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# taz.de -- Mieten steigen in Großstädten: Bisschen hässlicher, bisschen kle…
> Altbauviertel in Metropolen werden für viele Mieter unbezahlbar. Die
> Alternative sind Wohnblocks aus den 60er und 70er Jahren.
Bild: Platte in Berlin: Ist bald nur noch hier günstiges Wohnen möglich?
BERLIN taz | Die Hochhauswohnungen am Wiesbadener Schelmengraben bieten
Balkon, weiten Blick ins Grüne, gute Busanbindung, günstige Mieten.
Trotzdem ist ihr Image mies. Viele Bewohner sind arm, ein Drittel bezieht
Arbeitslosengeld II.
„Die Stigmatisierung ist ein Problem“, sagt Heiner Brülle, Stadtplaner in
der Stadtverwaltung Wiesbaden, „dabei sind die Lage und die Substanz der
Siedlung gar nicht so schlecht.“
In Wiesbaden stellt sich – wie in vielen anderen Städten – nun die Frage,
ob man den schlechten Ruf der Blocksiedlungen aus den 50er, 60er und 70er
Jahren angesichts des knapper werdenden Wohnraums nicht verbessern kann.
## „Bündnis für das Wohnen“
In Hamburg hat der Senat zusammen mit Verbänden der Wohnungswirtschaft ein
„Bündnis für das Wohnen“ ins Leben gerufen. Die beteiligten Unternehmen
verpflichten sich, an der „Qualifizierung“ der bisher weniger nachgefragten
Lagen durch „Bestandsaufwertung“ mitzuwirken.
Die steigende Nachfrage begünstigt den Imagewandel der Blocksiedlungen,
denn die Altbauviertel in den Innenstädten werden für KleinverdienerInnen
zunehmend unerschwinglich: Im begehrten Schanzenviertel in Hamburg etwa
haben sich die Neumieten in zehn Jahren mehr als verdoppelt, sagt Sorina
Weiland, Sprecherin im Bezirksamt Hamburg-Mitte.
In Berlin-Kreuzberg kletterten die Neumieten im Quartier um den Görlitzer
Park binnen eines Jahres um 27 Prozent in die Höhe, so der
Wohnungsmarktreport des Immobilienunternehmens GSW. Und wer jetzt ins
Jungbuschviertel in Mannheim zieht, einen traditionellen Arbeiterbezirk mit
viel Altbaubestand, muss laut Immoscout24 für seine neuen Räume 11 Prozent
mehr zahlen, als noch vor einem Jahr gefordert wurden.
## Düstere Mietskasernen nun mit Grün und Balkon
Dabei galten Altbauwohnungen früher vielfach als zu laut, zu dunkel, zu
schlecht ausgestattet. „Das waren die Arbeitermietskasernen der
Gründerzeit“, sagt Annette Spellerberg, Stadtsoziologin an der Technischen
Universität Kaiserslautern. Doch Freiflächen wurden begrünt, Hinterhöfe
entkernt, Balkone an- und Dachgeschosse ausgebaut. Heute haben die
Innenstadtbezirke den Vorteil der kurzen Wege.
Wer aber nicht genug verdient oder nicht 40 Prozent seines Einkommens für
die Miete ausgeben kann, muss nach Alternativen suchen. „Wenn man sich
einlässt auf die Wohnblocksiedlungen aus den 60er Jahren, findet man dort
schon etwas“, meint Weiland.
Auch Angehörige der unteren Mittelschichten schauen sich in Hamburg heute
in Billstedt und Horn um – Betonsiedlungen ohne Kneipenkiez –, wenn sie
eine neue Bleibe suchen. Für frei vermietete Wohnungen in Hamburg-Billstedt
sind inzwischen aber auch schon mehr als zehn Euro Warmmiete pro
Quadratmeter zu zahlen.
## Kompromisse sind nötig
In Berlin standen in Nordneukölln im berüchtigten Rollbergviertel, einem
Quartier aus den 70er Jahren, vor einigen Jahren noch etliche Wohnungen
leer. Bärbel Ristow, Ärztin im Ruhestand, zog mit ihrem Mann in das
Quartier, andere Gesinnungsgenossen kamen hinzu, gründeten eine
Altenhausgemeinschaft.
An den Eingängen sind jetzt zur Sicherheit Kameras installiert. Die
Bruttowarmmiete liegt immer noch bei bezahlbaren 7,50 Euro pro
Quadratmeter. „Wenn man nicht auf Altbauten und hohe Räume fixiert ist“, so
Ristow, „dann bieten diese Wohnblocks attraktive Möglichkeiten.“
Bei der Wohnungsgröße sind Kompromisse nötig: Im öffentlich geförderten
Mietwohnungsneubau in München und Hamburg, der sich an Leute mit
Mittelschichtseinkommen wendet, gelten etwa für Paare Obergrenzen von 60
bis 65 Quadratmetern. Manche flächenverwöhnten Berliner würden dies als
eine Art Wohnknast empfinden.
## Besonders dramatisch ist die Lage in München
Hartz-IV-Empfänger aber haben es in den Metropolen immer schwerer. Der
soziale Wohnungsbau aus früheren Jahren reicht schon lange nicht mehr aus,
um die Ärmsten aufzufangen. Tausende Sozialwohnungen fallen alljährlich aus
der öffentlichen Förderung. Folge: Die Miethöhe ist nicht mehr beschränkt,
Wohnungseigentümer können auf Neumieter mit höheren Einkommen hoffen.
Diese Entwicklung wird durch Neubau, etwa in Hamburg, nicht ausgeglichen.
Besonders dramatisch ist die Lage in München, wo 3.000 Leute in
Notunterkünften, Pensionen oder sonst wo untergebracht sind, weil sie
keinen bezahlbaren Wohnraum finden.
Wenn Sozialwohnungen nicht mehr öffentlich gefördert werden, kann dies für
die Bewohner dramatisch werden. Ein Beispiel dafür ist das Neue Kreuzberger
Zentrum in Berlin, ein riesiger Wohnblock aus den frühen 70er Jahren, in
dem viele Migranten leben.
## Von Kreuzberg nach Neukölln
Früher als sozialer Brennpunkt verschrien, gilt der Wohnkoloss heute als
multikultiges Heimatrevier mit urbanem Flair. Seitdem die Belegungsbindung
weg ist, steigen die Preise.
Die Jobcenter zahlen für die Hartz-IV-Empfänger aber nur etwa 400 Euro pro
Einpersonenhaushalt. Klettert die Warmmiete höher, müssen die Bewohner dies
vom schmalen Hartz-IV-Regelsatz von 382 Euro abzwacken.
Daher ziehen viele einkommensschwächere BerlinerInnen aus Kreuzberg in
Bezirke, die lange weniger beliebt waren – nach Neukölln zum Beispiel oder
Tempelhof. Der Linke-Sozialstadtrat Knut Mildner-Spindler berichtet: „Der
Wedding, das soll der neue Geheimtipp sein.“
1 Mar 2013
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
Barbara Dribbusch
## TAGS
Miete
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Mietpreise
Konsum
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Gentrifizierung
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