| # taz.de -- Futtermittelskandal in Milchbetrieben: Lebensmittel-Europol geforde… | |
| > Weit mehr Landwirte – 4467 – als bisher gedacht sind von mit Schimmelgift | |
| > verseuchtem Tierfutter betroffen. Milchbauern warnen vor Abbau von | |
| > Handelsschranken. | |
| Bild: Heute auf dem Teller: Heu, Mais und Rübenschnitzel – wahrscheinlich oh… | |
| BERLIN/KIEL dpa | Der Verband der Milchbauern in Schleswig-Holstein hat | |
| wegen des jüngsten Futtermittel-Skandals vor einem weiteren Abbau von | |
| Handelsschranken im Agrarsektor gewarnt. | |
| „Unsere Milch, die kontrolliert zu höchsten Standards erzeugt wird, muss | |
| dann mit Billigprodukten aus Ländern konkurrieren, in denen Umwelt- und | |
| Tierschutz und Lebensmittelsicherheit eine weitaus geringere Rolle | |
| spielen“, hieß es am Sonntag in einer Mitteilung des Bundesverbandes | |
| Deutscher Milchviehhalter BDM in Schleswig-Holstein. Zudem steige das | |
| Risiko, dass vergleichsweise billige Futtermittel und verarbeitete Produkte | |
| auf den europäischen Markt kommen, die unter ganz anderen Voraussetzungen | |
| erzeugt und verarbeitet würden. | |
| Unterdessen teilte das niedersächsische Landwirtschaftsministerium am | |
| Samstagabend mit, dass weit mehr Landwirte von dem Skandal betroffen seien | |
| als bisher bekannt. Die Zahl der betroffenen Betriebe steige vermutlich von | |
| 3560 auf 4467. Neue Milchviehbetriebe seien aber nicht hinzugekommen. | |
| Vorübergehend war sogar von 6457 Betrieben die Rede gewesen. | |
| Im Skandal um verseuchtes Tierfutter droht die Politik der Industrie mit | |
| Kontrollgebühren in Millionenhöhe. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse | |
| Aigner (CSU) und Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer | |
| (Grüne) brachten am Samstag solche Gebühren für stärkere Kontrollen ins | |
| Gespräch. Am Abend teilte das niedersächsische Landwirtschaftsministerium | |
| mit, dass weit mehr Landwirte von dem Skandal betroffen seien als bisher | |
| bekannt - korrigierte allerdings die zunächst genannte Zahl nach unten. | |
| Die niedersächsischen Behörden haben bei den untersuchten Milchproben nach | |
| eigenen Angaben bislang keine Auffälligkeiten entdeckt. Die Behörden | |
| stießen laut Ministerium auf ein weiteres Futtermittelunternehmen, das | |
| verseuchten Mais mit dem Schimmelgift Aflatoxin weitergeliefert habe. Damit | |
| steige die Zahl der betroffenen Betriebe vermutlich von 3560 auf 4467. Neue | |
| Milchviehbetriebe seien aber nicht hinzugekommen. Zuvor war von 6457 | |
| Betrieben die Rede gewesen. Diese Zahl sei jedoch auf Doppelnennungen hin | |
| überprüft und entsprechend korrigiert worden, hieß es. Ob auch Betriebe | |
| außerhalb Niedersachsens betroffen waren, stand zunächst nicht fest. | |
| ## Verspätete Zahlen | |
| Futtermittelhersteller hätten Vertriebslisten verspätet beim Land | |
| eingereicht, erklärte das Ministerium die Zahlen. Die Unternehmen hätten | |
| die Unterlagen bereits am Dienstag abgeben müssen - drei Firmen hätten das | |
| aber erst am späten Freitagnachmittag getan. Am Samstag seien 79 | |
| Milchproben untersucht worden. Der Grenzwert für das als krebserregend | |
| geltende Aflatoxin wurde laut Ministerium aber nirgends überschritten. Von | |
| bislang 19 amtlich untersuchten Futtermittelproben waren den Angaben | |
| zufolge jedoch 8 positiv, 11 lagen unterhalb des zulässigen Grenzwertes. | |
| Zu möglichen höheren Gebühren für die Industrie sagte der niedersächsische | |
| Landwirtschaftsminister dem Magazin Focus, dass der Staat 30 bis 50 | |
| Millionen Euro im Jahr sparen könne, wenn die Kosten der Wirtschaft in | |
