nie in all den Jahren seit 1996, | |
als zum ersten Mal ruandische Truppen im Kongo eingriffen, stand die | |
Regierung des ruandischen Präsidenten Paul Kagame so unter Druck. | |
Politisch und vor allem finanziell steht Ruandas Staat jetzt mit dem Rücken | |
zur Wand: Die Wirtschaft sowie das Funktionieren der staatlichen Leistungen | |
hängen am Tropf internationaler Hilfsgelder, die Devisen ins Land spülen. | |
Innerhalb kurzer Zeit wurde in Ruandas Zentralbank das Geld knapp. | |
Als Alternative legte die Regierung einen Fonds auf, in den jetzt alle | |
Ruander weltweit einzahlen müssen, um ihren Patriotismus zu beweisen. | |
Staatsangestellte haben keine Wahl: Ihre Gehälter wurden automatisch in den | |
Fonds umgeleitet. | |
Öffentlich würde es niemand zugeben, doch die Ruander sind jetzt sauer. | |
Aber es gibt unter dem autoritären Kagame-Regime kaum Wege, dem Ärger Luft | |
zu machen. Es ist unabsehbar, was geschehen wird, wenn dieser Ärger weiter | |
unter dem Deckel gehalten wird. Kein Wunder, dass sich Ruandas Regierung | |
jetzt als Opfer einer Verschwörung sieht, die weniger ihre Kongopolitik | |
treffen soll als die Stabilität des Regimes. | |
## Ugandas Rolle | |
Uganda wurde von den UN-Experten ebenfalls beschuldigt, die M23 zu | |
unterstützen. Das löste in Ruanda Jubel aus: Endlich stand man nicht mehr | |
alleine am Pranger. Uganda ist eine militärische Supermacht in der Region | |
und hat mit seinen Truppen Somalia vor radikalen Islamisten bewahrt. | |
Uganda jetzt ebenfalls anzuklagen ist jedoch ein Spiel mit dem Feuer: | |
Immerhin hat sich Ugandas Präsident Yoweri Museveni – nach 26 Jahren an der | |
Macht sozusagen der Großvater der Region – als Gastgeber mehrerer | |
Kongo-Friedensgipfel der Regionalorganisation ICGLR (Internationale | |
Konferenz der Region der Großen Seen) bemüht, Ruanda, die M23 und Kongos | |
Regierung an einen Verhandlungstisch zu bekommen. | |
Zwar führte dies bislang nicht zum Erfolg, doch es war ein Versuch – | |
vielleicht der letzte. Denn wenn der politische Ansatz scheitert, werden | |
alle Seiten wieder den militärischen Weg gehen. | |
## Kabilas korrupte Generäle | |
Was der Kongo dringend braucht, ist eine grundlegende Reform der Armee. | |
Dies ist seit Jahren bekannt. Doch jede Reform wird von mächtigen Generälen | |
blockiert und sabotiert, weil sie dadurch ihre gigantischen Einkünfte im | |
kongolesischen Korruptionssystem verlieren würden. Kongos Präsident Joseph | |
Kabila müsste diesen Milliardären in Uniform den Laufpass geben. | |
Doch dann droht ihm das, was bereits seinem Vater und Vorgänger zugestoßen | |
ist: eine Kugel im Kopf. Letztlich profitieren vor allem die kongolesischen | |
Offiziere vom Krieg im Osten: Enorme staatliche Ressourcen werden in | |
Militäroperationen gesteckt, und jeder zweigt sich etwas ab. | |
International wird Ruanda und Uganda vorgeworfen, vom Chaos im Ostkongo zu | |
profitieren – Stichwort Mineralienschmuggel. Die Nachbarn würden aber auch | |
von einem stabilen Ostkongo profitieren. Ruanda bemüht sich um ein | |
positives Investitionsklima. | |
Das Methangas im Kivu-See an der Grenze zum Kongo könnte, als | |
Energiereserve genutzt, einen Wirtschaftsboom auslösen. Doch solange es | |
rumpelt im Dschungel nebenan, will dort niemand Milliarden investieren. | |
Ähnlich in Uganda, wo entlang der Grenze zum Kongo vielversprechende | |
Ölreserven gefunden wurden. | |
Pünktlich zum „geleakten“ UN-Bericht haben die Kämpfe im Ostkongo wieder | |
begonnen, und zwar ganz unabhängig von den Nachbarländern. An jeder Ecke | |
haben sich lokale Milizen zur Verteidigung ihrer Ethnien gerüstet. Kinshasa | |
hat die Hoheit über das Gebiet schon lange verloren. Der Ostkongo ist jetzt | |
endgültig unregierbar. | |
Derweil spukt die Idee von einer unabhängigen Republik Ostkongo herum. Vor | |
Ort werden Tatsachen geschaffen: Die M23 ist dabei, auf ihrem Territorium | |
einen Musterstaat zu errichten. Plakate mit dem Slogan „Wir bekämpfen | |
Korruption“ wurden aufgestellt, Straßen ausgebessert, Bürgersteige | |
angelegt: „Bald wird es hier so aussehen wie in Ruanda“, verspricht die | |
M23-Administration. Weder die UNO noch Kongos Regierung ist in der Lage, | |
diese Entwicklung aufzuhalten. Nur der Dialog mit Ruanda im | |
UN-Sicherheitsrat kann das Ruder noch herumreißen. | |
5 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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