| # taz.de -- Abschiebung: Drei Jahre ihres Lebens | |
| > Sie hatten ein Bleiberecht. Nun muss Familie Aktas trotzdem in die Türkei | |
| > - sie war zu lange gegen ihren Willen dort. | |
| Bild: Das ist Familie Aktas (von links): Elmas und Büsra (stehend) sowie Nuriy… | |
| BREMEN taz | Manchen im kleinen Achim gilt Nuriye Aktas als | |
| „Integrationsverweigerin“. Da ist – natürlich! – das Kopftuch, das die | |
| Türkin ebenso trägt wie ihre beiden 18-jährigen Töchter Büsra und Elmas. | |
| Und da ist ihr Deutsch, das, ja, immer noch etwas gebrochen klingt. Obwohl | |
| es schon gut über 20 Jahre her ist, dass die Enddreißigerin nach | |
| Niedersachsen kam. Jetzt soll sie abgeschoben werden, kurz nach der Wahl, | |
| zusammen mit ihrem Sohn Halil, der gerade 13 ist, und den Töchtern. Dabei | |
| hatten sie allesamt schon mal eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Doch | |
| jetzt kann ihnen nur noch niedersächsische Härtefall-Kommission helfen – | |
| „aus humanitären Gründen“. | |
| ## Von außen „abgeschottet“ | |
| Als Nuriye Aktas nach Deutschland kam, da war sie gerade 15 und frisch | |
| verheiratet mit einem 18-jährigen Türken, ihre Familie hatte das so | |
| arrangiert. Der Landkreis Verden, im dem sie schon damals wohnte, wollte | |
| sie in die Schule schicken, und in Sprachkurse, doch ihr Ehemann und seine | |
| Familie wussten das zu verhindern. Nicht einmal zum Einkaufen durfte sie | |
| seinerzeit nach draußen, erzählt sie heute, sie wurde „abgeschottet“, sagt | |
| ihr Anwalt Jörg Wegner. | |
| Ihre Aufgabe war einzig die Familie zu Hause, die Kinder. Und von denen hat | |
| die alleinerziehende Mutter immerhin vier. Heute arbeitet sie als Putzfrau, | |
| Vollzeit. Einen anderen Beruf sollte sie nicht lernen. Sie habe sich der | |
| Integration nicht bewusst „verweigert“, sagt ihr Anwalt, sie konnte sich | |
| nur lang nicht gegen ihren Ehemann durchsetzen. | |
| ## Verwirktes Bleiberecht | |
| 2006 lockte der sie „unter Vorspiegelung falscher Tatsachen“, wie ihr | |
| Anwalt heute sagt, mitsamt der Familie nach Antalya. Dass es für immer sein | |
| sollte, wusste Nuriye Aktas damals nicht. Er hatte es ihr nicht gesagt. | |
| Drei Jahre wird es dauern, bis sie, mit Hilfe der Polizei, mit ihren | |
| Kindern wieder ausreisen kann. An der Grenze bekommen sie keine Probleme, | |
| sie hatten ja ein dauerhaftes Bleiberecht hier. | |
| Dachten sie. Doch das war 2009 schon lange erloschen, qua Gesetz verwirkt. | |
| Das wird Nuriye Aktas aber erst später erfahren. Erlaubt sind nur | |
| Auslandsaufenthalte, die nicht länger als ein halbes Jahr dauern. Familie | |
| Aktas war drei Jahre weg. Und ist seither vom Landkreis Verden nur noch | |
| geduldet, also ständig von Abschiebung bedroht. | |
| Vor dem Verwaltungsgericht Stade unterlag die Familie, vor dem | |
| Oberverwaltungsgericht Lüneburg auch, und das Bundesverfassungsgericht nahm | |
| die Sache erst gar nicht an. „Rechtlich ist fast alles ausgereizt“, sagt | |
| Wegner. Der nächste Ausreisetermin steht schon: 25. Januar 2013. | |
| Büsra, Elmas und Halil Aktas sind allesamt in Achim geboren und | |
| aufgewachsen. Der 13-Jährige ist in der 6b der Hauptschule Achim, in | |
| Englisch hat er eine eins und auch sonst sind seine Noten ganz gut. Die | |
| Versetzung in die Realschule wird empfohlen. Er zögert, aus Angst, seine | |
| Noten könnten schlechter werden. Seine Klasse hat schon in der Achimer | |
| Fußgängerzone gegen seine Abschiebung demonstriert, Unterschriften für den | |
| Verbleib der Familie gesammelt. Das Plakat der Schülervertretung spricht | |
| von einem „Drama“, die Schulsozialarbeiterin in der Kreiszeitung von einem | |
| „Verlust“, würde Halil ausgewiesen. | |
| ## „Meine Zukunft ist hier“ | |
| Auch Büsra und Elmas gingen auf diese Schule, sie seien gut | |
| zurechtgekommen, wird die Sozialarbeiterin zitiert. Beide gehen | |
| mittlerweile auf die Berufsschule, eine lernt Hauswirtschafterin, die | |
| andere Lebensmitteltechnikerin. „Wir sind hier zu Hause“, sagt Elmas. | |
| „Meine Zukunft ist in Deutschland“, sagt Büsra. „Wir wollten nie in die | |
| Türkei.“ Kontakte dorthin haben sie kaum. Weil beide 18 sind, könnten sie | |
| ein „Wiederkehrrecht“ bekommen, wenn sich jemand findet, der für sie | |
| aufkommt. So wie bei der ältesten der drei Töchter, die schon länger | |
| erwachsen ist. | |
| Auch Nuriye dürfte bleiben – wenn sie nicht nur sich, sondern auch ihre | |
| Kinder mit ihrem Job ernähren könnte. Kann sie aber nicht. Diese | |
| Asylbewerberleistungen könnten nun der Grund ihrer Abschiebung sein. | |
| 21 Dec 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Zier | |
| ## TAGS | |
| Dokumentarfilm | |
| Abschiebung | |
| Schleswig-Holstein | |
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