# taz.de -- Krise der Printmedien: „Die Zeitung wird zur Vinyl-Platte“ | |
> Der Medienforscher Lutz Hachmeister über die Insolvenz der „Frankfurter | |
> Rundschau“. Die Chance der Printmedien: in gehobenen Nischen zu | |
> überleben. | |
Bild: „Als Mitspieler im wahrnehmbaren Pressemarkt ist die FR seit längerem … | |
taz: Herr Hachmeister, mit der Frankfurter Rundschau hat die erste | |
überregionale Tageszeitung in Deutschland Insolvenz angemeldet. Die | |
Financial Times Deutschland ist in Gefahr. Müssen wir jetzt bald alle | |
sterben? | |
Lutz Hachmeister: Ich fürchte eher, dass die gedruckte Zeitung gerade in | |
den Status der Vinyl-Schallplatte übergeht. Zumindest die Tagespresse, ob | |
mit oder ohne FR. | |
So als Liebhaber-Stück? | |
Ja. Allerdings wurde noch nie so viel geschrieben und gelesen wie jetzt – | |
und nicht nur diese emotionalen individuellen Aufwallungen. Das Übermedium | |
Internet multipliziert die ganz alten digitalen Zeichen: das griechische | |
Alphabet. Ganz unabhängig vom Überleben einzelner Titel. | |
Die FR hat am Ende also keiner mehr liebgehabt? | |
Die Rundschau war das Blatt, das ich Ende der 70er Jahre als Student | |
gelesen habe. Wir lasen die Rundschau, weil sie linksliberal war und eine | |
gute Kinoberichterstattung hatte. Den grünen Streifen auf der Titelseite | |
nannten wir den „Intellektuellenbalken“. Auf keinen Fall las man als | |
Publizistikstudent die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die schlicht als | |
reaktionär galt. | |
Sie lesen die FR heute nicht mehr? | |
Im Grunde nicht mehr, seit es die taz gibt. Das war der entscheidende | |
Einschnitt, ein Struktur- und Stilwandel im linken Spektrum. Die FR hat | |
dann eine journalistische Modernisierung versäumt, ist in das Image des | |
biederen, sozialdemokratischen Hausblattes abgerutscht. Da ging | |
überregional die Klientel verloren. Dagegen hat die FAZ experimentiert und | |
sich auch politisch geöffnet. Verblüffend. | |
Das hat die FR beispielsweise mit dem kleineren Format auch versucht. | |
Versucht, ja. Und der App-Auftritt war sogar sehr modern. | |
Ist. Die leben doch noch. | |
Stimmt, ist modern. Aber die Marke ist negativ konnotiert und könnte | |
höchstens noch als ideelles Projekt im Internet überwintern. Als Mitspieler | |
im wahrnehmbaren Pressemarkt ist die FR seit längerem tot. | |
Sind nicht auch Leser schuld, die alles kostenlos wollen? | |
Natürlich sind alle Tageszeitungen durch die Konkurrenz des Internets in | |
ihrem Geschäftsmodell strukturell bedroht, aber bei der FR hatte man nicht | |
mehr das Gefühl, dass das Blatt überregional ernst genommen wurde, obwohl | |
es an den Kiosken lag. Es fällt auch auf, wie selten man Leute trifft, die | |
sagen, hast du den und den Artikel in der Rundschau gelesen? Schöpferische | |
Konkurrenz auch im Medienkapitalismus, bitter, aber wahr. | |
Die Reaktion auf sterbende Zeitungen ist im Netz teilweise recht hämisch. | |
Wie erklären Sie sich das? | |
Da tritt eine neue Generation an, die für sich einen Raum beansprucht und | |
auch eine symbolische Konfrontation betreibt. Für die ist die Papierzeitung | |
einfach alt. Das ist ein Statuskrieg mithilfe des technologischen Wandels. | |
Aber muss es auf „Die Stadt ist zu klein für uns beide“ hinauslaufen? | |
Es gibt ja eine sehr charmante These von Bodo Hombach, aus seiner Zeit als | |
Manager bei der WAZ-Mediengruppe. Danach kann die Zeitung als Luxusprodukt | |
so überleben wie die sehr teuren analogen Schweizer Uhren. Wenn es gelingt, | |
die gedruckte Zeitung unentbehrlich zu machen und dafür mehr zu kassieren, | |
kann das auch funktionieren. Es wird aber wohl für Recherchejournalismus | |
indirekte öffentliche Subventionen geben müssen. Die Gesellschaft muss das | |
wollen. | |
Warum sollte sie das wollen? | |
Eine der größten Errungenschaften der bürgerlichen Aufklärung ist der | |
Journalismus, der sich durch redaktionelle Kommunikation stimuliert und | |
gegenseitig überprüft. Ich sehe nicht, wieso man das nicht erhalten sollte. | |
Genau hier ist ja der Unterschied zu dem, der allein durchs Netz surft und | |
dann einen Blogeintrag fabriziert. | |
Wieso gelingt es dann nicht, der bürgerlichen Gesellschaft ihre größte | |
Errungenschaft als ebendiese zu vermitteln? | |
Den Verlegerverbänden gelingt es jedenfalls nicht und auch nicht dem | |
Bundesbeauftragten für Medien und Kultur mit seiner Initiative „Nationale | |
Printmedien“ – das wirkt alles wie aus dem letzten Jahrhundert. | |
Müssten die Zeitungen das nicht auch alleine schaffen? | |
Das passiert ja, die Auflagen der SZ oder der FAZ sind nicht schlecht. Auch | |
manches Regionalblatt steht ganz gut da. Die gedruckte Zeitung wird in der | |
gehobenen Nische länger überleben, als manche prognostizieren. Aber sie | |
muss einen publizistischen Mehrwert haben. Das gilt auch für das etablierte | |
Fernsehen. Wenn es an Formaten, Recherche und Ästhetik nicht deutlicher | |
über das hinauskommt, was im Internet ohnehin direkt zu haben ist, kann man | |
seinem Verschwinden zusehen. | |
19 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Ilka Kreutzträger | |
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