# taz.de -- Aus der Quoten-taz: Männlich, ledig, Geek | |
> Frauen im Netz? Von Vielfalt ist im Internet nicht viel zu sehen. Das ist | |
> schade und verstärkt das Ungleichgewicht der realen Welt. | |
Bild: Sie ist doch nicht blöd. | |
Eins ist mal klar: In der IT-Branche gibt es vorm Damenklo keine Schlange. | |
Das mag für die wenigen Vorzeigefrauen der Branche praktisch sein. Aber der | |
Weg zum Klo bleibt auch der einzige Durchmarsch, der Frauen in der Netzwelt | |
gegönnt ist. Es gibt sie, die wenigen, die es an die Spitze geschafft | |
haben. | |
Sheryl Sandberg gehört dazu, die Facebook seit 2008 gehörig umgekrempelt | |
und den Börsengang möglich gemacht hat. Marissa Mayer hat es als | |
Mitarbeiter Nummer 20 bei Google in eine Führungsposition geschafft und | |
steuert seit diesem Sommer als CEO die Geschicke von Yahoo. Auch Meg | |
Whitman gehört dazu, einst CEO von Ebay und nach einem verlorenen | |
Gouverneurswahlkampf in Kalifornien auf den Chefsessel von Hewlett-Packard | |
gewechselt. Drei Vorzeigebeispiele, die durch die Medien gereicht werden: | |
Seht her, es gibt sie, die erfolgreichen Frauen der Netzwelt. | |
Schauen wir uns genauer in den Tiefenstrukturen des Internets um, wo | |
Start-ups gegründet, neue Anwendungen getestet oder durch Crowdsourcing | |
Inhalte geschaffen werden: Dort sieht es anders aus. Dort endet „Diversity“ | |
in einer toten Leitung. Der Löwenanteil derer, die im Netz etwas starten | |
und machen, sind junge, weiße Männer. Und der Großteil von denen wiederum | |
stammt aus den USA, aus der Region um New York, vor allem aber aus dem | |
Silicon Valley in Kalifornien. | |
Die Website „BuzzFeed“ hat sich vor zwei Monaten die demografische | |
Verteilung bei den Erstnutzern, den „Beta Testern“, dreier kürzlich | |
gestarteter Plattformen – „Svbtle“, „App.net“ und „Medium“ – an… | |
Ergebnis: Von knapp 2.300 Akteuren waren, je nach Plattform, zwischen 61 | |
und 88 Prozent weiße Männer. Vielleicht genügt schon ein lebensweltlicher | |
Blick auf diese Daten, um festzustellen: Hier gibt’s ein Problem. | |
Die Erstnutzer solcher neuen Angebote bauen ihr Netzwerk, geben Feedback | |
und machen Verbesserungsvorschläge. Sie prägen so die Weiterentwicklung der | |
Plattformen und Dienstleistungen und bauen an deren sozialer Struktur mit. | |
Im ersten Schwung der Internetentwicklung haben die Launen und Präferenzen | |
der „Alpha Geeks“ das Netz geprägt. Bill Gates und Paul Allen (Microsoft) | |
oder Steve Jobs (Apple) sind bekannte Beispiele der 1.0-Welt. | |
In der 2.0-Welt geht es genauso weiter: Larry Page und Sergey Brin von | |
Google und Mark Zuckerberg, Facebook, führen den Reigen an. Aber die | |
2.0-Welt verspricht uns anderes. Vom offenen, freien, demokratisierten und | |
diversen Netz ist da immer wieder die Rede. Es ist ein Treppenwitz der | |
Netzgeschichte, dass ausgerechnet diese Kriterien dazu geführt haben, das | |
Internet zu einer Infrastruktur der vornehmlich weißen, männlichen Geeks | |
aus den USA zu machen. | |
## Frauen haben keinen Bock auf Spielchen | |
Schon vor Jahren haben Beobachter im Netz zu diskutieren begonnen, warum | |
dessen Macher zwar extrem gut ausgebildet, engagiert und kreativ sind, | |
dabei aber abweichende Meinungen kaum tolerieren und sogar ein feindliches | |
Umfeld für die schaffen, die als Newcomer noch lernen müssen. | |
Verhaltensregeln, soziale Kommunikation, mehr Frauen? Fehlanzeige! Die | |
Geeks mögen es nicht, wenn man ihnen dazwischenfunkt. Frauen haben auf | |
solche Spielchen zumeist schlicht keinen Bock und ziehen sich zurück. Die | |
wenigen Frauen in der Piratenpartei können davon ein Lied singen. | |
Für die Online-Enzyklopädie Wikipedia bedeutet das zum Beispiel: Weniger | |
als 15 Prozent derjenigen, die Beiträge schreiben oder bearbeiten, sind | |
