Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Tarek Al-Wazir zur Grünen-Urwahl: „Das perfekte Wahlkampfpaar“
> Trittin und Göring-Eckardt seien eine gute Mischung, meint Tarek
> Al-Wazir. Göring-Eckardt werde Wertkonservative ansprechen, die die CDU
> nicht mehr erreicht.
Bild: Wer ist Mutter Teresa? Und, vor allem, wer ist Darth Vader?
taz: Herr Al-Wazir, lassen Sie uns den Überraschungssieg von Katrin
Göring-Eckardt analysieren. Dazu drei Theorien, alle aus Ihrer Partei.
Tarek Al-Wazir: Immer her damit.
Ím Grunde war es eine Wahl für Trittin, nicht für Göring-Eckardt. Die Leute
haben nur die Frau dazu gewählt, die am wenigsten stört.
Quatsch. Beide haben gewonnen. Trittin ist der unumstrittene Mann. Und das
Ergebnis von Katrin ist ein großer, erarbeiteter Erfolg. Anfangs lag sie in
Umfragen weit abgeschlagen hinten. Auf den Urwahl-Foren haben sie Tausende
Mitglieder gesehen. Sie hat unzählige Interviews gegeben und offensichtlich
beeindruckt und in der Sache überzeugt.
Göring-Eckardt hat gewonnen, weil evangelische Kirchentage inzwischen grüne
Vorfeldorganisationen sind.
Auch Quatsch. Da gab es keine protestantische Großverschwörung. Die EKD ist
sehr vielfältig, von fundamentalen Evangelikalen bis hin zu weltoffenen
Progressiven. Ich würde ja durchaus begrüßen, wenn alle Protestanten Katrin
Göring-Eckardt gut fänden, dann wären wir nahe an der absoluten Mehrheit.
Ist aber nicht so.
Dritte Theorie: Auch Grüne haben Geschlechterklischees im Kopf. Die gut
aussehende Göring-Eckardt wird eher gewählt als die schrille Roth oder die
bissige Künast.
Männer sind in dieser Frage das schlichtere Geschlecht, das kann ich nicht
für alle ausschließen. Trotzdem weit überwiegend auch Quatsch. Die Mehrheit
hat sich nicht die bequeme, stille Frau gewählt. Wer so denkt, kennt Katrin
Göring-Eckardt schlecht. Wenn unsere Spitzenkandidaten scherzhaft als Darth
Vader und Mutter Teresa bezeichnet wurden, dann ist für Kundige noch
unklar, wer von den beiden Mutter Teresa ist.
In Medien wird Ihre Nominierung als Wunsch der Basis nach mehr
Wertkonservatismus interpretiert. Wie sehen Sie das?
Die spannende Frage ist ja: Wer ist überhaupt die Grünen-Basis?
Klären Sie uns auf.
Ich unterscheide drei Schichten. Die Grünen haben Mandatsträger, die in
Parlamenten sitzen. Dann gibt es Ehrenamtliche, die sich in der Partei
engagieren und als Delegierte auf Parteitage kommen. Und drittens sind da
noch die ganz normalen Mitglieder.
Denken diese Schichten politisch unterschiedlich?
Ja. Mandatsträgerinnen und Mandatsträger denken – egal ob Realos oder
Regierungslinke – eher pragmatisch, weil sie um die Schwierigkeiten der
Umsetzung von Parteitagsforderungen in Realität wissen. Die ehrenamtliche
Funktionärsebene tickt politisch eher links. Und die normale Mitgliedschaft
ist im Moment eine Blackbox. Niemand weiß, wie die 20.000 Mitglieder
denken, die seit der vergangenen Bundestagswahl eingetreten sind.
Und, wollen die mehr Wertkonservatismus mit Göring-Eckardt?
Ich glaube, dass die allermeisten Mitglieder ganz pragmatisch entschieden
haben. Für ein breites Angebot an die Gesellschaft. Und für eine eine gute
Mischung.
Oder war Göring-Eckardt deshalb erfolgreich, weil sie mit dezidiert linken
Positionen antrat?
So einfach ist es nicht. Ich finde die Zuspitzung unfair, Göring-Eckardt
habe früher Hartz IV mitgetragen und laufe jetzt als Herz-Jesu-Marxistin
durch die Gegend. Die Grünen sind – ebenso wie Katrin Göring-Eckardt – nie
neoliberal an diese Reform herangegangen und haben früh auf
Fehlentwicklungen hingewiesen. Im übrigen sind mir alle Politiker eher
suspekt, die in zehn Jahren überhaupt nichts dazulernen, sondern immer
schon alles vorher besser gewusst haben.
