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# taz.de -- taz-Serie: Neue digitale Spielarten (3): Spielekauf vom Sofa aus
> Ein Drittel aller Spiele wird online gekauft, bald werden es wohl alle
> sein. Im Netz haben neben Blockbustern auch Indie-Produkte eine Chance.
Bild: Zuhause runterladen, im Spiel die Welt erkunden: „Gianna Sisters“
HAMBURG taz | Das kleine Mädchen hüpft von links nach rechts durch die
kunterbunte Welt. Vorbei an Riesenpilzen, über Brücken. Immer auf der Suche
nach Kristallen zum Einsammeln, auch wenn es dabei Gegner umhauen muss.
Geht es nicht weiter, wechselt sie in die düstere Alptraumwelt, in der
grüne Bäume zu knorrigen, leblosen Stämmen und Vögel zu Teufeln werden.
Hier gibt es Durchgänge und Plattformen, die in der anderen Welt nicht
existieren.
Ganz schön fordernd, beim Hüpfen zwischen den Welten zu wechseln und alle
Edelsteine einzusammeln. Wie in guten alten Zeiten. 25 Jahre nach
Erscheinen des Kultspiels „The Great Giana Sisters“ veröffentlicht Black
Forest Games aus Offenburg [1][den Nachfolger „Giana Sisters: Twisted
Dreams“]. Ein Indie-Projekt, das bei Retro-Fans gut ankommt, es aber wie
viele kleine Spielprojekte wohl nicht in die Läden geschafft hätte.
Die „Giana Sisters“ gibt es nur zum Download über das Spieleportal Steam.
Während die Auslagen in den Elektromärken mit jährlichen
Sportspiel-Updates, Fortsetzungen von Serien und Spieleversionen von
aktuellen Kinofilmen den Massengeschmack bedienen, suchen dort Spieler
meist vergeblich nach ungewöhnlichen Titeln, die sie überraschen. Die
finden sich mittlerweile immer öfter als kostengünstige und
umweltfreundliche Downloadversion. In den Onlineshops der Spielkonsolen
ebenso wie auf PC-Plattformen wie Steam.
Insgesamt werden in Deutschland 27 Prozent aller Spiele per Download
gekauft und machen so 6 Prozent des Marktumsatzes aus. Das nimmt noch zu,
glauben Adrian Goersch und Andreas Speer. Die Entwickler vom neuen
Abenteuer der „Giana Sisters“ glauben, dass bis auf aufwendig gestaltete
Sammlereditionen künftig fast alle Spiele online verkauft werden: „Früher
haben alle Kassetten aufgenommen, dann CDs gekauft. Jetzt hat sich MP3
durchgesetzt. Mit Spielen wird derselbe Wandel passieren, der bei Musik
schon vollzogen wurde“.
Den Vorteil sehen die beiden nicht nur für die Kunden, die vom Sofa aus
shoppen gehen können und automatisch jede Aktualisierung ihrer Spiele
bekommen. Vor allem kleine Spielentwickler bekommen so die Chance, ihre
teils ungewöhnlichen Ideen zu verwirklichen, ohne sich an einen großen
Spielevertreiber zu binden, der vor allem mit dem Massengeschmack Kasse
machen will. „So hat man die Möglichkeit, Unabhängigkeit zu erreichen“,
sagen die Entwickler von Black Forest Games. Sie sehen das Veröffentlichen
ohne aufwendigen Vertrieb als „DIE Chance für kleine Entwickler“.
## Keine Chance auf dem Elektromarkt
Die Spielerlebnisse fern vom Massengeschmack kommen auch bei den Käufern
an. Unter den 57.000 Downloadspiele im PlayStation Store finden sich neben
den großen Blockbustern ebenfalls kleine Spiele, die ausschließlich online
erhältlich sind. Beliebtester Titel ist kein hollywood-reifes
Action-Spektakel, sondern das künstlerisch anmutende [2][„The Unfinished
Swan“].
Der Spieler steht zunächst orientierungslos in einem komplett weißen Raum.
Um Wege, Hindernisse und Objekte zu erkennen, wirft er mit Farbe um sich,
die Wände, Brücken und Bänke einfärbt. So bahnt er sich den Weg durch eine
puristisch wirkende Märchenwelt. Kaum denkbar, solch ein Erlebnis
gewinnbringend im Elektromarkt zu verkaufen. Online aber für den
vergleichsweise kleinen Preis von rund 13 Euro ein Hit.
Manche Spiele werden auf diesem Weg sogar zum Kult. Wie [3][die Serie
„Trials“], deren Ableger „Trials Evolution“ kürzlich ein neues
Downloadpaket bekommen hat. Bereits einen Monat nach dem Start auf Xbox
Live Arcade befanden sich rund eine halbe Million Spieler auf den
Ranglisten des Geschicklichkeitsspiels. Hier geht es mit dem Motorrad über
Strecken voller Stunts. Nur perfekte Fingerfertigkeit und exaktes Timing
führen zum Ziel. Die Spieler haben gemeinsam 160.000 Strecken erstellt, die
27 Millionen mal heruntergeladen wurden.
## Rechenschaft an die Fans
Als die Giana-Sisters-Entwickler sich zu dem neuen Spielprojekt
entschlossen haben, stand schnell fest, das Spiel ohne Großkonzern als
Downloadtitel zu veröffentlichen, unabhängig zu bleiben, eigene Werte zu
schaffen. Rechenschaften mussten sie dann doch ablegen. Allerdings jemand
anderem: ihren Fans. Denn die haben das Spiel finanziert. Per
Crowdfounding.
Innerhalb eines Monats fanden sie über 6.000 Menschen, die gemeinsam
190.000 Dollar investierten. Um die zu beruhigen und ihnen zu zeigen, was
mit ihrem Geld geschieht, mussten die auf dem Laufenden gehalten werden.
Mit Infos über den Stand der Entwicklung, regelmäßigen Screenshots und
Probeversionen. „Diese Reports sind wichtig, aber auch anstrengend“, sagen
Goersch und Speer.
Mehrmals die Woche haben sie ihre Kleinanleger informiert, mit Neuigkeiten
versorgt. Ob und wie dieser Weg ohne große Spielevertriebe und Banken im
Rücken funktioniert, war trotz allem Optimismus anfangs ungewiss. Nun sind
die beiden froh, dass alles geschafft ist und basteln an einem
zusätzlichen, kostenlosen Weihnachts-Download für die Giana Stisters. Das
nächste Projekt wollen sie wieder per Crowdfunding finanzieren und als
Download veröffentlichen.
6 Dec 2012
## LINKS
[1] http://gianasisterstwisteddreams.com/
[2] http://iandallas.com/games/swan/
[3] http://www.redlynx.com/games/xbox-360/trials-hd
## AUTOREN
Nina Ernst
## TAGS
Videospiele
Tablet
Mobilfunk
Siedler
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