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# taz.de -- Ökologische Textilien: Mit Kaffee ging's, mit Mode auch
> Mainstream-Modefirmen sollen Kleidung nachhaltiger produzieren. Die
> Stiftung "Made-by" hilft. Sie hat es bereits geschafft, fairen Kaffee
> salonfähig zu machen.
Bild: Kaffeetrinken im fairen roten Kleid im "House of Lords", dem Westminster-…
Streng ideologisch gesehen, ist es einer der tiefgrünsten Flecken in
Deutschland, den sich die niederländische Stiftung "Made-by" aussuchte, als
sie 2008 nach einem geeigneten Sitz in der Bundesrepublik Ausschau hielt:
das "Vauban" - jenes Viertel in Freiburg, in dem die linksökologische Szene
der Stadt in höchster Konzentration lebt. Hier entstand einst das erste
Passivmehrfamilienhaus Deutschlands, und hundert Einheiten zählt allein die
Solarsiedlung. Das Verkehrskonzept des teilweise autofreien Stadtteils gibt
FußgängerInnen Vorfahrt. Vor dem Fahrradladen Rad-ieschen&Co steht eine
Ökostromtankstelle, und in der Bar daneben gibt es fair gehandelten Kaffee.
Ein paar Meter weiter, im Dienstleistungszentrum "Diva", inmitten von
Astroglobe-Software und Praxis für Lebensenergie, ist das Großraumbüro von
Made-by. So viel alternative Umgebung ist eigentlich schwer mit dem Credo
von Ulrich van Gemmeren, dem Deutschlandchef der Stiftung, in Einklang zu
bringen.
"Unser Ziel ist es nicht, die grüne Nische noch grüner zu machen", sagt er
gern, "wir wollen den Mainstream verändern."
Gemeint sind der Mode-Mainstream und damit die unzähligen
Bekleidungsmarken, die ihre Ware ganz konventionell produzieren lassen und
dabei die berüchtigten Bedingungen in den Billiglohnländern in Kauf nehmen:
von der immensen Pestizidbelastung im Baumwollanbau über das Fehlen von
Kläranlagen in Färbereien bis zu schamlos niedrigen Arbeitslöhnen in der
Konfektion, um nur einige Probleme in der textilen Wertschöpfungskette zu
nennen.
Solchen Unternehmen bietet Made-by an, sie bei der Umstellung auf eine
nachhaltigere Produktion zu beraten. Und zwar auf unterschiedlichste Weise.
Am bekanntesten ist die Organisation derzeit für ein in dieser Form
einmaliges System, das sie "Track & Trace" nennt: Mithilfe eines
Nummerncodes im Etikett eines Kleidungsstückes kann der Verbraucher dessen
Reise durch die einzelnen Produktionsbetriebe rund um den Globus per
Internet nachverfolgen und sich informieren, wie da produziert wird.
Klingt toll und ist gerade für junge, internetaffine Zielgruppen
interessant, aber es ist aufwendig in der Realisation und für kleine
Modemarken oft zu teuer. Bislang machen rund zehn Firmen mit.
Voraussetzung für Track & Trace ist, dass eine Modemarke zuvor Partner von
Made-by geworden ist. Mit diesen Partnern werden gemeinsam alle
Herstellungsprozesse auf ihr ökologisches und soziales
Verbesserungspotenzial hin abgeklopft, dann werden die einzelnen Schritte
dorthin definiert.
Wie groß die Fortschritte auf diesem Weg dann ausfallen, das veröffentlicht
Made-by einmal pro Jahr im Internet. Im Gegenzug dürfen die Partnermarken
ihre Ware mit dem blauen Logo der Organisation auszeichnen.
Das blaue Logo indes ärgert manch lupenreinen Ökotextilienhersteller.
Während für ein klassisches Ökosiegel wie etwa das GOTS-Label alle
Produktionsschritte nach festgelegten Standards lückenlos zertifiziert
werden müssen, signalisiert der Made-by-Anhänger lediglich: Wir haben uns
auf den Weg gemacht, unsere Produktion auf Nachhaltigkeit umzurüsten, und
jeder kann im Internet nachlesen, wie schnell wir da vorankommen.
Eine Marke, die neu anfängt, setzt sich im ersten Jahr beispielsweise zum
Ziel, 2 Prozent der verwendeten Baumwolle durch Biobaumwolle zu ersetzen.
"Klingt wenig", räumt van Gemmeren ein, "aber wenn ich von konventionell
komme, muss ich da anfangen. Und zum Beispiel mit dem Label "Jackpot" sind
wir mittlerweile bei 20 Prozent Biobaumwolle."
Die dänische Modemarke ist einer von rund dreißig Made-by-Partnern und
macht einen Jahresumsatz von immerhin gut 60 Millionen Euro. "Ich habe den
größten Respekt vor der Pionierarbeit von Naturtextilern wie Hess und Co.
Aber sie sind aus der Nische bisher nicht wirklich herausgekommen", sagt
der Deutschlandchef. Genau das aber sei sein Ziel.
Die Diskussion ist letztlich uralt und erinnert an das, was die
Gründungsgesellschaft Solidaridad, zu der Made-by gehört, vor über zwanzig
Jahren mit Fairtrade-Kaffee vorexerziert hat. 1988 hat Solidaridad, die
niederländische Entwicklungshilfeorganisation, unter heftigen Diskussionen
der Branche das Label Max Havelaar (in Deutschland: TransFair) für fair
gehandelten Kaffee eingeführt und ihn damit mainstreamfähig gemacht: Fortan
konnte das Produkt nicht mehr nur in Dritte-Welt-Läden verkauft werden,
sondern auch in den Regalen normaler Supermärkte, was ihm zu einem enormen
Umsatzsprung verhalf.
Anfang des Jahrtausends knöpfte sich Solidaridad dann das Thema Textilien
vor, gründete 2001 das heutige Kultlabel Kuyichi Jeans, drei Jahre später
Made-by. Eine Besonderheit der Textilorganisation ist deshalb, dass ihre
Kunden auf die Infrastruktur von Solidaridad mit ihren weltweit neun
Expertenzentren in Lateinamerika, Asien und Afrika zurückgreifen können. So
wurden in Indien, China, Uganda und Peru bereits komplette "saubere"
Lieferketten für Textilien aufgebaut.
Das Expertenzentrum in Bangladesch koordiniert derzeit ein öffentlich
gefördertes Projekt, in dem fünfzehn Färbereien bei der Umstellung auf
umweltfreundlichere Verfahren beraten werden. In sechs dieser Betriebe
lässt auch die Firma H&M, die man finanziell ins Boot geholt hat,
produzieren.
Dass gerade die trendigen Modefilialisten wie H&M mit ihren immer schneller
wechselnden Kollektionen eine Wegwerfmentalität kultivieren und ihr Bemühen
um Nachhaltigkeit deshalb in sich widersprüchlich bleiben wird, ist van
Gemmeren klar. Aber er glaubt, die Prioritäten der Verbraucher genau zu
kennen: "Fashion First! Wenn ein Teil nicht gefällt, kann das noch so
nachhaltig sein - es wird trotzdem nicht gekauft. Und das finde ich im
Prinzip in Ordnung."
18 Feb 2011
## AUTOREN
Heike Baier
## TAGS
Kleidung
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