# taz.de -- Radrennen „Race across America“: Leidenssüchtige „German Fra… | |
> Vier Amateurfahrerinnen starten als erstes deutsches Frauenteam beim | |
> „Race across America“. Es erwartet sie eine Tortur über 4.900 Kilometer. | |
Bild: 2004 startete Rennfahrerin Jutta Kleinschmidt (r.) beim „Race across Am… | |
HAMBURG taz | Es regnet, was hier im Norden ja gelegentlich vorkommen soll. | |
Aber das ist den vier Frauen in ihren schwarzen Rennanzügen an diesem | |
ungemütlichen Maisonntag einerlei. Die „German Frauleins“, wie sie sich | |
nennen, starten in Hamburgs Norden bei den Deutschen | |
Betriebssportmeisterschaften im Mannschaftszeitfahren. 40 Kilometer auf dem | |
Rennrad über den Überseering, sauber aufgereiht wie an einer Perlenschnur | |
und so schnell es eben geht. | |
Im Ziel ist ein anderes weibliches Team schneller, aber auch das ist den | |
„Frauleins“ ziemlich egal. „Sicherheit hatte heute Vorrang, nur ja keinen | |
Sturz“, sagt Kathrin Schlieter, die Erfahrenste im Team. Vorsicht war auch | |
vernünftig, schließlich will das Team am 14. Juni im kalifornischen | |
Oceanside beim „Race across America“ unversehrt an den Start gehen. | |
Ein Abenteuer, gegen das die Betriebssportmeisterschaften doch eher ein | |
Klacks sind. Statt 40 warten auf die drei Frauen aus Hamburg und ihre | |
Mitstreiterin aus Braunschweig knapp 4.900 Kilometer, statt etwas über eine | |
Stunde werden sie sieben Tage und Nächte unterwegs sein. Wenn es gut läuft. | |
Es ist ein Radrennen für Extremsportler, Leidenssüchtige, Endorphinjunkies | |
und eben die „German Frauleins“, das erste und bisher auch einzige deutsche | |
Frauenteam in der 33-jährigen Gesichte des Spektakels. | |
Das Rennen findet jährlich statt mit Start in Oceanside und Ziel in | |
Annapolis, Maryland. Eine Hatz quer durch die USA von der West- an die | |
Ostküste, ein Rennen durch die Wüste, über die Rocky Mountains und durch | |
die öden Weiten des Mittelwestens. Wetterkapriolen sind zu erwarten und | |
knapp 52.000 Höhenmeter zu bewältigen. Das Ganze folgt einem simplen Modus. | |
Es gibt keine Etappen, nur einen gemeinsamen Start. Gewonnen hat, wer als | |
Erster den Kontinent auf der festgelegten Strecke gequert hat. | |
## 610 Kilometer pro Tag | |
Bei sieben Tagen, 22 Stunden und 11 Minuten steht der Rekord, aufgestellt | |
2013 vom Österreicher Christoph Strasser. Das bedeutet etwa 610 Kilometer | |
pro Tag mit einem Schnitt um die 25 Stundenkilometer, wobei das | |
Stundenmittel eigentlich höher liegt, weil auch ein Extremsportler | |
irgendwann mal schlafen muss und seien es auch nur zwei Stunden am Tag. | |
Die drei Hanseatinnen Kathrin Schlieter (42), Genia Schäferhoff (34), Anika | |
Schmidt (32) und ihre Braunschweiger Kollegin Kerstin Feist (40) werden | |
etwas länger schlafen können und wollen trotzdem ein wenig schneller sein | |
als der Österreicher. Der Grund – sie fahren das Rennen nicht allein, | |
sondern als Team. Das heißt, es muss immer nur eine auf der Straße sein. | |
Konkret rollen sie in zwei Zweierteams durch die USA. | |
Die Bankkauffrau Schlieter mit der OP-Schwester Schmidt, Bauingenieurin | |
Schäferhoff mit der Bänkerin Feist. Alle anderthalb Stunden wechselt sich | |
das erste Paar im Normalfall ab, und nach neun Stunden steigt es in ein | |
Wohnmobil zum Ausruhen und Essen, zum Duschen und zum Schlafen, und das | |
andere Paar fährt währenddessen von einem Auto begleitet weiter. So viel | |
zur Theorie. | |
## „Anstrengung und Schlafmangel machen dünnhäutig“ | |
Kathrin Schlieter weiß aber aus Erfahrung, dass Plan und Realität nicht | |
immer zusammenpassen. Sie ist als Einzige 2011 das Rennen schon einmal | |
gefahren, in einem gemischten Team mit drei Männern. „Die Anstrengung und | |
der Schlafmangel machen dich dünnhäutig“, sagt sie, „und das kann Probleme | |
machen, wenn man so lange auf so engem Raum zusammenlebt.“ | |
Es gibt nur das Team, die Anstrengung und das Ziel. Es gibt Schwächen des | |
einen, die der andere kompensieren muss. Und es kann einem auch gewaltig | |
auf die Nerven gehen, wenn man Stunde um Stunde auf einer bolzengeraden | |
Straßen durch den öden Mittelwesten kurbelt, wenn man nach drei Stunden | |
geweckt wird und jeden Muskel spürt, wenn es gegen Wind, Regen und Kälte | |
geht. „Einmal“, sagt sie, „wollte ich das Rad einfach in den Graben werfe… | |
weil ich kurz hintereinander drei Platten hatte.“ | |
Die Vorbereitung verlangt bereits allen sehr viel ab. „Ein Privatleben habe | |
ich seit 18 Monaten nicht mehr“, sagt Genia Schäferhoff. Tagsüber ganz | |
normal arbeiten, dann in den Sattel, bis es dunkel wird, oder im Winter auf | |
das Spinningrad. So um die 10.000 Kilometer im Jahr sollte man schon in den | |
Beinen haben, dazu kommen Krafteinheiten, Ausgleichssport, Gymnastik. Elf | |
Personen wird das Team in den USA umfassen. Vier fahren Rad, die anderen | |
sieben steuern die beiden Begleitautos und das Wohnmobil, umsorgen die | |
Sportlerinnen und reparieren das Material. | |
## Das Ziel: sieben Tage und zwölf Stunden | |
Etwa 40.000 Euro kostet der Trip, allein das Startgeld beträgt 5.500 Euro. | |
Die Hälfte finanzieren die reinen Amateure privat, der Rest Sponsoren, die | |
nur mühsam gefunden wurden. Mit Tempo 27 im Schnitt wollen die vier Frauen | |
einmal quer durch die USA. Schaffen sie das, wären sie nach sieben Tagen | |
und zwölf Stunden am Ziel – mutmaßlich vor dem schnellsten Einzelstarter. | |
27 Viererteams wollen das Rennen aufnehmen. | |
Neben den „German Frauleins“ gibt es nur noch ein weiteres Frauenteam. Am | |
14. Juni geht es los. Vier Frauen suchen ihr Limit – und sind sich sicher, | |
dass die Grenzerfahrung nicht nur blanke Schinderei werden wird. „Das | |
Rennen ist ein gigantisches Erlebnis“, erinnert sich Kathrin Schlieter, | |
„als ich 2011 im Ziel war, wusste ich sofort: Das will ich noch mal.“ | |
14 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Löhle | |
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