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# taz.de -- Extremsport mit Red Bull: Der Wahnsinn aus der Dose
> Der Limohersteller Red Bull hat eine Welt erschaffen, in der Menschen aus
> Hubschraubern oder von Hochhäusern springen. Und ums Leben kommen.
Bild: Nochmal gut gegangen: Rekordspringer Felix Baumgartner.
Es wirkt. Das weiß Helmut seit sieben Jahren. Da hat er sich das erste Mal
eine Dose gekauft. An Weihnachten war das. Er war angeschlagen nach dem
Weißwurstfrühstück, das er wie jedes Jahr für seine Freunde am Heiligen
Vormittag organisiert hatte. Das Bier eben. Die abendliche Bescherung bei
seinen Eltern wollte er nicht verschlafen und so ist er zur Tankstelle um
die Ecke gegangen und hat es getan. Es war nicht die letzte Dose, die er
sich gekauft hat. Helmut schwört auf Red Bull. Für ihn ist das Doping –
nicht nur an Heiligabend. Die Dose mit dem süßen Wachmacher hat sein Leben
verändert.
Seitdem geht alles. Arbeiten, Trinken, Sporteln, Arbeiten, Feiern,
Fernsehen, Arbeiten, Arbeiten, Arbeiten. Helmut schläft nur noch, wenn er
wirklich Zeit dafür hat. Oft ist das nicht. Er weiß, dass das nicht gesund
ist, aber er glaubt, dass ihm sein Leben Spaß macht. Er will Erfolg. Er
weiß um das Risiko. Er nimmt es in Kauf. Er ist Redbullianer. Beim
Mountainbiken erreicht ihn ein Anruf. Ein Auftrag für seine Abteilung. Da
rollt es gleich besser. Jetzt die Abfahrt auf dem Kiesweg den Berg
hinunter. Bremsen sind für Weicheier. Helmut ist im Risikorausch.
Er denkt an Felix Baumgartner, den Österreicher, der sich aus der
Stratosphäre in Überschallgeschwindigkeit in Richtung Erde hat fallen
lassen. Sogar die Nasa hat dem Mann gratuliert. Nicht nach dem Warum
fragen, einfach machen. Er erinnert sich an Matthias Dolderer, den Piloten,
den er beim Red Bull Air Race in Barcelona angefeuert hat. Kleine Maschinen
fliegen in 30 Metern Höhe Slalom vor 100.000 Zuschauern.
Solche wie Dolderer hat es immer schon gegeben. Leute, die neben einem
Flugplatz aufgewachsen sind und nichts als Fliegen im Kopf haben. Der
österreichische Koffeinbrausehersteller hat sie mit viel Geld zu Helden für
die Massen gemacht, indem er eine Welt für sie erschaffen hat, die es
vorher nicht gab. Das sind Wahnsinnige, dachte Helmut, als er in Barcelona
stand.
## Ein dauerndes Risikospektakel
Snowboarder, Klippenspringer, Skifahrer, Moutainbiker, BMX-Racer. Helmut
würde gerne wie US-Brauseboarder Louie Vito durch die winterlichen
Halfpipes gleiten können. Er würde sich nie trauen, aus 30 Metern Höhe in
drei Meter tiefes Wasser zu springen. Er himmelt die Carverin Lindsay Vonn
an und will unbedingt, dass sie einmal in einer Männerabfahrt startet. Er
liebt Wettbewerbe wie den Mountain Bike Dirt Jump und wäre gerne mit einem
kleinen BMX-Rad so geschickt wie der österreichische Rampenjunkie Senad
Grosic. Er ist ein Fan des deutschen Windsurf-Weltmeisters Philip Köster
und fragt sich, wie man nur so mit dem Wind über Wellen springen kann. Red
Bull lässt viele Wahnsinnige durch die Lüfte fliegen. Ein dauerndes
Risikospektakel.
Es ist ein echtes Risiko. Red Bull kann tödlich sein. Der Kanadier Shane
McConkey, einer von insgesamt 600 Brausesportlern, stürzte in den Tod, als
sich beim Sprung von einem Berg sein Fallschirm nicht öffnete. Er war ein
Ski-Base-Jumper und stürzte sich mit Skiern an den Füßen von Felsen in die
Tiefe. Einer, der das ohne Ski gemacht hat, war der Schweizer Ueli
Gegenschatz.
Der Base-Jumper verunglückte bei Dreharbeiten für ein Red-Bull-Produkt bei
einem Sprung von einem Züricher Hochhaus. Und einer dieser
Red-Bull-Skydiver, die mit einem Wingsuit, einer Art Batmananzug, aus
Hubschraubern springen und aussehen, als könnten sie wie Vögel fliegen,
klatschte auf eine Felswand. Die Toten belegen, dass es Red Bull ernst ist
mit dem Risiko. Es wird weiter geflogen. Das Leben bleibt ein unendlicher
Spaß.
