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# taz.de -- Abschiebung in Niedersachsen: In großen Fußstapfen
> Zwei Roma-Brüder werden mit ihrer Mutter ins Kosovo abgeschoben. Der
> Landrat sagt, er habe beim SPD-Innenminister interveniert – vergeblich.
Bild: Neuer Innenminister, alte Politik? Boris Pistorius (SPD) hat in Niedersac…
HAMBURG taz | Die Geschichte hört sich an wie viele, die man aus
Niedersachsen kannte – allerdings aus der Zeit, als dort noch der
Christdemokrat Uwe Schünemann Innenminister war. Am vergangenen Samstag um
3.30 Uhr rückten Vertreter der Ausländerbehörde in Begleitung von zehn
Polizeibeamten bei einer Roma-Familie im Kreis Lüchow-Dannenberg an, um sie
ins Kosovo abzuschieben.
Eineinhalb Stunden bekam die Mutter und ihre beiden jüngeren Söhne Zeit zum
packen, dann wurden sie in ein Flugzeug gesetzt. Der Vater wurde nur
deswegen nicht mitgenommen, weil der dritte Sohn, 16 Jahre alt, gerade bei
Freunden übernachtete – und nicht allein in Deutschland zurückgelassen
werden durfte.
Die Familie lebte seit 16 Jahren im Landkreis, seit drei Jahren sollte sie
abgeschoben werden. Doch niedersächsischer Innenminister ist nicht mehr
Schünemann, und die neue rot-grüne Landesregierung hatte einen
"Paradigmenwechsel in der Abschiebungspraxis" angekündigt. „Die Kinder sind
hier geboren, sie gehen hier zur Schule, sie sind Teil der Gesellschaft“,
sagt der Landrat des Kreises Lüchow-Dannenberg, Jürgen Schulz (parteilos).
Während die älteren Brüder der Familie straffällig geworden und bereits vor
Monaten abgeschoben worden seien, liege gegen die drei jüngeren Brüder
nichts vor. Den Eltern könne man zumindest bescheinigen, das sie sich um
Integration bemühten, seit ihnen die Abschiebung drohe. Der hätten sie sich
einmal entzogen, indem sie „nach Belgien abgetaucht“ seien, so Schulz, aber
das sei „wieder eine andere Sache“.
## Klare Aussagen machen
Als er am vergangenen Dienstag von der geplanten Abschiebung erfahren habe,
sei er bei der Behörde vorstellig geworden mit der Bitte, die Maßnahme „zu
stornieren“, sagt der Landrat. Am selben Dienstag wurde Stephan Weil (SPD)
im Landtag zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. Für „äußerst ungeschic…
habe er das behördliche Vorgehen gehalten, sagt der Landrat - gerade zu dem
Zeitpunkt, „wo sich eine neue Landesregierung ins Amt begibt“.
Umso überraschter war Schulz, als er erfuhr, dass das Innenministerium
offenbar nichts von einer Stornierung hielt: „In relativ scharfer Form“ sei
der Landkreis vielmehr gefragt worden, „wie wir das begründen würden“. Der
Landrat bat, die Sache mit dem neuen Innenminister Boris Pistorius (SPD) zu
erörtern. Der, so habe er gedacht, müsste sich doch dem Koalitionsvertrag
verpflichtet fühlen, der in diesem Punkt „klare Aussagen“ mache.
Schulz zufolge antwortete das Ministerium, man habe Pistorius die Sache
vorgetragen, es ändere sich aber nichts an der Einschätzung: Die
Abschiebung sei zu vollziehen. Als er darum gebeten habe, das schriftlich
zu bekommen, sei die entsprechende Mail am Donnerstag gekommen, erzählt
Schulz.
## Gespräche mit dem Landrat
Im Innenministerium stößt die Darstellung aus dem Landkreis
Lüchow-Dannenberg auf Verwunderung. Hätte der Landrat die Abschiebung nicht
gewollt, hätte er sie nicht anordnen brauchen, sagt Ministeriumssprecher
Frank Rasche. Ausgeführt würden Abschiebungen von der Ausländerbehörde, die
wiederum das Landeskriminalamt beauftrage, Flüge zu buchen. Die
Ausländerbehörde aber sei dem Landrat unterstellt.
In Lüchow-Dannenberg sei die Roma-Familie vom Landkreis zur Abschiebung
angemeldet worden. Es habe zuvor Gespräche mit dem Landrat gegeben, und man
sei sich „über die vorliegenden und notwendigen Voraussetzungen für eine
Abschiebung“ einig gewesen, so Rasche. Der Vater der Familie sei einmal
wegen Betrugs und einmal wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und
Urkundenfälschung verurteilt worden, die Mutter wegen gemeinschaftlicher
Körperverletzung.
Sollte Schulz nach dem Regierungswechsel seine Meinung geändert haben, sei
das etwas anderes, sagt der Ministeriumssprecher. „Wenn man das Verfahren
abbrechen will, braucht es natürlich Begründungen.“ Minister Pistorius
werde sich zu dem Fall nicht äußern.
25 Feb 2013
## AUTOREN
Daniel Wiese
## TAGS
Niedersachsen
Abschiebung
Roma
Innenminister
Flüchtlinge
Stephan Weil
Abschiebung
Schwerpunkt Landtagswahlen
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