# taz.de -- taz-Serie: Neue digitale Spielarten (1): Goldgrube Gratis-Games | |
> Computerspiele sind teuer? Nicht unbedingt. Spielefirmen haben ein neues | |
> Geschäftsmodell entdeckt: Gratisspiele. Ganz umsonst sind sie nicht. | |
Bild: Siedeln für lau? Nicht immer und überall. | |
Kleine Männchen flitzen geschäftig über den Bildschirm. Sie hacken Holz, | |
transportieren Waren mit Schubkarren und diskutieren auf dem Marktplatz. | |
Rehe laufen über die Wiesen, während im Meer Fischschwärme ihre Runden | |
drehen. Willkommen im neuen Teil der deutschen Strategiespielreihe „Anno“. | |
Hier baut der Spieler wie in den Vorgängern kleine Siedlungen zu imposanten | |
Städten aus, treibt Handel und kümmert sich mit dem Bau von Kirchen und | |
Spinnereibetrieben um die Bedürfnisse seiner Bevölkerung. Denn nur so | |
entwickelt die sich weiter, macht neue Technologien möglich. Fans der | |
Aufbaureihe kennen das Prinzip des mittelalterlichen Städtebaus. Neu ist | |
nicht die Spielidee, sondern das Vertriebsmodell. [1][„Anno Online“] gibt | |
es nicht im Laden zu kaufen, sondern als Gratisspiel im Internet. | |
„Unser Ziel war es, dass Anno Online sich genauso anfühlt wie die | |
Vorgänger. Nicht nur grafisch, sondern auch in Aufbau und Spielmechanik", | |
sagt Benedikt Grindel. Der ehemalige „Siedler"-Entwickler ist bei BlueByte | |
in Düsseldorf verantwortlich für die boomende Sparte der kostenlosen | |
Online-Spiele. | |
Noch steckt Anno mit einem kleinen Kreis ausgewählter Spieler in der | |
Testphase. Wenn alles gut läuft, die Server mithalten und die | |
Kinderkrankheiten ausgemerzt sind, soll die Mittelalteridylle offiziell | |
starten. Und an den Erfolg von [2][„Die Siedler Online“] anknüpfen. Die | |
Kostenlos-Version der ebenfalls aus Deutschland kommenden Strategiereihe | |
verzeichnete bereits ein halbes Jahr nach dem Start Mitte 2011 hierzulande | |
rund 1,2 Millionen Spieler. | |
## Überall zugänglich | |
Free to Play nennt sich der Trend, den nach speziellen Firmen für | |
Online-Spiele nun immer mehr der großen Hersteller klassischer Games für | |
sich entdecken. 15,5 Millionen Deutsche spielen laut Branchenverband BIU | |
Internetspiele. Davon 11,9 Millionen kostenlose Browsergames. | |
Den Erfolg sieht Grindel vor allem in der leichten Verfügbarkeit. Keine | |
lange Kaufentscheidung, kein Gang in den Laden. Während manche der | |
Gratisspiele erst heruntergeladen werden müssen, sind die populären | |
Browsergames wie Anno noch leichter zugänglich. Auf dem Internetbrowser mit | |
einem Passwort aufgerufen kann man sie an jedem Rechner spielen. | |
Also nach der abendlichen Sitzung am eigenen PC am folgenden Tag im Büro | |
nochmal schnell schauen, ob das Volk genügend Ressourcen und Geld | |
abgeliefert hat, um das neue Bauprojekt zu starten. „Wir bekommen ohne | |
diese Hürden wie Kaufentscheidung und Installieren viel mehr Leute in die | |
Spiele hinein“, so Grindel. | |
## Umsatz: 233 Millionen Euro | |
Gucken kostet ja nichts. Ganz umsonst sind die Spiele trotzdem nicht. Zwar | |
kann jeder durchweg gratis zocken. Wer Zeit sparen will, muss zahlen. Geht | |
der Rohstoff Holz aus und man hat keine Lust, auf seine langsamen | |
Holzfäller zu warten, kann man mit barer Münze nachhelfen. In manchen | |
Spielen lässt sich so auch die Bauzeit von Gebäuden und die Wartezeit auf | |
Aktionen verkürzen. | |
Die Cash-Inhalte kosten meist ein paar Cent bis maximal fünf Euro. Erstmal | |
wenig Geld, das ohne langes Überlegen schnell ausgegeben ist. Das kann sich | |
bei ungeduldigen Spielern aber zu einer großen Summe läppern. Micro-Payment | |
heißt das erfolgreiche Geschäftsmodell mit dem sprichwörtlichen Kleinvieh, | |
das auch Mist macht. Der Umsatz mit virtuellen Zusatzinhalten für Browser- | |
und andere Spiele nahm laut BIU im Jahr 2011 um 70 Prozent auf 233 | |
Millionen Euro zu. | |
Browsergames sind so gestaltet, dass sie sich über einen langen Zeitraum | |
