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# taz.de -- Öko- und Sozialstandards bei Kleidung: Siegelwesen bleibt zerfasert
> Wer umweltfreundlich und fair produzierte Kleidung kaufen will, muss sich
> durch ein Dickicht aus Labeln kämpfen. Nun beraten Organisationen über
> transparentere Infos.
Bild: Besser als nichts: Das Texolotl, Maskottchen des Oeko-Tex-Siegels
BERLIN taz | Ökologisch korrekte Kleidung zu kaufen ist schwierig. Zwar
gibt es Dutzende von Siegeln für nachhaltig erzeugte Hosen, T-Shirts oder
Jacken. Aber sie alle basieren auf unterschiedlichen Standards und sind
somit für den Verbraucher kaum durchschaubar. Als die
Umweltschutzorganisation Greenpeace sich im Rahmen ihrer
Chemikalien-Kampagne kürzlich Jacken bekannter Hersteller von Outdoor-Mode
vornahm, ist das wieder einmal deutlich geworden: Selbst in Kleidung mit
Umweltsiegeln wie dem von „Bluesign“ fanden sich giftige Fluorchemikalien.
Der Bluesign-Standard verbiete diese Substanzen nicht generell, sagt Peter
Waeber, Geschäftsführer des gleichnamigen Zertifizierers aus der Schweiz,
„setzt aber klare Obergrenzen für die in Fluorchemikalien enthaltenen
unerwünschten Nebenprodukte“. Es gebe einfach im Bereich der Schmutz- oder
Ölabweisung keine technischen Alternativen.
Eine Obergrenze für eine Chemikalie, die Krebs auslösen kann und sich in
der Umwelt anreichert? Was sollen Verbraucher mit dieser Information
anfangen? Für andere Siegel, etwa den bekannten Oeko-Tex 100, werden
Kleidungsstücke auf Schadstoffe hin untersucht. Ob in den Fabriken oder
beim Anbau der Pflanzenfasern Chemikalien eingesetzt wurden, die Umwelt und
Menschen vor Ort gefährden, spielt keine Rolle.
## Strenges Siegel ohne Wirkung
„Alle Siegel haben unterschiedliche Kriterien“, sagt Heike Scheuer vom
Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN), „die einen
bewerten die Arbeitsbedingungen, die anderen den Anbau der Fasern, die
dritten, ob ökologisch gefärbt wird“, so Scheuer. Rund 20 Vereine und
Verbände, die Siegel für nachhaltige Kleidung vergeben, haben das Problem
ihrer Vielstimmigkeit inzwischen erkannt. Diese Woche beraten sie in Berlin
darüber, wie sie ihre Arbeit für den Verbraucher transparenter machen
können.
Ein staatliches Siegel, das bestimmte Mindeststandards für Öko-Klamotten
festlegen würde – ähnlich dem EU-Biosiegel für Lebensmittel –, gibt es
zwar. Erst kürzlich wurden Regeln für den blauen Umweltengel für nachhaltig
erzeugte Textilien verabschiedet, der strenge ökologische und soziale
Vorgaben macht. Doch bislang hängt kein einziges Modeunternehmen den Engel
an seine Kleiderbügel. Ein rein deutsches Siegel sei für die international
aufgestellte Bekleidungsindustrie problematisch, heißt es dazu aus dem
Umweltministerium.
Am nachhaltigsten ließe sich die Chemikalienbelastung senken, wenn der
Staat strengere Vorgaben für alle Textilien mache, sagt Scheuer. Vorbild
könnte etwa die EU-Richtlinie für Kosmetik sein, die besonders schädliche
Inhaltsstoffe verbietet. Das zuständige Wirtschaftsministerium verweist
aber nur auf die bestehenden Gesetze.
## Knitterfrei nur mit Chemie
Doch die halten nicht mal die Unternehmen selbst für ausreichend. Längst
sind Marken, die Wert auf ihr Image legen, im Gespräch mit Greenpeace oder
sitzen an runden Tischen, um die Verwendung giftiger Chemikalien
herunterzufahren. Der Druck der Umweltverbände und die Nachfrage der
Verbraucher treibt die Branche zu mehr Nachhaltigkeit. Bei vielen
Discountern findet sich inzwischen ökologisch zertifizierte Kleidung –
womit wir wieder bei der Siegel-Misere angekommen wären.
Heike Scheuer vom besonders strengen „Naturtextilienverband“ rät
Verbrauchern, die Finger von Kleidung mit „Zusatz-Effekten“ zu lassen:
Wasserabweisend, bügelleicht, knitterfrei und schnelltrocknend, das ließe
sich nur mit Unmengen von Chemie erreichen.
Wer keine Lust auf die besonders nachhaltige Secondhandmode hat oder
Öko-Anbieter zu teuer findet, dem bleibe zunächst nichts anderes übrig, als
sich nach zumindest für Baumwoll-Kleidung inzwischen weit verbreiteten
Siegeln wie Oeko-Tex 100 zu richten, so Scheuer. Die bewerten zumindest die
Schadstoffe im Endprodukt und seien immer noch besser als gar nichts.
16 Nov 2012
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
Heike Holdinghausen
## TAGS
Kleidung
Biosiegel
Fair Trade
Textilien
Giftmüll
Primark
Kleidung
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