| # taz.de -- Drohnen für die Bundeswehr: Verklärte Kriege | |
| > Bewaffnete Drohnen markieren nicht die Zeitenwende zu einem | |
| > Hightech-Krieg. Etwas weniger Kriegsromantik würde der Debatte guttun. | |
| Bild: Über die Maßen verteufelt: Die Drohne im Einsatz. | |
| Es kommt selten genug vor, dass über ein neues Waffensystem öffentlich | |
| gestritten wird, noch bevor die Entscheidung über dessen Beschaffung fällt. | |
| Wenn jetzt also über den Einsatz bewaffneter Drohnen diskutiert wird, ist | |
| das erfreulich. | |
| Weniger erfreulich ist: Wie immer, wenn es um die Bundeswehr geht, wird die | |
| Debatte mit denkbar hohen Ansprüchen überfrachtet. Da geht es um die großen | |
| Fragen der Ethik und des Völkerrechts. Dagegen ist prinzipiell nichts zu | |
| sagen. Doch leider gerät dabei die naheliegende und banale Frage in den | |
| Hintergrund: Was ändert sich durch die neuen Waffen denn überhaupt – und | |
| was nicht? | |
| Wie beindruckend oder auch erschreckend die Vorstellung von Einsätzen | |
| unbemannter bewaffneter Flugkörper auch sein mag: Wer diese Systeme für | |
| einen qualitativen Sprung in der Rüstungsentwicklung hält, ihre Einführung | |
| schon fast zum Zivilisationsbruch erklärt, der verkennt die Wirkung der | |
| schon jetzt täglich genutzten Waffen – und pflegt ein Bild der damit | |
| geführten Kriege, das in vergangene Jahrhunderte passt, von der heutigen | |
| Realität aber weit entfernt ist. | |
| Dieses romantische Bild vom Krieg ist umso besorgniserregender, als auch | |
| deutsche Soldaten seit mehr als zehn Jahren in Afghanistan an einem mit der | |
| neuesten Militärtechnologie geführten Krieg beteiligt sind. | |
| Das Problem sind dabei nicht die Fragen, die gestellt werden. Problematisch | |
| ist, dass so getan wird, als seien sie völlig neu. | |
| Ganz oben steht dabei der Verweis auf den Drohnenkrieg der USA, also die | |
| Tötung vermeintlicher oder tatsächlicher Führungskader von Terrorgruppen | |
| auch außerhalb von Kriegsgebieten. Die Unrechtmäßigkeit dieser Operationen | |
| stellt in Deutschland kaum jemand in Frage. | |
| ## Ohne Zielkoordination trifft die teuerste Drohne nicht | |
| Vor allem aber hängt diese Strategie nicht zwangsläufig von Drohnen ab. Für | |
| den gleichen Zweck wurden zuvor verdeckt operierende Spezialkräfte | |
| eingesetzt – und sie werden es weiterhin. Auch für Drohneneinsätze bedarf | |
| es Informanten am Boden, ohne Zielkoordinaten kann auch die teuerste | |
| Hightech-Drohne nicht treffen. | |
| Zudem ist die Jagd auf mutmaßliche Terrorführer keine Erfindung der letzten | |
| zwei Jahre. Sie war von Beginn an Kern des nach dem 11. September 2001 | |
| ausgerufenen „Kriegs gegen den Terror“. | |
| In der Folge sandte der Bundestag bekanntlich deutsche Soldaten nach | |
| Afghanistan. Und um diese Entscheidung und ihre Folgen scheint es in der | |
| Drohnendebatte eigentlich zu gehen. Denn egal ob es um die vermeintliche | |
| Automatisierung der Kriegsführung, um die vermeintlich größere Distanz der | |
| Soldaten zu ihrem Gegenüber oder um die vermeintliche Verminderung des | |
| Risikos für die eigenen Truppen geht: Argumentiert wird stets vor der Folie | |
| des – immer noch verklärten – Einsatzes in Afghanistan. | |
| ## Mythos Sichtkontakt | |
| Da wird dann gerne ausgeklammert, wie sehr die Automatisierung von | |
| Waffensystemen fortgeschritten ist: Auch der Kampfpilot, der in mehreren | |
| tausend Meter Höhe über Afghanistan fliegt, entscheidet über sein Ziel ja | |
| nicht aufgrund eigener Wahrnehmung. Der Pilot im Cockpit ist nur ein | |
| kleiner Teil einer Kampfmaschine, er muss sich auf die Sensoren und Rechner | |
| seines Flugzeugs verlassen. Man mag das für riskant oder unmenschlich | |
| halten, aber es ist keine Entwicklung, die mit dem Einsatz von Drohnen | |
| beginnt. | |
| Ähnlich bedenklich ist die Vorstellung, der Pilot im bemannten Flugzeug | |
| hätte zwangsläufig eine größere emotionale Nähe zu dem Ziel seiner Bomben | |
| als sein Kollege, der von einem Container auf einer Militärbasis aus eine | |
| bewaffnete Drohne steuert. Der fliegende Pilot sieht seinem Opfer ebenso | |
| wenig ins Gesicht wie der Drohnenpilot. | |
| Und auch wenn dies das romantische Kriegsbild weiter beschädigt: Selbst | |
| Bodentruppen haben aufgrund der Reichweite und Schlagkraft ihrer Waffen in | |
