# taz.de -- Erdgasförderung in Bayern: Energieloch im geschützten Grünen | |
> Ein RAG Austria will in Bayern unter Deutschlands ältestem | |
> Naturschutzgebiet nach Erdgas bohren. Die Erfolgsaussichten sind gering. | |
Bild: Die RAG Austria sieht kein Problem. Das Naturschutzgebiet sei an der Erdo… | |
MÜNCHEN taz | Deutschland soll grün werden. Eigentlich. Doch weil es | |
bislang kaum speicherfähige erneuerbare Energien gibt, soll auch weiter das | |
fossile Erdgas genutzt werden. Die Konsequenzen bekommen nun die Bewohner | |
der beschaulichen Gemeinde Bad Endorf im Chiemgau zu spüren. Sie wohnen | |
zwischen Seen und Weiden am Langbürgner See – im ältesten Naturschutzgebiet | |
Deutschlands. | |
Der See ist geschützt und Trinkwasserquelle zugleich; das Baden ist nur an | |
wenigen Stellen erlaubt. Doch jetzt ist das große Energieproblem ins | |
kleine, saubere Bad Endorf gekommen. Seine Gestalt: der österreichische | |
Energieriese RAG Austria. Der will in Bad Endorf nach Erdgas bohren, | |
konventionell, direkt unter dem Langbürgner See. | |
Der in Bad Endorf ansässige Ökophysiologe Hans Otto Siebeck bemängelt, dass | |
überhaupt in einem Schutzgebiet nach fossilen Energien gebohrt werden | |
solle, zumal in Zeiten der Energiewende: „Das könnte den fatalen Eindruck | |
erwecken, dass Naturschutz nicht einmal in Naturschutzgebieten ernst | |
genommen wird.“ Die RAG hingegen sieht kein Problem. Ein Naturschutzgebiet | |
sei ja an der Erdoberfläche, die Bohrung aber unterirdisch, sagt der | |
Projektverantwortliche Henrik Mosser. | |
Ohnehin solle nur gebohrt werden, um die Versorgungssicherheit in Bayern zu | |
gewährleisten, verteidigt Mosser. Die Anwohner bezweifeln das, ist der | |
Ertrag doch viel zu gering: Zwischen 100 und 350 Millionen Kubikmeter Gas | |
sollen unter dem See lagern, eine Menge, die Bayern maximal acht Tage lang | |
mit Strom versorgen könnte. „Viele kritisieren, dass es nicht mehr | |
zeitgemäß ist, für so kleine Vorhaben so große Risiken einzugehen“, sagt | |
die Bürgermeisterin von Bad Endorf, Gudrun Unverdorben. | |
## Regel aus dem 19. Jahrhundert | |
Geplant war zunächst, die Bohrungen direkt am Rande des Naturschutzgebiets | |
anzusetzen. Die RAG hatte bereits einen Bohrantrag gestellt und konnte sich | |
gute Chancen ausrechnen, denn Energiefirmen müssen, wenn sie Erdgas fördern | |
wollen, lediglich einen Antrag an das zuständige Bergamt stellen. | |
Diese Regel reicht in das 19. Jahrhundert zurück, in dem es viel um | |
Energieversorgung und wenig um Umweltschutz ging. Die Krux an diesem | |
Prozedere ist, dass weder die betroffene Gemeinde noch der Landkreis einen | |
Einfluss auf die Entscheidung haben. „Wir werden angehört“, sagt | |
Bürgermeisterin Unverdorben. „Aber ein Vetorecht haben wir nicht.“ | |
Doch die RAG hatte nicht mit dem Engagement der Chiemgauer gerechnet. Diese | |
organisierten Demonstrationen und Versammlungen, bis die RAG schließlich | |
einlenkte und von dem Bohrstandort absah – nur um einen Kilometer entfernt | |
einen neuen Ort zu suchen. Die Firma hat bereits die nötigen Grundstücke | |
gekauft. Gebohrt werden soll insgesamt etwa 2.200 Meter tief, zunächst | |
gerade runter, dann diagonal bis unter den See. Die Bohrung geht durch zwei | |
Trinkwasserschichten. | |
Dass es bei den Gasbohrungen zu einem schwerwiegenden Unfall kommt, gilt | |
selbst bei Kritikern als unwahrscheinlich. Aber auch von der Oberfläche her | |
kann das Grundwasser verschmutzt werden, durch die vielen Lkws, durch | |
menschliches Versagen. Und was, wenn es doch zum Unfall kommt? „Das macht | |
uns hier Angst“, sagt Helmut Fleidl von der Bürgerinitiative „Chiemgauer | |
Seenplatte gegen Gasbohren“. | |
## Bürgerinitiative | |
RAG-Mann Mosser hält dagegen: „Es bestehen keine Gefahren.“ Fleidls | |
Bürgerinitiative versucht dennoch weiter, die Bohrung zu verhindern. Sie | |
haben eine Unterschriftenaktion gestartet, 16.000 haben sie schon, 30.000 | |
sollen es werden, um ein Volksbegehren in Gang setzen zu können. Klar sei: | |
„Man kann nur über die Politik gehen.“ Die lokalen Politiker stünden | |
bereits hinter ihnen, sagt Fleidl, nun müssten noch Landespolitiker | |
reagieren. | |
Auch rechtlich könnte etwas in Bewegung kommen. Im Frühjahr 2012 machten | |
die Grünen im Bundestag eine Eingabe, um die umstrittene Gasfördermethode | |
Fracking zumindest vorerst zu verbieten. Für Umweltschützer wäre das ein | |
erster Schritt, das Bergrecht zu reformieren. Die Bundesregierung | |
schmetterte den Vorschlag jedoch mit ihren Parlamentariern ab – darunter | |
auch einige der Chiemgauer Politiker, die Fleidl und Co ihre Unterstützung | |
zugesagt haben. | |
7 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
K. Antonia Schäfer | |
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