hinziehen. Viel Zeit für die Entwickler, mit etlichen Mitarbeitern auch | |
nach dem Start an die Spielen zu werkeln. Viel Zeit, um als Spieler in der | |
virtuellen Welt herumzuklicken, die Wartezeit bis zur nächsten Aktion mit | |
Chats oder kostenpflichtigen Extras zu verkürzen. „Der Hauptunterschied zum | |
klassischen Anno liegt in der Spielzeit“, so Grindel. Das Spiel geht etwas | |
langsamer voran, die Gesamtzeit ist länger. | |
So sind die Games ideal für zwischendurch. Mittags ein paar Klicks, um den | |
Hafen auszubauen und abends nochmal schnell schauen, ob alles fertig ist | |
und das nächste Projekt anschieben. Mit diesem Prinzip hat schon vor zehn | |
Jahren der [3][Browserspiel-Klassiker Ogame] viele Menschen fasziniert. Als | |
Hobby-Projekt gestartet ist das Weltraumspiel mittlerweile in 29 Sprachen | |
verfügbar. Schon kurze Zeit nach der Veröffentlichung war es so | |
erfolgreich, dass der Erfinder Alexander Rösner die Firma Gameforge | |
gründete, in der mittlerweile rund 600 Mitarbeiter Onlinespiele designen | |
und vermarkten. | |
## „Free to Play“ | |
Bestanden Browsergames in den Anfangstagen meist aus mit kleinen Bildern | |
aufgehübschten Tabellen, sind sie nun erwachsen geworden. Vorzeigbare | |
Unterhaltungsprodukte statt interaktiver Webseiten. „Jetzt werden es | |
richtige Spiele“, so Grindel. „Der Ablauf ist zwar gleich geblieben, aber | |
visuell ist viel mehr hinzu gekommen“. Alles fühlt sich echter, lebendiger | |
an. | |
Nach den Zeiten der kargen Statistik-Games für Computerfreaks entdeckten | |
vor einigen Jahren immer mehr kleine Firmen die Browserspiele für sich und | |
wuchsen teilweise rasant mit diesem Geschäftsmodell. Sie entwickelten | |
Comic- und Fantasywelten, um die neuen Zielgruppen zu erreichen. Denn in | |
den kostenlosen Webwelten tummeln sich viele Menschen, die sich sonst kaum | |
für Spiele interessieren. Grund genug, auf simple Konzepte zu setzen, die | |
für langjährige Gamer nichts als kindische Spielereien sind. | |
Das ändert sich nun. Jetzt wollen die großen Spielefirmen mitmischen und am | |
Geschäftsmodell Free to Play teilhaben. Mit ihren großen Serien, die | |
bereits als Kaufversion erfolgreich waren, sowohl Gelegenheitsspieler als | |
auch echte Gamer ansprechen. Nicht nur BlueByte will laut Grindel „ganz | |
nach oben“. Auch Electronic Arts versucht, mit kostenlosen Browser- und | |
Download-Versionen seiner Marken „Need for Speed“, „Battlefield“ und | |
„Command & Conquer“ Geld in die Kassen spülen. | |
„Free to Play ist bei EA momentan eine der ereignisreichsten Sparten“, so | |
Sean Decker, der als Vizepräsident für die Kostenlosspiele verantwortlich | |
ist. „So können wir noch mehr Spieler ansprechen und an unsere Marken | |
binden“. Den Anfang machte vor drei Jahren [4][„Battlefield Heroes"], die | |
Download-Version der Shooter-Reihe. Dort haben seitdem weltweit 14 | |
Millionen Spieler gemeinsam über 80 Millionen Stunden Spielzeit verbracht. | |
Seit letzter Woche schickt EA auch die Spieler seines gebührenpflichtigen | |
Online-Spiels „Star Wars: The Old Republic“ kostenlos ins virtuelle All. | |
Mit ein paar spielerischen Einschränkungen gegenüber der | |
gebührenpflichtigen Version. Diesen Weg, auf die festen Monatsbeiträge zu | |
verzichten, mussten auch schon andere Hersteller klassischer Online-Games | |
gehen, um im dichten Dschungel der Webgames konkurrenzfähig zu bleiben und | |
die Spielerzahlen hoch zu halten. Gut für den Spieler, der nun gratis in | |
Spiele hineinschnuppern kann ohne nach großen Ausgaben feststellen zu | |
müssen, einen Fehlkauf getätigt zu haben. | |
22 Nov 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://de.anno-online.com/de | |
[2] http://www.diesiedleronline.de/de | |
[3] http://www.ogame.de/ | |
[4] http://www.battlefieldheroes.com/de/createHeroSignup | |
## AUTOREN | |
Nina Ernst | |
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