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# taz.de -- Bedrohung durch Hamas und Marine: Die Fischerin von Gaza lebt gefä…
> Madeleine Kulab hat 4.000 männliche Kollegen. Die 18-jährige Fischerin
> aus Gaza kämpft gegen die Willkür der israelischen Marine und der Hamas.
Bild: Madeleine Kulab bei der Arbeit.
GAZA taz | Im Fischereihafen von Gaza schaukeln ein paar Dutzend gelbe
Boote, während sich am Ufer eine Gruppe barfüßiger Männer in der Sonne
ausstreckt, bevor es zum zweiten Mal an diesem Tag aufs Meer hinausgeht.
Die Fischer gelten als die einzigen Gewinner der kriegerischen
Auseinandersetzung zwischen Israel und der Hamas im November. Als Teil des
Waffenstillstandsabkommens willigte Israel ein, die Seeblockade zu lockern.
Statt bisher drei Seemeilen, rund 5,5 Kilometer, dürfen die Boote nun sechs
Meilen, also elf Kilometer, weit rausfahren.
Eine schwarz-weiße Katze springt auf ein Motorrad und neckt von oben herab
einen vierbeinigen Freund. Der Fischereihafen erscheint wie ein Resort, ein
Ruhepol im Abseits der übervölkerten Stadt. Doch die Idylle trügt. Mit
scharfen Augen wachen die Sicherheitsleute der Hamas über jeden fremden
Besucher und lassen ohne schriftliche Genehmigung niemanden auf das
Gelände. Gefahr für die Fischer droht indes von anderer Seite. Die
israelische Marine fängt jedes Boot ab, das sich über sechs Meilen weit
aufs Meer hinaus wagt.
„Die Lockerung der Blockade hilft uns nicht“, sagt die 18-jährige Madeleine
Kulab, die einzige Frau unter den knapp 4.000 Fischern von Gaza. „Es macht
kaum einen Unterschied, ob wir drei oder sechs Meilen auf See fahren“,
erklärt sie. Die meisten Fische, vor allem die ausgewachsenen, lebten
hinter einer Felsenreihe im Wasser. „Wenn wir noch mal fünf Meilen weiter
rausfahren dürften, wäre unser Leben ein anderes.“ Doch innerhalb von nur
sechs Meilen lohnten sich die Benzinkosten für eine längere Fahrt oft
nicht.
Die junge Frau in Jeans, Lodenmantel und rosarotem Kopftuch sitzt an ein
Boot gelehnt und repariert ihre Fangnetze. Seit der Vater vor fünf Jahren
an einer Lähmung in den Beinen erkrankte, ernährt sie die Familie,
unterstützt von ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder Kayed. „Früher haben uns
die Israelis gewarnt, wenn wir zu dicht an die Grenze der Bannmeile
gerieten“, sagt Madeleine, „heute verhaften sie uns und sprengen die Boote
in die Luft.“ Erst vor drei Jahren finanzierte eine arabische NGO Madeleine
ein kleines Boot, das mit einem Motor ausgestattet ist und das ihr erlaubt,
weiter rauszufahren. Vorher mussten die Geschwister paddeln.
## Magere Fangmengen
Das „Palästinensische Komitee für Menschenrechte“ in Gaza bestätigt, dass
„die Fischer seit dem Waffenstillstand attackiert werden“. Israel ist laut
der Abkommen von Oslo dazu verpflichtet, die Boote bis zu 20 Seemeilen weit
ungestört aufs Meer zu lassen. In der Realität sind die Palästinenser der
Willkür der Armee ausgesetzt, die die Bannmeile zunächst schrittweise auf
zwölf Seemeilen reduzierte und nach dem Gazakrieg Anfang 2009 auf nur noch
drei. Für die Menschen, die vom Meer leben, ist das eine Katastrophe. Die
Fischer schimpfen über ihre magere Ausbeute. Auch Madeleine und Kayed holen
an einem normalen Tag nicht mehr als drei bis vier Kilo Sardinen, Schrimps
und Krebse aus dem Wasser.
Die beiden jungen Leute haben Stammkunden, denen sie den Fisch für
umgerechnet 2,50 Euro pro Kilo überlassen. „Wenn ich viel Fisch habe,
verkaufe ich ihn an einen Händler auf dem Markt“, sagt Madeleine. Die
Familie lebt in einem Flüchtlingslager und bekommt Lebensmittelhilfe von
der UNRWA, der UN-Hilfsorganisation für palästinensische Flüchtlinge, die
jeden Monat Reis, Mehl und Zucker an die Notleidenden verteilt. Mit den
Einnahmen aus dem Fischfang hält sich die Familie mehr schlecht als recht
über Wasser. Davon, wieder zur Schule zu gehen und einen Beruf zu erlernen,
können die Geschwister nur träumen.
## Unter Beschuss der Marine
Ein Haus aus Beton wünscht sich Madeleine, anstelle der Hütte mit
Asbestdach, in der sie wohnt, und Sicherheit. „Meine Freunde wissen nicht,
wie gefährlich meine Arbeit ist.“ Zweimal schon habe sie Todesängste
ausgestanden. Einmal, als sie in einen Sturm geriet und erst nach Stunden
zurückfand, ein anderes Mal hätten die Marinesoldaten auf ihr Boot
geschossen.
Auf ihren Sonderstatus als einzige Frau am Fischereihafen würde sie liebend
gern verzichten. Die Hamas duldet die einzige Frau unter all den Männern
nur zähneknirschend, und „manchmal reden die Leute schlecht über mich“. Um
nicht noch mehr Aufsehen zu machen, kleidet sich Madeleine äußerst
traditionell und nimmt das Kopftuch selbst dann nicht ab, wenn sie in
voller Montur ins Wasser taucht, um ihre Netze zu überprüfen. „Es wäre
schön, wenn es hier noch andere Frauen gäbe“, meint sie. „Vielleicht wür…
mich die Polizisten und die Leute dann in Ruhe lassen.“
20 Feb 2013
## AUTOREN
Susanne Knaul
## TAGS
Gaza
Hamas
Fischerei
Palästina
Raketen
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