# taz.de -- Die Wahrheit: Über die Angst, einen Strudel zu backen | |
> Neulich hörte ich zum ersten Mal von der Angst, von Enten beobachtet zu | |
> werden. Da ich mit einem Kater zusammenlebe, leuchtete mir diese Phobie | |
> sofort ein .... | |
Neulich hörte ich zum ersten Mal von der Angst, von Enten beobachtet zu | |
werden. Da ich mit einem Kater zusammenlebe, leuchtete mir diese Phobie | |
sofort ein. Sie starren dich an und wissen alles über dich. Zum Beispiel, | |
wo dein Kühlschrank steht. Was die Pelzwurst auf meinem Sofa kann, dürfte | |
unseren gefiederten Freunden auch nicht schwerer fallen: Glotz! Glotz! Und | |
schon bist du erledigt. | |
Es dauerte etwas, bis mir auffiel, dass der Kontakt zu Enten im täglichen | |
Leben bei den meisten Menschen eher eingeschränkt stattfindet, die Angst | |
also ziemlich blöd oder jedenfalls stark realitätsverfehlend ist. Und es | |
war dann auch gar nicht wahr, sondern eine Erfindung von Gary Larson. | |
Letztlich erschien mir aber Entenfurcht auch nicht absurder als das | |
Vermeiden von Spinnen oder Schlangen. Oder die Angst davor, dass die Zeit | |
vergeht. (Soll ich euch was verraten, ihr Chronophobiker? Das tut sie | |
wirklich! Ahhh, Hilfe!) | |
Ich selbst habe eine ausgeprägte Komplexitätsphobie bei niedrigschwelligen | |
Aufgaben. Das bedeutet, einen Essay konzipieren und dabei mixolydische | |
Tonleitern spielen ist kein Problem, sich vor dem Sport komplett umziehen | |
aber schon. Die vielen Kleidungsstücke! Die Reihenfolge! Wobei es sich gar | |
nicht um eine Phobie handelt, sondern um eine begründete Angst, wie ich | |
weiß, seit ich einmal versucht habe, ein Tennismatch in zwei rechten | |
Schuhen zu gewinnen. Ging nicht, weil ich auch einen linken Fuß dabei | |
hatte. | |
Ich kann auch keine Strudel backen und keine Betten beziehen. Zu viele | |
Arbeitsgänge. Ich kriege Kopfschmerzen davon und Atemnot, und zwar schon, | |
bevor ich damit angefangen habe. Strudel essen und schlafen funktioniert | |
dagegen noch einigermaßen. | |
Damit zusammen hängt die ewige Angst, etwas vergessen zu haben. Was wäre | |
ein Strudel ohne Apfel, ein Bett ohne Kopfkissen? Und wer kennt nicht die | |
Frauen, die permanent panisch in übergroßen Handtaschen herumwühlen, um von | |
ganz unten eine verknautschte To-Do-Liste hervorzuziehen? Das bin übrigens | |
immer ich, nur die Tasche wechselt. Grauenhaft! Gemeinerweise wird es von | |
Jahr zu Jahr auch noch mehr, was man unbedingt dabeihaben sollte. | |
Neulich musste ich vor einem Schalter auf irgendeinen Bürokratenvorgang | |
warten, und das Opfer vor mir wurde gefragt, wieso es die Bescheinigung | |
nicht vorlegen könne. Die Bescheinigung! Ich hatte auch keine | |
Bescheinigung, von niemandem! Würde ich jetzt gleich verhaftet werden? Wo | |
war mein Existenzberechtigungsnachweis, hatte ich ihn verloren? Ich rannte | |
davon. | |
Erleichternd finde ich, dass mich meine Phobie vor übermäßigen | |
Anstrengungen zumindest davor bewahrt hat, eine Dissertation zu verfassen. | |
Sonst hätte ich jetzt Angst, erstens abgeschrieben und das dann zweitens | |
vergessen zu haben, daraufhin nun drittens entlarvt zu werden, woraufhin | |
ich viertens von meinem Posten als Susanne Fischer umgehend zurücktreten | |
muss. Auch so habe ich schließlich schon genug Panik, dass mir jemand drauf | |
kommt. Worauf? Habe ich vergessen. Auf alles. | |
12 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Susanne Fischer | |
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