Das heißt: Die Basis wählte nicht politisch, sondern es ging nur um
Habitus?
In der Mediendemokratie ist der Auftritt auch politisch. Eine große Rolle
spielte, dass die Mitglieder ein frisches Gesicht dabei haben wollten. Und
eine bürgerliche Anmutung. Nehmen Sie mal Katrin Göring-Eckardt und Thomas
de Maiziere...
... jetzt wird es interessant.
Bei den Beliebtheitswerten von Politikern unterschiedlicher Parteien fällt
auf: Sehr weit oben stehen Menschen, die eher Gelassenheit ausstrahlen und
eine gewisse Nachdenklichkeit verbreiten. De Maiziere, Kretschmann,
Schäuble, Steinmeier, Merkel. Sie alle eint, dass sie nicht so tun, als
hätten sie auf jede Frage sofort die richtige Antwort, aber vielleicht eine
gute Gegenfrage. Diesem Bild entspricht Katrin Göring-Eckardt perfekt.
Ihre Werbeagentur wird sich über das Traumpaar freuen.
Das glaube ich auch. Sie sind das perfekte Wahlkampf-Paar. Ost und West,
Frau und Mann, jünger und älter, Wärme und Strategie. Toll.
Welche Wähler kann Göring-Eckardt für die Grünen erschließen?
Ein Problem der CDU ist, dass sie Wertkonservative, denen sozialer
Zusammenhalt und die nächsten Generationen wichtig sind, kaum noch
erreicht. Christdemokraten wie Norbert Blüm, die wissen, wo sie herkommen
und allen sozialen Aufstieg ermöglichen wollen, gibt es bei den Schwarzen
nicht mehr. Da rennen ja fast nur noch Jurastudenten in Burberry-Jacken
herum.
Und diese Leute wählen nicht Angela Merkel sondern Göring-Eckardt?
Natürlich. Diese Menschen leben konventionell, also eher im Eigenheim in
der mittelgroßen Stadt als in Berlin-Kreuzberg. Aber sie wissen, dass
sozialer Zusammenhalt und gute öffentliche Schulen nicht entstehen, wenn
man der FDP nachgibt. Auch in kirchlichen Milieus gibt es Menschen, die
progressiv denken, aber mit der Religionsfeindlichkeit mancher Parteien
nichts anfangen können. Solche Gruppen sind politisch heimatlos. Sie
spricht Katrin Göring-Eckardt an.
15 Nov 2012
## AUTOREN
Ulrich Schulte
Ulrich Schulte
## TAGS
Grüne
Urwahl
Katrin Göring-Eckardt
Jürgen Trittin
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Cem Özdemir
Spitzensteuersatz
Grüne
Grüne
Grüne
## ARTIKEL ZUM THEMA
Südwest-Grüne zur Bundestagswahl: Mit Realo-Duo in den Wahlkampf
Parteichef Özdemir gewinnt bei den Südwest-Grünen die Abstimmung gegen den
Parteilinken Schick. Kerstin Andreae ist auf dem ersten Listenplatz.
Parteitag beschließt Wahlkampflinie: Grüne wollen Sozialhelden werden
Die Grünen wollen tiefgreifende Sozialreformen: mehr Geld für
Hartz-IV-Empfänger ein Mindestlohn von 8,50 Euro, ein höherer
Spitzensteuersatz und eine Bürgerversicherung für Gesundheit und Pflege.
Özdemir bekennt sich zu Rot-Grün: „Wir wollen die Stimmen der Union“
Auf dem Grünen-Parteitag hat Parteichef Özdemir sich klar für eine
Koalition mit der SPD ausgesprochen. Die Partei müsse Union und FDP „so
einheizen, dass es kracht“.
Kommentar Göring-Eckardt: Karriere mit Kanzelreden
Katrin Göring-Eckardt kommt aus Ostdeutschland, ist aber keine typische
Ostdeutsche. Stattdessen wird sie immer frömmelnder und alltagsferner.
Grünes Spitzenduo: Die Wiederauferstehung
Die erlösende SMS kam um 9.57 Uhr: Katrin Göring-Eckardt ist die neue
Spitzenfrau der Grünen. Damit feiert die Sozialpolitikerin ein
überraschendes Comeback.
Vor der Bundestagswahl: 15 Grüne für zwei Spitzenplätze
Die Grünen suchen zwei Kandidaten für ihre Doppelspitze im Wahlkampf.
Beworben haben sich prominente Politiker und auch einige unbekannte
Kandidaten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.