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# taz.de -- Bloggerin Olfa Riahi vor Gericht: „Sheratongate“ erschüttert T…
> Die Bloggerin Olfa Riahi hat Korruption und Unterschlagung im
> islamistisch geführten Außenministerium aufgedeckt und öffentlich
> gemacht. Dafür steht sie vor Gericht.
Bild: Die tunesische Bloggerin Olfa Riahi
TUNIS taz | Tunesien hat den ersten Korruptionsskandal nach dem Sturz Ben
Alis. „Außenminister Rafik Abdessalem hat innerhalb von sechs Monaten auf
Staatskosten sieben Nächte im Luxushotel Sheraton in Tunis verbracht“,
berichtet die Journalistin und Bloggerin Olfa Riahi.
Als Beweis hat die 30-Jährige die fraglichen Rechnungen auf ihren Blog
[1][tobegoodagain.wordpress.com] gestellt. Die Kosten für die Zimmer des
islamistischen Politikers lagen zwischen umgerechnet 175 und 255 Euro pro
Nacht. Der gesetzliche Mindestlohn beträgt gerade mal 140.
Als die Bloggerin dann auch noch aufdeckte, dass der Minister ebenfalls die
Rechnung einer Frau beglich und alles von einem Konto des Außenministerium
bezahlt wurde, auf dem – vorbei an allen staatlichen Rechnungsstellen – die
chinesischen Regierung eine Million Dollar einbezahlt hatte, war der
Skandal perfekt.
„Sheratongate“ taufte Tunesien Presse den ersten Fall von investigativem
Journalismus, der seit Wochen das kleine Land in Atem hält. Bloggerin
Riahi, die Opposition und Teile der Presse fordern eine parlamentarische
und eine richterliche Untersuchung des Falles.
Denn Abdessalem ist nicht irgendein Minister – er ist der Schwiegersohn von
Rachid Ghannouchi, dem Chef der islamistischen Regierungspartei Ennahda,
und wurde von ihm – trotz völlig fehlender Erfahrung in der Außenpolitik –
ins Amt gehoben. Selbst innerhalb der islamistischen Reihen stieß dies
damals auf großen Unmut.
Während die Regierung Bloggerin Riahi unter anderem des „Säens von
Zwietracht unter den Menschen Tunesiens“, „der Verbreitung von Inhalten
fremder Dokumente ohne die Zustimmung des Eigentümers“ sowie „der
Verbreitung von falschen Informationen, die die öffentliche Ordnung
gefährden könnten“, anklagen lässt, verstrickt sich der beschuldigte
Außenminister Abdessalem in immer tieferen Widersprüchen.
## Ausflüchte des Ministers
Die Erklärung, er habe bis tief in die Nacht gearbeitet und sei deshalb im
Hotel abgestiegen, will Riahi nicht überzeugen. „Das Hotel ist nur 200
Meter von seinem Ministerium entfernt, wo er über ein voll eingerichtetes
Zimmer verfügt, um dort auszuruhen. Und zu seinem Wohnsitz sind es nur drei
Autominuten“, weiß Riahi, die heute erstmals vor Gericht muss.
„Warum also zahlt das Ministerium die Luxusabsteige und warum befindet sich
unter den Rechnungen die einer Frau, weitergereicht mit der Zimmerrechnung
des Ministers?“, fragt Riahi.
Die Dame sei seine Cousine gewesen, verteidigt sich der Minister. Eine bis
dahin unbekannte Frau bestätigte im Fernsehen diese Version. Sie habe den
Minister im Hotel besucht, um familiäre Probleme zu besprechen.
Da am fraglichen Tag eine nächtliche Ausgangssperre bestanden habe, sei sie
geblieben. „Ich habe das überprüft. Die Ausgangsperre wurde bereits davor
aufgehoben“, sagt Riahi.
## Hohe Haftstrafe droht
Ihrem Verfahren sieht die Bloggerin gelassen entgegen – trotz der drohenden
hohen Haftstrafe. „Es geht darum, die Mauer der Angst einzureißen, und das
habe ich getan“, sagt die junge Frau. „Selbst wenn sie mich wegsperren, der
Skandal bleibt und es werden weitere Journalisten folgen, die sich an
Untersuchungen herantrauen“, da ist sich Olfa Riahi sicher.
Obwohl sich das ganze Land brennend dafür interessiert, wer die Frau im
Hotel war, will Riahi den Namen nicht öffentlich machen. „Mir geht es um
die Korruption und Unterschlagung und nicht um das Privatleben des
Ministers“, erklärt Riahi, warum sie den fraglichen Namen auf allen
veröffentlichten Dokumenten geschwärzt hat.
Doch in Zeiten, in denen zwei junge Pärchen vor den Richter müssen, weil
sie sich in der Öffentlichkeit umarmt und geküsst haben, ist – auch wenn
das die Bloggerin nicht interessiert – das Thema Doppelmoral in aller
Munde. Im Facebook hat ein „altes tunesisches Sprichwort“ viel Erfolg:
„Küss mich nicht auf der Straße, aber fick mich im Sheraton.“
15 Jan 2013
## LINKS
[1] http://tobegoodagain.wordpress.com
## AUTOREN
Reiner Wandler
Reiner Wandler
## TAGS
Tunesien
Schwerpunkt Korruption
Recherchefonds Ausland
Tunesien
Ben Ali
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Muslimbrüder
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