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# taz.de -- Missbrauch in katholischer Kirche: „Die Kirche wollte mich zensie…
> Die Bischöfe beenden die Zusammenarbeit mit dem Kriminologen Pfeiffer,
> weil sie das Vertrauensverhältnis zerrüttet sehen. Pfeiffer sieht das
> anders.
Bild: Die katholische Kirche hat die Aufarbeitung geopfert.
BERLIN taz | Hat die katholische Kirche kein Interesse daran, den sexuellen
Missbrauch aufzuklären, der jahrzehntelang in ihren Reihen stattgefunden
hat? Oder warum hat sie am Mittwoch den Vertrag mit dem Kriminologen
Christian Pfeiffer gekündigt, der die Missbrauchsvorfälle in der
katholischen Kirche wissenschaftlich untersuchen sollte?
Vor drei Jahren wurde bekannt, dass es von 1950 bis 1980 sexuelle
Übergriffe an Kindern von Priestern und anderen Geistlichen in massivem
Ausmaße gegeben hat. Die Deutsche Bischofskonferenz hatte daraufhin
Christian Pfeiffer, den Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts
Niedersachsens (KFN), mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung beauftragt.
Im Juli 2011 haben Pfeiffer und der Verband der Diözesen Deutschlands einen
Vertrag geschlossen, der bis 2014 angelegt war.
„Wir waren gezwungen, heute den Drittmittelvertrag mit dem KFN aus
wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung zu kündigen“, so die
Bischofskonferenz auf ihrer Website. Der Grund: Das Vertrauensverhältnis
zwischen den Bischöfen und Pfeiffer sei zerrüttet. „Pfeiffers
Kommunikationsverhalten entspricht nicht der gebotenen Form“, sagt Matthias
Kopp, Pressesprecher der Bischofskonferenz. Pfeiffer hat eine andere
Version. Er sagt: „Die katholische Kirche wollte mich zensieren.“
Laut Vertrag soll die Kirche das Recht gehabt haben, die
Forschungsergebnisse zunächst selbst vorzustellen. Acht Wochen später hätte
dann Pfeiffer seine Sicht auf die Dinge darlegen können. Das sei okay
gewesen, sagt Pfeiffer. Alsbald aber hätten einige Diözesen den Vertrag
„grundlegend ändern“ wollen. Danach hätten Doktoranden und Habilitanden
ihre Arbeiten „zur Genehmigung“ vorlegen sollen.
Diesen Vorwurf weist Kopp als „absurd“ zurück. „Professor Pfeiffer hätte
seine Ergebnisse überall publizieren können“, sagt er. Einzig bei der
Veröffentlichung in Massenmedien habe man sich abstimmen wollen. Kopp: „Wir
wollten eine Boulevardisierung des Themas vermeiden.“ Pfeiffer sagt auch,
er habe Hinweise erhalten, dass Akten vernichtet worden seien. Die
Bischofskonferenz widerspricht: Das habe es nicht gegeben.
## Mehr als 100.000 Personalakten
Pfeiffer und sein Team sollten unter anderem in 9 von 27 Diözesen alle
Personalakten der vergangenen Jahrzehnte auswerten. In den anderen Diözesen
sollten es Akten aus den Jahren 2000 bis 2010 sein – insgesamt mehr als
100.000 Personalakten. Sollte Pfeiffer nicht mehr über das berichten, was
er in den Archiven vorgefunden hat?
Das Forschungsprojekt war mit 450.000 Euro geplant. Das nicht verwendete
Geld muss das KFN jetzt zurückzahlen.
Inzwischen hat auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
(FDP) von der katholischen Kirche gefordert, sich „Experten zu öffnen“.
Jedes Jahr werden bundesweit 12.000 bis 16.000 Fälle angezeigt – in
Familien, Vereinen, Kirchen. Die Dunkelziffer ist um ein Vielfaches höher.
Die katholische Kirche hat bislang rund 1.200 Anträge von Opfern auf
Entschädigung „positiv beantwortet“. Kopp: „Es gibt also offensichtlich
nicht Tausende Fälle, wie immer behauptet wird.“ Christian Pfeiffer plant
jetzt eine eigene Studie.
9 Jan 2013
## AUTOREN
Simone Schmollack
Simone Schmollack
## TAGS
Katholische Kirche
sexueller Missbrauch
Kriminologie
Kinder
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