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# taz.de -- Studierende bekommen kein Geld: Warten auf das Bafög
> Viele Erstsemester warten noch immer auf die Unterstützung vom Staat. Die
> Arbeit staut sich, die Sachbearbeiter kommen nicht mehr hinterher.
Bild: Studierende, die nicht jobben oder von ihren Eltern unterstützt werden, …
BERLIN taz | Wer in die Beratungsstelle des Astas in Hannover kommt, ist
oft verzweifelt: Mit der Post trudelte nur ein Schreiben ein, dass immer
noch Unterlagen zum Bafög-Antrag fehlen, im Bafög-Amt war niemand zu
erreichen, und auf dem Konto ist kein Geld mehr. „Als Student im ersten
Semester ist man doch total verunsichert“, sagt die Sozialberaterin beim
Asta. Sie ist selbst Bafög-erprobt, Lehramtsstudentin, namentlich genannt
werden möchte sie nicht. „Man muss sich meistens erst an die Stadt und das
Studium gewöhnen. In so einer Situation kann man finanzielle Sorgen am
wenigsten gebrauchen.“
2,5 Millionen Menschen studieren derzeit in Deutschland, so viele wie nie
zuvor. Das merken auch die Bafög-Abteilungen der Studentenwerke. „Vor zwei,
drei Jahren kamen auf einen Sachbearbeiter noch unter 500 Anträge“, sagt
Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks.
„Jetzt sind es bis zu 750.“
Allein beim Studentenwerk in Hannover gingen dieses Jahr 9.720 Anträge ein
– bearbeitet sind längst nicht alle. 2.500 Anträge nehmen die Mitarbeiter
mit ins nächste Jahr, obwohl Studentenwerksgeschäftsführer Eberhard
Hoffmann gleich zu Semesterbeginn Wochenendschichten angeordnet und
schweren Herzens die Sprechzeiten in der Beratung verkürzt hatte. „Das
Bafög ist nun einmal kein einfaches Gesetz“, sagt er.
## Großer Zeitaufwand beim Ausfüllen
Das bemängelte auch der Normenkontrollrat, der vor zwei Jahren die
Ausbildungsförderung detailliert unter die Lupe nahm: Im Schnitt brauche
ein Studierender 335 Minuten, um seinen Erstantrag auszufüllen, rechnen die
obersten deutschen Bürokratiebekämpfer vor, davon allein 140 Minuten für
Formblatt 1. Für Warte- und Wegezeiten seien noch einmal 30 Minuten zu
veranschlagen – wobei der Zeitaufwand natürlich „im Einzelfall stark
variieren“ kann.
Der Mitarbeiter im Bafög-Amt brauche im Schnitt wiederum 64 Minuten für die
Bearbeitung eines Antrags. Dazu kommt: Bis zu 90 Prozent aller Anträge sind
dem Deutschen Studentenwerk zufolge fehlerhaft oder unvollständig – sodass
die Ämter Unterlagen nachfordern müssen. Laut Normenkontrollrat vergingen
so im Jahr 2010 im Schnitt 54 Tage, bis ein Student oder eine Studentin den
Bescheid erhielt – heute dürfte die Wartezeit noch länger sein.
Bereits im Sommer dieses Jahres wandte sich der Normenkontrollrat daher
erneut mit einem „dringenden Appell“ an Bund und Länder, damit diese die
Bafög-Beantragung weiter vereinfachen. Ein Vorschlag des Gremiums: Man
könnte bei Bachelorstudenten komplett darauf verzichten, von den
Studierenden Leistungsnachweise zu verlangen. Ein anderer: ein
Onlineverfahren zur Antragsstellung mit eingebauter Plausibilitätsprüfung,
sodass nicht stimmige Angaben sofort erkannt werden. Onlineverfahren gibt
es bisher nur in wenigen Bundesländern.
## Unbürokratisch Vorschuss beantragen
Verzweifeln sollten Studenten während der Wartezeit aber nicht, meint Meyer
auf der Heyde vom Deutschen Studentenwerk. Sie könnten relativ
unbürokratisch einen Vorschuss beantragen, wenn es auf den Bafög-Antrag
nach zehn Wochen noch keine Antwort gegeben habe. „Diese Möglichkeit wird
noch zu wenig genutzt, weil die Studenten kaum davon wissen.“
Das Problem: Der Vorschuss beträgt 360 Euro monatlich – in vielen
Uni-Städten reicht das aber gerade mal, um die Miete für ein WG-Zimmer zu
zahlen; Studierende, die nicht jobben oder von ihren Eltern unterstützt
werden, können während der Hängezeit nur schwer über die Runden kommen.
„Wir fordern darum, dass der Gesetzgeber den Vorschuss auf den
Bafög-Höchstsatz von 670 Euro anhebt“, sagt Meyer auf der Heyde.
Beim Asta in Hannover fragen viele Studierende derweil nach einem Kredit.
Einmalig 500 Euro können sie sich in Notlagen aus der Kasse der
Studentenvertretung leihen, die aus den Semesterbeiträgen gespeist wird.
„Viele wissen nicht, wie sie sonst die Zeit überbrücken sollen“, sagt die
Asta-Beraterin.
Sie selbst wartet übrigens auch – inzwischen zwar nicht mehr aufs Bafög,
dafür aber auf die sogenannte Studienabschlusshilfe, eine Art
Spezialdarlehen für die letzten Semester. Im September hat sie den Antrag
beim Studentenwerk gestellt, Anfang Januar hat die Lehramtsstudentin ihre
Abschlussprüfung. Sie ist gespannt, was zuerst kommt: der Bescheid oder ihr
Masterzeugnis.
27 Dec 2012
## AUTOREN
Bernd Kramer
## TAGS
Studium
Bafög
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Bildung
Reform
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