Frauen – mit sichtbaren Folgen: So finden sich über den spanischen | |
Schuhdesigner Manolo Blahnik gerade mal drei spärliche Absätze bei | |
Wikipedia, obwohl die Schuhe durch die TV-Serie „Sex and the City“ zum | |
Kultprodukt wurden. Über die Krawatte an und für sich kann man dagegen | |
seitenlange Ausführungen lesen – von der geschichtlichen Abhandlungen über | |
Knotenvarianten bis zu Tragehinweisen. | |
Sue Gardner, Executive Director der Wikimedia-Stiftung, hat das Ziel | |
ausgegeben, bis 2015 den Anteil der weiblichen Beitragenden bei Wikipedia | |
auf 25 Prozent zu erhöhen. Als Begründung sagt sie: „Jeder bringt bei uns | |
sein Bröckchen Information auf den Tisch. Wer nicht mit am Tisch sitzt, | |
dessen Bröckchen geht uns verloren.“ | |
Vielleicht ist „Bröckchen“ ein irreführendes Diminutiv. Es geht nicht nur | |
um Informationen, die fehlen, wenn Frauen im Internet weiterhin schweigende | |
Minderheit bleiben. Das Internet wird zur digitalen Infrastruktur unserer | |
vernetzten Zivilisation. Wenn Frauen daran nicht stärker mitbauen, | |
reproduziert, ja, verstärkt sich das Ungleichgewicht der realen Welt im | |
Virtuellen. | |
Frauen könnten mehr beitragen. Dazu braucht es auch Netzwerke, es braucht | |
mehr Informatikerinnen und den intensiveren Austausch über die eigenen | |
Möglichkeiten, zum Beispiel in der Schlange vorm Damenklo. | |
Miriam Meckel, Professorin für Kommunikationsmanagement der Universität St. | |
Gallen und Faculty Associate am Berkman Center for Internet & Society der | |
Harvard University, ist sich sicher, dass es ein Leben jenseits des | |
Internets gibt, und versucht es im Blick zu behalten. | |
18 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Miriam Meckel | |
## TAGS | |
Frauen | |
Netz | |
Frauenquote | |
Miriam Meckel | |
Miriam Meckel | |
New York Times | |
Steinbrück | |
Pro Quote | |
Krieg | |
Frauenquote | |
Frauenquote | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Chefredakteurin der „Wirtschaftswoche“: Miriam Meckel wird Boss | |
Die Medienwissenschaftlerin wird ab Oktober die Redaktion der | |
„Wirtschaftswoche“ leiten. Sie ist die erste Frau auf diesem Posten. | |
Miriam Meckel als Chefredakteurin: Newsroom statt Hörsaal | |
Beim „Sesseltausch“ wechselten Medienprofessorin und | |
„Tagesanzeiger“-Chefredakteur die Plätze. Nach einer Woche wollen beide | |
wieder zurück. | |
Frauen in der „New York Times“: Stinktier auf der Gartenparty | |
Jill Abramson ist seit gut einem Jahr Chefredakteurin der „New York Times“. | |
Die bekennende Demokratin verwandelt ihre Redaktion nun in eine | |
Feministinnenoase. | |
Peer Steinbrück über die Frauenquote: „Freiwillig geht es nicht“ | |
Peer Steinbrück fordert eine 40-Prozent-Quote für Aufsichtsräte und | |
Vorstände. Und wirft sich für die SPD-Männertroika in die Bresche. | |
Quote als Chance: Endlich Sex! | |
Sie können es nicht mehr hören, den Ruf nach mehr Chefinnen? Beugen Sie | |
sich, werte Herren – das wird Ihnen nützen: mehr Sex, Sex, Sex. | |
Aus der Quoten-taz: Der weibliche Blick auf den Krieg | |
Viele Kriegsreporterinnen erliegen dem Reiz der Kalaschnikows genauso wie | |
ihre Kollegen. Dabei wären sie da wichtig, wo Männer keinen Zutritt haben. | |
Kommentar Frauen im Sportjournalismus: Alte Herren im Familienglück | |
Selbst jüngere Männer werden auf magische Weise zu Greisen, sobald sie für | |
ARD oder ZDF über Sport reden. Eine Frau würde dem Spiel gut tun. | |
Aus der Quoten-taz: Hausfrau kontra Putin | |
Jewgenija Tschirikowa ist die erste Wutbürgerin Russlands. Unerschrocken | |
kämpft sie gegen den Männerbund im Kreml. Und für ihren Wald. | |
+++ Live-Zicker Quoten-taz +++: Die Vulva ist gerettet | |
Der Verein ProQuote hat die taz gekapert und die komplette Wochenendausgabe | |
gestaltet. Sie sind fertig, „verboten“ ist glücklich und wir kriegen Sekt. |