# taz.de -- Die Wahrheit: Tage des Erbrechens | |
> Es begann alles harmlos, mit einer dreitägigen Rundreise durch Bayern. Na | |
> gut, vielleicht ist das nicht harmlos, sondern bescheuert … | |
Es begann alles harmlos, mit einer dreitägigen Rundreise durch Bayern. Na | |
gut, vielleicht ist das nicht harmlos, sondern bescheuert. Man hätte ja | |
auch woanders hinfahren können, aber uns Norddeutsche reizt nun mal das | |
Exotische. Bier, Bamberg und Brimborium, also Weltkulturerbe. Das Hotel war | |
teuer und schick. Es lag mitten im Fluss und lockte mit verschiedenen | |
Terrassen, mehr, als man an einem Tag ausprobieren kann. „Schade, dass wir | |
morgen schon weiterfahren“, sagte ich zum Liebsten. | |
Der Morgen des Grauens kündigte sich mit Stereo-Magenrumpeln im | |
Designer-Doppelbett an. Jetzt weiß ich, dass man ein Hotelzimmer mit zwei | |
Bädern buchen sollte, wenn man eine gemeinsame Lebensmittelvergiftung für | |
den Urlaub einplant. Der Begriff Timing gewinnt eine ganz neue Bedeutung. | |
Außerdem war zu unserem Missvergnügen der Schuldige nicht auszumachen: Ich | |
war für das fiese Tankstellenbrötchen unterwegs, der Liebste schwankte | |
zwischen Eisdieleneis und Eisdielenkäsekuchen. Das hatten aber hunderte | |
anderer Besucher auch zu sich genommen. Ob die alle kotzend in ihren | |
Hotelzimmern lagen? Eine Marketingaktion der Stadt? | |
Denn natürlich mussten wir den Aufenthalt verlängern; wir waren zu schwach, | |
um Bamberg zu verlassen. Wir reisten lieber von einer Hotelterrasse zur | |
anderen. Als wir endlich weiterkamen, fanden wir sofort alles prima, was | |
wir sahen. Es ist alles schön, wenn man sich nicht übergeben muss. | |
Vielleicht wäre dieser Satz ein guter Werbeslogan für hässlichere Städte | |
als Bamberg. | |
Kaum vier Wochen später war ich schon wieder dran, diesmal in Hamburg. Wie | |
hatte ich das hübsch gestaltete, auf mehrere Ebenen verteilte Hotelzimmer | |
bewundert! Und wie lästig war es dann, vom Bett zum Kotzraum jedes Mal eine | |
halbe Treppe überwinden zu müssen. Diesmal ließ sich jedenfalls der | |
Schuldige leicht bestimmen: Es war die Person, die mir am Abend vorher ein | |
Bier zu viel eingeflößt hatte. Sie blinzelte mich graugesichtig und | |
verzweifelt aus dem schicken Badezimmerspiegel an. Immerhin guckte sie | |
nicht höhnisch, das tat erst der Liebste, als er sich den siebten Teller | |
voller Leckereien vom köstlichen Frühstücksbuffet schnappte, während ich an | |
einem Viertelbrötchen ohne Belag knabberte, und auch diese bescheidene | |
Mahlzeit noch mehrfach unterbrechen musste. Ja, das meine ich wörtlich. | |
Doch der Mann, der mir mein Frühstück wegisst, hatte sich zu früh gefreut. | |
Die nächste Reise führte in den Süden, alles traumhaft, Palmen, Bilderbuch. | |
Da war es dann selbstverständlich wieder so weit, und diesmal war er dran. | |
Pfefferminztee am Pool und so. Ich heuchelte Mitgefühl, während ich mir | |
unauffällig Milchkaffee und Wein in ratsamen Dosierungen zuführte. Das | |
wirkte moralisch einwandfrei. | |
Von einem Bekannten erfuhren wir übrigens neulich, dass er in Bamberg nach | |
Verzehr besagten Eisdielenkäsekuchens ebenfalls gekotzt hatte, aber schon | |
vor fünf Jahren. Wahrscheinlich gehört das merkwürdige Backwerk zum | |
Weltkulturerbe. | |
10 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Susanne Fischer | |
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