Noch eine Kurve. Geschafft! Helmuts neuer Integralhelm hat immer noch
keinen Kratzer. In Barcelona hatte Helmut auch als Zuschauer Angst. Was,
wenn ein Flugzeug in die Zuschauermenge stürzt? Noch ist nicht viel
passiert bei einem Air Race. Einmal ist ein Pilot abgestürzt. Der
Brasilianer Adilson Kindlemann segelte 2010 bei Perth taumelnd in einen
Fluss. Er hat sich nichts getan. Dennoch wurde die Rennserie für zwei Jahre
abgesagt. Das Risiko soll bei den Wahnsinnigen bleiben.
## Der Stoff aus der Ochsengalle
Das Rad ins Auto und zurück in die Stadt. Es war anstrengender, als er
gedacht hätte. Am Abend hat Helmut einen Termin. Gut, dass es in seinem
Leben keine Müdigkeit mehr gibt. Helmut glaubt an das Taurin, das in den
blau-roten Dosen ist, ein Stoff aus der Ochsengalle, der mal verboten
gewesen sein soll. Rauf aufs Gas! Auch das kann Red Bull. Dreimal hat
Sebastian Vettel mit einem Brauseauto die Formel 1 gewonnen. Hockenheim war
auch nicht schlecht, erinnert sich Helmut. Auch wenn es seine Freundin zu
laut fand.
Laut war es auch beim Red Bull Flying Bach, aber anders: wohltemperiert.
Break Dance zu Klaviermusik von Johann Sebastian Bach. Kultureller
Risikosport. Helmut hat die Breakdance-Weltmeister Flying Steps in der
Berliner Nationalgalerie gesehen. Sogar die New York Times hat darüber
geschrieben. Getanzte Limonade vor Hochkulturkulisse. Die Brause schafft es
sogar in Opernhäuser. Nächsten Juni in der Bonner Oper will Helmut wieder
dabei sein. Seiner Mama will er eine Karte zu Weihnachten schenken.
Das Weißwurstessen veranstaltet er schon lange nicht mehr. In den Stunden
vor der Bescherung bei seinen Eltern geht Helmut in diesem Jahr zum
Snowboarden. Am Tag des Festes sind die Pisten leer. Er will es laufen
lassen, klar. Dann duschen, eine Büchse und dann unter den Baum. Helmuts
Leben ist anders geworden. Für den Vater hat er zwei Karten für das
Münchner Eisstadion gekauft. Red Bull München gegen die Adler Mannheim.
Seine Brause hat den Pleiteklub seines Alten gerettet.
Red Bull strebt auch in die großen Publikumssportarten. Helmuts Papa findet
das toll – auch die Berichterstattung darüber im Getränkefernsehkanal
Servus TV. Helmut hat die Sendung gesehen, in der Frank Schirrmacher, der
Herausgeber der FAZ, mit Neil Armstrong, dem ersten Menschen auf dem Mond,
getalkt hat. Auch Mario Gomez ist Limobotschafter. Und vielleicht spielt RB
Leipzig irgendwann in der Champions League Fußball. Der Wahnsinn soll
normal werden – auch das ist einer der Träume von jenem Dietrich
Mateschitz, den Freunde angeblich Didi nennen dürfen, jenem Milliardär, der
1987 das Koffeingebräu erfunden hat.
## Einer dieser Wahnsinnigen
Helmut hätte auch Lust aufs Skifahren an diesem Tag. Hauptsache schnell und
abseits der Piste. Er steht auf Freeskiing, seit er das Video der
Wettbewerbsserie Red Bull Beyond the Line aus dem argentinischen Tiefschnee
gesehen hat. Natur, Risiko und Limonade. Da unten Skifahren! Helmut hat
einen Traum, seit er das Video gesehen hat. Für andere Träume ist er schon
zu alt. „Red Bull Dolomitenmann“ wäre er gerne geworden und den brutalen
Staffelwettbewerb aus Berglauf, Paragliding und Wildwasserkanurennen
mitgemacht. Er wäre selbst gern einer dieser Wahnsinnigen.
Seit sieben Jahren lebt Helmut in einer neuen Welt, die in Österreich
erschaffen worden ist. Es ist eine Welt ohne Klimawandel und
Mehrwegflaschen. Die Energie, die diese Welt am Laufen hält, kommt aus der
Dose. Über 4,5 Milliarden davon werden jedes Jahr verkauft. Daher kommt das
Geld für die extreme Welt des unendlichen Gaudiums.
Ein letzter Schluck, bevor es zu den Eltern geht, und die Alubüchse fliegt
in die Gelbe Tonne. Weiter geht’s.
25 Dec 2012
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Red Bull
Extremsport
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Dietrich Mateschitz
Radsport
Slopestyle
Halfpipe
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