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# taz.de -- Missbrauchsbeauftragter über Stillstand: „Bei Opfern ist nichts …
> Braucht es eine härtere Gangart, wenn die Regierung ihre Beschlüsse im
> Kampf gegen Missbrauch nicht einhält? „Ja“, meint der Unabhängige
> Missbrauchsbeauftragte Rörig.
Bild: Kein Karnevalsscherz: Missbrauch in der katholischen Kirche.
taz: Herr Rörig, ist der Runde Tisch gegen sexuellen Missbrauch
gescheitert?
Johannes-Wilhelm Rörig: [1][Der Runde Tisch] ist nicht gescheitert. Er hat
in seinem Abschlussbericht 2011 wegweisende Empfehlungen vorgelegt, denken
Sie an das Hilfesystem für Opfer sexueller Gewalt mit 100 Millionen Euro.
Aber von diesen umfangreichen Forderungen ist doch bis heute so gut wie
nichts umgesetzt!
Es wäre erfreulich, wenn die Verantwortlichen schon weiter wären. Von den
beschlossenen Hilfen ist bisher leider nichts bei den Opfern von sexueller
Gewalt angekommen. Die Verantwortung dafür liegt beim Bund und bei den
Ländern – etwa, um die großen Lücken im Netz der Beratungsstellen gegen
sexualisierte Gewalt an Kindern zu schließen. Diese Vorschläge müssen jetzt
unbedingt Wirklichkeit werden. Die Zeit drängt, weil die Wahlperiode
abläuft.
Am Mittwoch wird am Runden Tisch Bilanz gezogen. Was ist Ihrer Ansicht nach
jetzt besonders wichtig?
Die Öffentlichkeit und wir müssen aufpassen, dass hohle Erbsen nicht zu
goldenen Erbsen erklärt werden und am Ende als glänzende Goldbarren
erscheinen.
Was meinen Sie konkret?
Ich bin sehr gespannt, wann der versprochene Hilfefonds an den Start geht.
Und ich bin auch gespannt, mit welchem Fahrplan die Justizministerin es
zusammen mit der Regierungsmehrheit schaffen will, dass das wichtige Gesetz
zum Schutz von Opfern sexualisierter Gewalt noch vor der Wahl beschlossen
wird. Sonst wird bis zu diesem Sommer nichts mehr umgesetzt werden.
Warum ist der für Opfer oft so lebenswichtige Hilfenfonds noch nicht da?
Ich weiß das auch nicht. Aber wir haben immer noch die Chance, dass endlich
das Versprechen der Bundesregierung gegenüber den Betroffenen eingelöst
wird. Die Unsicherheit der Betroffenen, ob der Fonds überhaupt kommt, ist
geradezu unerträglich. Diese Unsicherheit muss endlich beseitigt werden.
Bund und Länder dürfen ihren Streit über Zuständigkeiten nicht weiter auf
dem Rücken der Betroffenen austragen.
Frage an den Anwalt der Betroffenen: Wo ist das Geld?
Die 50 Millionen Euro, die der Bund beisteuern möchte, liegen beim
Finanzminister bereit. Sie stehen noch unter dem Vorbehalt, dass eine
Mitfinanzierung der Länder um die gleiche Höhe des Betrags erfolgt. Sollte
es dem Bund aber nicht gelingen, die Länder mit ins Boot zu holen, dann
sehe ich die Bundesregierung in der Pflicht, den Vorbehalt aufzuheben – und
bereits jetzt mit den 50 Millionen Euro an den Start zu gehen.
Wäre der Fonds denn arbeitsfähig – auch ohne die Länder?
Das wäre möglich. Die Regeln sind sehr weit erarbeitet, das bisher
vorgesehene Verfahren entspricht den Empfehlungen des Runden Tisches, und
ich trage es mit. Es stellt sicher, dass die Betroffenen eine
opferschonende Antragsberatung bekommen. Es gibt eine Beschwerdeinstanz und
Opfervertreter sind im Beirat vertreten, der so genannten Clearingstelle.
Die Gesellschaft ist in Bewegung. Wieso ist es die Politik nicht?
Die Zivilgesellschaft hat sich auf den Weg gemacht, den Schutz von Kindern
und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt zu verbessern. Zum Beispiel
haben viele Verbände mit mir vereinbart, die Einführung von Schutzkonzepten
gegen sexuelle Gewalt und [2][unsere Kampagne „Kein Raum für Missbrauch“]
zu unterstützen. Diese erhöhte Sensibilität wird aber leider nicht durch
aktives Handeln der Politik untermauert. Die Politik hätte, sowohl Bund als
auch die Länder, viele Verbesserungen für Betroffene schon 2012 umsetzen
müssen.
In manchen Ländern gibt es halbamtliche Untersuchungs-Kommissionen, die in
kurzer Zeit glaubwürdige Untersuchungsberichte vorlegten – etwa im Fall des
DJs, Moderators und Hundertfachen Pädokriminellen Jimmy Savile in
Großbritannien. Das bringt zwar keine strafrechtliche Verfolgung mehr, aber
gibt den Opfern die Chance, offizielle Anerkennung zu finden. Wieso gibt es
solche Untersuchungskommissionen bei uns nicht?
Mein Fachbeirat und ich werden im April ein Hearing dazu durchführen, weil
wir so etwas Ähnliches auch für Deutschland wollen. Wir sind der
Überzeugung, dass der Bund für die unabhängige und systematische
Aufarbeitung von Missbrauchsfällen eine Verantwortung trägt. Deswegen
wollen wir die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen.
Sie stehen in engem Kontakt mit den Opfern. Was ist deren Haltung zum
lähmenden Stillstand in der Politik?
Da ist eine große Frustration spürbar. Ich erkenne bei den Betroffenen eine
tiefe Enttäuschung darüber, dass die Politik sie im Stich lässt.
Haben Sie einmal über Rücktritt nachgedacht?
Ich habe die Aufgabe übernommen, an der Seite der Betroffenen die Umsetzung
der Vorschläge des Runden Tisches zu unterstützen und auch zu
beschleunigen. Ich hoffe nicht, dass die Bundesregierung morgen mit leeren
Händen an den Runden Tisch tritt!
Was heißt das?
Es geht letztlich darum, die große Wertschätzungdie die Bundeskanzlerin den
Betroffenen sexueller Gewalt gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, jetzt
materiell unter Beweis zu stellen. Ich denke darüber nach, die
Regierungschefin an ihre mitfühlenden Worte zu erinnern.
19 Feb 2013
## LINKS
[1] http://www.rundertisch-kindesmissbrauch.de/
[2] http://www.kein-raum-fuer-missbrauch.de/
## AUTOREN
Christian Füller
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