| der Regel keinen Sichtkontakt zum Gegner. Der zeigt sich ohnehin höchst | |
| selten: Die meisten Anschläge auf Isaf-Soldaten in Afghanistan werden mit | |
| Sprengsätzen verübt, die aus weiter Entfernung über Kabel, Handy oder | |
| andere Funksysteme gezündet werden. | |
| Schließlich wird noch die Befürchtung geäußert, westliche Truppen würden | |
| durch den Einsatz von Drohnen quasi unverwundbar und deshalb von Regierung | |
| und Parlament womöglich noch leichtfertiger irgendwo in die Welt geschickt | |
| als bislang. In den meisten Kriegsgebieten – Afghanistan gehört dazu – | |
| tendiert aber das Risiko eines Nato-Piloten, bei einem Einsatz abgeschossen | |
| zu werden, schon heute gegen null. | |
| Die Vorstellung, der ungefährliche Drohneneinsatz würde den risikoreichen | |
| Einsatz von Kampfjets ersetzen, verkennt die längst bestehende Dominanz in | |
| der Luft. Und diese wird auch jetzt schon zur Unterstützung von | |
| Bodentruppen eingesetzt. In Afghanistan ist in gefährlichen Gebieten kaum | |
| eine Bundeswehr-Patrouille unterwegs, ohne in der Luft entweder von | |
| Drohnen, Kampfjets oder Hubschraubern begleitet zu werden. Davon sind die | |
| Letztgenannten bewaffnet und schussbereit, nur die Drohnen nicht. | |
| ## Drohnen sind keine Lösung | |
| Das alles ist kein Plädoyer für die Beschaffung von Drohnen. Dem | |
| notwendigen Streit über den Sinn eines neuen Waffensystems ist aber nicht | |
| gedient, wenn dabei ein Krieg wie der in Afghanistan verklärt wird, statt | |
| sich mit diesem Einsatz kritisch und selbstkritisch auseinanderzusetzen. | |
| Sollte die Bundeswehr bald über bewaffnete Drohnen verfügen, garantiert das | |
| übrigens nicht den militärischen Erfolg, den sich so mancher offenbar | |
| erhofft: Die allzu enthusiastischen Befürworter der Beschaffung bewaffneter | |
| Drohnen seien daran erinnert, dass die Nato-Streitkräfte zwar bewiesen | |
| haben, Luftkriege ohne Furcht vor Verlusten führen zu können, sie die | |
| erklärten politischen Ziele dabei aber nie erreicht haben. | |
| Wie wenig erfolgreich die luftgestützte Hightech-Kriegführung aus der Luft | |
| langfristig ist – egal, ob dabei Kampfjets, Marschflugkörper oder Drohnen | |
| eingesetzt werden –, haben die US-Truppen im Irak und in Afghanistan | |
| unfreiwillig demonstriert: Dem kurzen Jubel über einen erfolgreichen | |
| Luftkrieg folgten viele Jahre Bodenkrieg mit tausenden Verletzten und | |
| Toten. | |
| 8 Feb 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Eric Chauvistré | |
| ## TAGS | |
| Drohnen | |
| Bundeswehr | |
| Schwerpunkt Afghanistan | |
| Drohnen | |
| Drohnen | |
| Drohnen | |
| Drohnen | |
| Rüstungsexporte | |
| Drohnenkrieg | |
| Verteidigungspolitik | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Obama-Regierung zu Drohnen: Tötung von US-Bürgern bestätigt | |
| US-Justizminister Holder hat erstmals bestätigt, dass US-Bürger von | |
| amerikanischen Drohnen getötet wurden. Obama will am Donnerstag über | |
| Guantanamo reden. | |
| Streit der Woche: „Menschlichkeit durch Präzision“ | |
| Braucht Deutschland Killerdrohnen? Ja, sagt Michael Wolffsohn. Die Grüne | |
| Agnieszka Brugger kontert: Es braucht Regeln – keine Drohnen. | |
| Streit der Woche: Braucht Deutschland Killerdrohnen? | |
| Unbemannte Flugobjekte mit der Lizenz zum Töten. Das könnte es auch bald in | |
| der Deutschen Bundeswehr geben. Zukunftsmusik oder Horrorszenario? | |
| FDP-Politiker über Drohnen-Pläne: „Wir müssen nicht alles einsetzen“ | |
| Verteidigungsminister de Maizière will Kampfdrohnen für die Bundeswehr. | |
| FDP-Politiker Hartfrid Wolff fürchtet einen „Schritt in Richtung | |
| unbegrenzter Kriege“. | |
| Deutsche Rüstungsexporte: Saudi-Arabien will Bremer Boote | |
| Saudi-Arabien will deutsche Patrouillenboote im Wert von 1,5 Milliarden | |
| Euro kaufen. Die Opposition kritisiert, die Bundesregierung wolle | |
| Saudi-Arabien hochrüsten. | |
| Bundestag diskutiert Kampfdrohnen: Die „Zukunft“ des Luftkriegs | |
| Im Bundestag erklärt Verteidigungsminister De Maizière bewaffnete Drohnen | |
| für ethisch besser als Kampfjets. Die Opposition scheint etwas überrumpelt. | |
| Kommentar deutsche Militärpolitik: Unerträgliche Leichtigkeit | |
| Der Einsatz in Afghanistan war womöglich der letzte seiner Art für die | |
| Bundeswehr. Doch trotz technischer Präzision: Einen sauberen Krieg wird es | |
| nicht geben. |