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# taz.de -- Die Wahlnacht in Washington: Ein Stein plumpst in den Potomac
> Die Demokraten brennen für die Wahlentscheidung. Draußen brennen die
> Feuerwerke. Und vor dem Weißen Haus brennen die Füße in High Heels.
Bild: „O-ba-ma, four more years“, Rufe auf der Wahlparty vorm Weißen Haus
WASHINGTON taz | Es war ein schöner, klarer Herbsttag in Washington DC.
„Ich hab eine Scheißangst“ hatte Jessica Thomas noch gesagt, als wir am
frühen Abend losfuhren nach Chavy Chase, dem nordwestlichsten Zipfel der
Hauptstadt, wo uns Freunde von Freunden zu einer Wahlparty eingeladen
hatten. Angst nicht vor der Party, sondern vor einem Präsidenten Mitt
Romney.
Jessica, 24, ist aus Tennessee, ihr Freund ist dort Friseur, und sie macht
gerade ein Praktikum in Washington. Ihr Thema: Reproduktive Gesundheit. Ein
Button, den sie stets an ihrem Taschenriemen trägt, verkündet: „I love
Family Planning“. Aber Romneys Republikaner haben angekündigt, alle
öffentlichen Gelder für „Planned Parenthood“ zu streichen, die größte
Familienplanungsorganisation in den USA.
Planned Parenthood kümmert sich um sexuelle Aufklärung, um HIV-Prävention,
um Verhütung und um Abtreibungen – und sie bekommen seit 1970 Bundesmittel,
auch wenn immer wieder konservative und christliche Fundamentalisten
dagegen geklagt haben. Jessica sorgt sich nicht nur um ihre berufliche
Zukunft, sondern sie kriegt die kalte Wut. Aber trotz allem Unwohlsein, ob
es an diesem Abend etwas zu feiern gäbe, hat sie ihre Füße in High Heels
gesteckt, mit denen sie kaum den Weg zur Metro schafft.
Die Party ist klein, ein paar Leute haben sich kurzfristig krankgemeldet,
umso mehr Essen gibt es für alle, die da sind. Das sind allesamt Demokraten
älteren Baujahrs. Als wir ankommen, treffen gerade die ersten Ergebnisse
ein, aber noch keine Überraschungen, keiner der Schlüsselstaaten hat
bislang die Wahllokale geschlossen.
## Empfängnis durch Vergewaltigung ist ein Gottesgeschenk
Dann geht es Schlag auf Schlag: Todd Akin, der „legitimate
rape“-Senatskandidat aus Missouri, verliert, genauso der
„auch-eine-Empfängnis-durch-Vergewaltigung-ist-ein-Gottesgeschenk“-Kandidat
Richard Mourdock in Indiana, und die Demokratin Elisabeth Warren übernimmt
in Massachussettes wieder den alten Sitz von Ted Kennedy, der in Nachwahlen
nach dessen Tod 2010 überraschend an die Republikaner gefallen war.
Die Runde ist erleichtert und klatscht, nur Virginia macht Sorgen, der
Nachbarstaat. Da gab es ewig lange Schlangen vor den Wahllokalen, manche
bleiben drei Stunden länger geöffnet, und in den ersten Hochrechnungen
liegt der demokratische Senator Tim Kaine hinter seinem Herausforderer
zurück. Am Ende gewinnt er trotzdem, und auch der Bundesstaat geht an
Obama.
Seid ihr in Deutschland auch so aufgeregt am Wahlabend? Wie geht es
eigentlich Mrs. Merkel? Und wer sind diese Piraten? Internetgeneration? Ach
so. Michigan, Wisconsin, Pennsylvania, überall ist Obama vorn. Wie will es
Romney jetzt noch schaffen?
Plötzlich ist es vorbei, Obama hat gewonnen, früher als erwartet. In den
Vorgärten brennen die ersten Feuerwerke. „Der Nachbar ist Republikaner,“
flüstert Gastgeberin Mary. Bei ihm ist alles dunkel. Dann eine
Schrecksekunde: Karl Rove, Bushs alter Wahlstratege, der mit seiner
Organisation „American Crossroads“ viele Millionen Dollar in den
republikanischen Wahlkampf gesteckt hat, verkündet auf Fox News, man werde
den Wahlsieg nicht anerkennen und das Ergebnis in Ohio anfechten.
## Fox gibt Obama den Wahlsieg
Romney hat seine Niederlage auch noch nicht eingestanden, Obama noch nicht
angerufen. Aber selbst Fox gibt Obama den Wahlsieg. Wir verabschieden uns
und fahren mit dem Taxi zum Weißen Haus. Dort sind schon hunderte
versammelt, die meisten so Mitte 20, sie kreischen und schreien „O-ba-ma“
und „four more years“ und „yes we did“. Autos fahren laut hupend vorbei,
die Fahrer schwenken US-Fähnchen.
So war es vor vier Jahren auch, nur war es viel wärmer, es waren viel mehr
Menschen, Joan Baez stand im Bademantel vor dem Weißen Haus, und alle haben
geweint. Diesmal weint keiner, es ist eher so, als höre man einen
gewaltigen Stein in den Potomac plumpsen. „Romney hat aufgegeben“ liest
einer auf seinem Smartphone.
Keine Schlammschlacht. Der schwarze Taxifahrer auf dem Heimweg ärgert sich:
Zwei Stunden lang ist er wild hupend durch die Stadt gefahren, jetzt ist
die Hupe kaputt. Ausgerechnet in dieser Nacht. Jessica hat die High Heels
gegen Laufschuhe getauscht und stellt auf dem Smartphone Fotos vom Weißen
Haus auf Facebook. Ihr geht es gerade sehr sehr gut.
7 Nov 2012
## AUTOREN
Bernd Pickert
Bernd Pickert
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