# taz.de -- Kommentar Kirche und Missbrauch: Ein Fall für den Staatsanwalt | |
> Wir wollen endlich wissen, wie viele Pädosexuelle in den Reihen der | |
> Kirche sind und wie sie vorgehen. Die Kirche hat die Chance der | |
> Missbrauchsstudie vertan. | |
Wenn die deutschen Justizminister ein wenig Mumm in den Knochen hätten, | |
dann würden sie jetzt ihre Ermittlungsbeamten losschicken. Sie würden in | |
den Kirchenämtern der Republik die Personalakten jener Pfarrer | |
konfiszieren, die sexuelle Gewalt gegen Kinder begangen haben. | |
Die Justiz müsste das tun, um die Strafvereitelung zu unterbinden, welche | |
die Täterorganisation Kirche gerade im großen Stil plant. Denn die Bischöfe | |
haben bei diesem drängenden Thema erneut auf stur geschaltet – wiewohl sie | |
umfassende Kooperation zur Aufklärung der Macht-Missbräuche an Kindern und | |
Schutzbefohlenen in ihren Reihen versprochen hatten. Ja, sie hatten es | |
sogar vertraglich vereinbart mit einem Forscher. Aus, vorbei, die Kirche | |
macht, was sie will. | |
Kirchenakten zu beschlagnahmen, das ist nicht die Verfolgungsphantasie | |
eines verspäteten Bismarckianers, der den Kulturkampf gegen den | |
Katholizismus wieder aufnehmen will. Nein, es ist die logische Konsequenz | |
aus dem Verhalten der Kirche: Wir wissen schon, dass in den Reihen der | |
Kirche viele pädokriminelle Täter agieren. Aber wir wollen endlich wissen, | |
wie viele Pädosexuelle es sind und wie sie vorgehen. Wie sie innerhalb der | |
Institution gerügt, versetzt, aber nicht bestraft werden - um dann erneut | |
Sexual-Verbrechen an Kindern zu begehen. | |
Das wäre die große Chance der Missbrauchs-Studie gewesen, die Christian | |
Pfeiffer mit der Bischofskonferenz und den Diözesen vereinbart hatte: Dass | |
man ein Täter-Institutionen-Profil des Missbrauchs bekommt – ein | |
Riesenfortschritt in der Missbrauchsforschung. Die Kirche selbst hätte die | |
unschätzbare Möglichkeit gewonnen, sich selbst zu verstehen – und Vertrauen | |
bei den Menschen zurück zu gewinnen. In der Kirche gibt es ein paar kluge | |
Leute, die dazu bereit waren. Weil sie wissen, dass trotz der Krise, in der | |
die Kirche steckt, sie spirituelle Angebote für die verwirrten Bewohner des | |
3. Jahrtausends bereit hält, die wichtig sein können. Aber es gibt eben | |
auch reaktionäre Kräfte, die weiter Mittelalter spielen wollen. | |
Sie haben die Aufklärung mit dem Argument hintertrieben, Personalakten | |
seien vertraulich. Klar sind sie das – aber die Namen der Täter wollte ja | |
auch gar niemand haben. Es ging nicht um Strafverfolgung, sondern um das | |
Ausmaß und die Strukturen von sexualisierter Gewalt gegen Kinder. Dabei | |
handelt es sich um ein Verbrechen, das Menschen in ihrer Kindheit aus dem | |
Gleichgewicht bringt und das immense Folgeschäden und -kosten für die | |
Gesellschaft verursacht. | |
Was bei den Menschen zurück bleibt, ist Misstrauen in eine Institution, | |
deren Kerngeschäft Vertrauen ist. Der barmherzige Orientierungsgeber Kirche | |
hat ein schwarzes Loch in seinem Herzen. Die Kirche hat die Möglichkeit | |
vertan, sich selbst zu verstehen. | |
9 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Füller | |
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