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# taz.de -- Inklusion in Bildungsinstitutionen: Sonderschulen bleiben voll
> Ein Viertel aller behinderten Schüler geht in eine normale Schule. Aber
> es gelten auch immer mehr Kinder als förderbedürftig.
Bild: Platz da! Auch Schüler im Rollstuhl besuchen Regelklassen.
BERLIN taz | Immer mehr Schüler mit Behinderung gehen gemeinsam mit
nichtbehinderten Kindern in eine Klasse – und trotzdem werden die
Sonderschulen nicht leerer. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die der
Essener Bildungsökonom Klaus Klemm für die private Bertelsmann-Stiftung
angefertigt hat. Ein Viertel aller Schülerinnen und Schüler mit
sonderpädagogischem Förderbedarf besuchen demnach Regelschulen. Im
Schuljahr 2008/2009 waren es 18,4 Prozent.
Trotzdem leiden die Sonderschulen nicht unter Schwund. 6,4 Prozent aller
SchülerInnen in Deutschland besuchen eine Förderschule, im Jahr 2000 waren
es nur 4,6 Prozent. Klemm hält das für ein gefährliches Signal: „Solange
das Doppelsystem aus Regel- und Förderschulen in der heutigen Form besteht,
ist erfolgreiche Inklusion schwierig, weil die Förderschulen jene
Ressourcen binden, die dringend für den gemeinsamen Unterricht benötigt
werden“, sagte er. Oder vereinfacht gesagt: Inklusion geschieht vor allem
dadurch, dass man mehr Kinder als FörderschülerInnen deklariert und nicht
dadurch, dass Sonderschulen geschlossen würden.
Zu dieser Vermutung passen die Befunde, die der Berliner Pädagogikprofessor
Ulf Preuss-Lausitz vor einigen Tagen präsentierte. Demnach werden verstärkt
die eher „weichen“ Behinderungen diagnostiziert. Im Jahr 2001 wurde 0,4
Prozent aller SchülerInnen ein „emotionaler und sozialer Förderbedarf“
attestiert. Im Jahr 2010 hatte sich der Anteil verdoppelt.
„Schulen werben über zusätzliche Inklusionskinder Ressourcen ein“, sagt
Klemm. „Es kann sein, dass sie deswegen geneigter sind, einen
sonderpädagogischen Förderbedarf zu diagnostizieren.“ Eine andere
Erklärung: Schulen waren in ihrer Förderdiagnose früher möglicherweise
zurückhaltender, weil sie Kinder vor dem Wechsel auf eine Sonderschule
bewahren wollten, so Klemm. Denn die Sonderschule gilt als
Bildungssackgasse: Drei Viertel der SchülerInnen verlässt sie ohne
Abschluss. Der Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), Sachsen-Anhalts
Schulminister Stephan Dorgerloh (SPD), plädiert dafür, falsche Anreize zu
vermeiden. „Wichtig ist, die Zuweisung von Ressourcen zu entkoppeln von der
Diagnostik“, sagte er der taz.
Dass in vielen Fällen keineswegs eindeutig ist, was als Behinderung gilt
und was nicht, zeigt auch der Ländervergleich. In Mecklenburg-Vorpommern
gelten 10,9 Prozent aller Schüler als förderbedürftig. In Rheinland-Pfalz
sind es dagegen nur 4,9 Prozent. Und selbst innerhalb einzelner Länder
variiert der Anteil der Schüler erheblich, denen eine Behinderung
bescheinigt wird. Laut KMK-Präsident Dorgerloh streben die Länder größere
Gemeinsamkeiten in der Diagnose an.
Unterschiede gibt es auch in der Frage, wie viele Förderschüler normale
Schulklassen besuchen. In Niedersachsen sind es 12,4 Prozent, in Bremen und
Berlin über 50 und in Schleswig-Holtstein 67,1 Prozent. Und: Von
Bildungsstufe zu Bildungsstufe sinkt der Inklusionsanteil. In den
Grundschulen liegt er bundesweit bei 39,2 Prozent, in den weiterführenden
Schulen nur noch bei 21 Prozent.
19 Mar 2013
## AUTOREN
Bernd Kramer
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