# taz.de -- Verurteilung Dresdner Neonazigegner: Auf ganz schmaler Basis | |
> Ein Neonazigegner wurde wegen angeblichen Landfriedensbruchs hart | |
> verurteilt. Nun liegt die Begründung vor. Sie ist zweifelhaft. | |
Bild: Tim H. ist aus Sicht des Richters schuldig, weil er „die Menschenmenge … | |
DRESDEN taz | Ein Jahr und zehn Monate soll Tim H. nach dem Urteil des | |
Dresdner Amtsgerichtes ins Gefängnis, weil er bei den | |
Anti-Nazi-Demonstrationen vom 19. Februar 2011 angeblich schweren | |
Landfriedensbruch begangen hat. In der Dresdner Südvorstadt soll er mittels | |
Megafon zum Durchbruch durch eine Polizeisperre aufgerufen und diesen | |
koordiniert haben. | |
Doch die jetzt vorliegende Urteilsbegründung wirft mehr Fragen auf, als sie | |
Antworten gibt. „Es scheint, als ob das Gericht sein ziemlich knapp | |
geratenes Urteil selbst nicht besonders ernst nimmt“, kommentiert | |
Verteidiger Sven Richwin. Der Berliner Anwalt hatte nach der | |
Urteilsverkündung am 16. Januar schon von der beabsichtigten | |
„abschreckenden Wirkung“ auf die Demonstranten gegen den Nazi-Aufmarsch des | |
Jahrgangs 2013 gesprochen. Gegen das Urteil kam es zu Protestaktionen in | |
mehreren sächsischen Städten mit bis zu 500 Teilnehmern. | |
Zunächst einmal bleibt die Urteilsbegründung des Schöffengerichts eine | |
eindeutige Identifizierung des Angeklagten schuldig. Die meisten Zeugen | |
konnten sich nicht konkret an Tim H. erinnern. Auch die Polizeivideos | |
verhalfen nicht zu mehr Klarheit. | |
Der Hauptbelastungszeuge H., ein Anwohner, auf den sich die Anklageschrift | |
weitgehend stützte, verneinte sogar, dass Tim ins Megafon gebrüllt habe. | |
Dennoch genügte Richter Hans-Joachim Hlavka die Indizien – auffallende | |
Körpergröße des Beschuldigten und eine schwarze Jacke – um ihn als Täter … | |
verurteilen. | |
## Wer beschimpfte wen als „Nazischwein“? | |
Verteidiger Richwin kann der Begründung auch nicht entnehmen, „was mein | |
Mandant nun konkret gesagt haben soll“. Aufrufe wie „Durchbrechen“ sind | |
nicht belegt, ebenso wenig, ob es Tim war, der einen Polizisten als | |
„Nazischwein“ beschimpfte. In der Verhandlung, in der der Angeklagte | |
schwieg, war auf einem Polizeivideo lediglich der Ruf „Kommt nach vorn“ zu | |
hören. Ein Ruf, der bei den diesjährigen Gegendemonstrationen in ironischer | |
Weise vielfach gebraucht wurde. | |
Die Urteilbegründung wirft dem Angestellten der Bundesgeschäftsstelle der | |
Linken im zentralen Punkt vor, er habe vorsätzlich und mittels gefährlicher | |
Werkzeuge gemeinschaftlich andere Personen körperlich misshandelt. Bei dem | |
Durchbruch waren zwei Polizisten verletzt worden. | |
Einen Absatz später erklärt Richter Hlavka, Tim H. habe selbst keine | |
Gegenstände geworfen oder Körperverletzungshandlungen begangen. Er sei aber | |
schuldig, weil er „die Menschenmenge steuern und aufwiegeln“ wollte. | |
Bezeichnend ist auch der Hinweis darauf, dass H. beruflich als Organisator | |
und Koordinator von Aktionen gegen Rechtsextreme eingebunden sei. Die | |
ausdrückliche Erwähnung der „Unruhe in der Bevölkerung“ und der Kosten d… | |
Polizeieinsatzes erwecken den Eindruck, Gegendemonstranten wie Tim H. seien | |
verantwortlich für die Eskalationen um das jährliche Dresden-Gedenken an | |
den Bombenangriff von 1945. | |
Nicht nur die Verteidigung hat Berufung eingelegt, sondern auch die | |
Staatsanwaltschaft: ihr war das Urteil zu lasch. | |
5 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
Michael Bartsch | |
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