| Rechnung gestellt würden. Aigner warf den Herstellern Versagen bei den | |
| Eigenkontrollen vor. „Es gab frühzeitig Hinweise von verschiedenen Seiten, | |
| doch diese wurden offenbar ignoriert.“ Die zuständigen Länderbehörden | |
| müssten „deutlich schärfer als bisher“ überwachen, ob die Unternehmen ih… | |
| Pflichten einhielten. „Wenn die Bundesländer ausreichende Kontrollen nicht | |
| leisten können, liegt es auf der Hand, die amtlichen Kontrollen in Zukunft | |
| stärker als bisher durch Gebühren zu finanzieren.“ | |
| Der Bundesrechnungshof habe festgestellt, dass die finanzielle und | |
| personelle Ausstattung der zuständigen Stellen in den Ländern oft | |
| unzureichend sei, sagte Aigner. „Kontrolle nach Kassenlage, das darf nicht | |
| sein." Aigners Kollege aus Niedersachsen forderte im Focus: „Wir brauchen | |
| mehr staatliche Kontrollen und mehr Personal.“ Foodwatch-Sprecher Martin | |
| Rücker sagte der Bund habe es gescheut, die Futtermittelindustrie zu | |
| systematischen Kontrollen zu verpflichten. „Wir haben bei | |
| Futtermittelkontrollen erhebliche Schwachstellen, die eigentlich auch | |
| bekannt sind.“ | |
| Am Freitag war bekanntgeworden, dass aus Serbien importierter Mais mit | |
| einem krebserregenden Schimmelpilz vergiftet ist. Der Mais wurde auch an | |
| Rinder verfüttert. Das Pilzgift Aflatoxin gelangte so in Milch. Besonders | |
| betroffen ist Niedersachsen, wo Hunderte Milchbetriebe vorsorglich gesperrt | |
| wurden. Erste Laborergebnisse aus gezielten Untersuchungen in Niedersachsen | |
| sollten möglicherweise noch am Samstagabend vorliegen. Futtermittel mit | |
| verseuchtem Mais wurden auch an wenige Höfe und Betriebe in andere | |
| Bundesländer geliefert. Bio-Betriebe sind nach ersten Erkenntnissen nicht | |
| betroffen. Der Generalsekretär des Bauernverbandes, Helmut Born, sieht die | |
| Schuld im gegenwärtigen Schimmelpilz-Skandal beim Importeur. | |
| „Schuld ist in Lebensmittel-Skandalen immer derjenige, der unmittelbar für | |
| das Produkt Verantwortung trägt“, sagte Born am Samstag. Im Fall des | |
| verseuchten Futtermaises habe ein großer Getreideimporteur offenbar eine | |
| große Charge Mais mit zu hohen Werten Aflatoxin in Serbien gekauft. Diese | |
| habe er an Futtermittelwerke weitergeliefert. „Das durfte er nicht. Das ist | |
| schlicht und einfach gesetzeswidrig.“ Für den Bundesverband der | |
| Lebensmittelkontrolleure ist es Zeit, den Bundesländern die Verantwortung | |
| für Lebensmittelkontrollen abzunehmen und die Kräfte zu bündeln, um die | |
| Probleme zentral angehen zu können. Der Verbandsvorsitzende Martin Müller | |
| forderte in der Passauer Neuen Presseeuropaweit intensivere Kontrollen von | |
| Lebensmitteln: „Wir brauchen eine Art Lebensmittel-Europol.“ | |
| Nach dem Alarm eines niedersächsischen Milchbauern aus dem Kreis Leer vom | |
| 5. Februar dauerte die Recherche nach Angaben des niedersächsischen | |
| Landwirtschaftsministeriums noch gut 14 Tage, bis eine Schiffsladung aus | |
| Brake an der Weser als Gefahrenquelle feststand. Am 22. Februar lagen | |
| demnach die Ergebnisse der amtlichen Tests vor, die eine Belastung der | |
| Sendung aus Serbien mit Aflatoxinen über der Höchstmenge belegten. Michael | |
| Kühne von der niedersächsischen Kontrollbehörde Laves sagte, die bisher | |
| entdeckten Werte in dem verschimmelten und damit giftigem Futter seien viel | |
| zu gering, als dass daraus über den Umweg der Kuh am Ende in einer | |
| Milchtüte eine Krebsgefahr für die Verbraucher entstehe. | |
| 3 Mar 2013 | |
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