# taz.de -- Probleme mit der Inklusion: Jenseits der Belastungsgrenze | |
> Elf Grundschulen im Bremer Westen schlagen Alarm. Eine Verbesserung ist | |
> aber erst mittelfristig in Sicht, sagt die Bildungsbehörde | |
Bild: Viele Kinder - jetzt muss sie nur noch jemand unterrichten | |
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) spricht von einem | |
„bildungspolitischen Desaster“, die CDU von „eklatanten Missständen“ �… | |
die betroffenen Grundschulen schlicht von einer „Bestandsaufnahme“. Elf | |
ihrer DirektorInnen aus dem Bremer Westen haben sich jetzt zusammengetan, | |
um den Stand der 2009 eingeführten Inklusion zu bilanzieren. Das Ergebnis | |
ist in einem Brandbrief an die Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) | |
nachzulesen: Zuerst gab es erwartbare „Anfangs- und Anlaufschwierigkeiten“, | |
heißt es da – im Laufe der Zeit aber keine Verbesserung, sondern sogar | |
„eine Verschlechterung der Situation“. | |
Es fehlt vor allem an Personal. Das trifft alle SchülerInnen, nicht nur | |
jene mit erhöhten Förderbedarfen: „Wir haben große Sorge, dass alle Kinder | |
hinter ihren Möglichkeiten zurück bleiben müssen“, schreiben die | |
DirektorInnen. Für diese Entwicklung könnten sie keine Verantwortung | |
tragen. | |
„Ich kann dem nicht widersprechen“, sagt dazu die Inklusionsreferentin der | |
Bildungsbehörde . Die zuständige Senatorin will die Sorgen der | |
Grundschulleitungen „ernst nehmen“. Auch sei die Situation „sehr | |
bedauerlich“, erklärt sie. Eine Verbesserung ist aber erst „mittelfristig�… | |
in Sicht, erklärt Bogedan. | |
Vor vier Jahren gab es im Bremer Westen sieben sogenannte „Zentren für | |
unterstützende Pädagogik“ (ZUP), die für die Organisation und Planung der | |
Förderung zuständig sind. Heute gibt es aber laut Behörde an den elf | |
Grundschulen nur noch vier ZUP-Leitungen. Sie müssen mit SonderpädagogInnen | |
besetzt werden. „Es finden sich keine BewerberInnen“, so die Behörde, | |
SonderpädagogInnen seien „im gesamten Bundesgebiet sehr rar“. Es sei aber | |
gelungen, 23 Referendare für die Sonderpädagogik in Bremen und Bremerhaven | |
zu gewinnen. | |
Ansonsten verweist die Behörde auf den rot-grünen Koalitionsvertrag, der 20 | |
Stellen für die ZUP und die vier regionalen Beratungs- und | |
Unterstützungszentren (ReBuZ) festschreibt. Die wiederum sind für die | |
Diagnostik von SchülerInnen mit besonderen Bedarfen und die Beratung von | |
Eltern und Schulen zuständig. Nachdem die Fallzahlen von 3.046 im Jahre | |
2012 auf rund 5.000 in 2015 gestiegen sind, beschloss die Politik, die | |
ReBuz auf 68 Stellen aufzustocken. Derzeit, schreiben die DirektorInnen, | |
sind nicht einmal 50 besetzt. Und um „wirklich wirksam zu sein“, müssten | |
die Zentren doppelt so viele Leute haben, sagt die Leiterin des ReBuZ West, | |
Stefanie Höfer. Schon die angestiegenen Fallzahlen seien ein „Zeichen der | |
Überforderung der Schulen“, so Höfer. | |
Aus ihrer Sicht gibt es Maßnahmen, die auch kurzfristig helfen könnten: | |
Eine bessere Dotierung der ausgeschriebenen Stellen etwa, um sie | |
attraktiver zu machen, oder eine Entlastung der SonderpädagogInnen von | |
Vertretungsunterricht oder der fachfremden Aufgabe als KlassenlehrerInnen. | |
Schon wird überlegt, einen neuen Studiengang für Sonderpädagogik in Bremen | |
zu etablieren. An der Uni Bremen gibt es zwar einen Master-Studiengang | |
„Inklusion“ für LehrerInnen, der renommierte Studiengang für | |
Behindertenpädagogik an der Uni wurde aber vor Jahren abgewickelt, parallel | |
zur Einführung der Inklusion. Seitdem gibt es in Bremen nur noch eine | |
sonderpädagogische Ausbildung für das Grundschullehramt. | |
Mittlerweile sei die Personalsituation an den Grundschulen im Bremer Westen | |
so angespannt, dass die notwendige Förderung „nicht mehr in dem zustehenden | |
Maße erteilt werden kann“, heißt es in dem Brief. Die Folge: Die Kinder | |
könnten ihr Lernpotenzial nicht ausschöpfen, Auffälligkeiten entwickelten | |
sich zu Störungsbildern, LehrerInnen erkranken aufgrund der strukturellen | |
Überforderung. „Die Rahmenbedingungen für die Inklusion sind nicht | |
gegeben.“ | |
Anspruch und Wirklichkeit „stimmen in Bremen schon lange nicht mehr | |
überein“, sagt auch der Grundschulverband. Die LehrerInnen hielten die | |
Belastungen „erstaunlich lange aus“ – nun aber sei die Grenze deutlich | |
überschritten. „Die Ressourcen waren von Anfang an zu knapp“, so der | |
Verband. | |
GEW, CDU und Linkspartei fordern deshalb in den laufenden | |
Haushaltsverhandlungen deutlich mehr Geld für den Bildungsetat. Die | |
Gewerkschaft beziffert den Bedarf auf „zusätzlich mehr als 200 Stellen“. | |
Angestrebt werden müssten vier Stunden inklusive Förderung für zehn Prozent | |
der Schülerschaft – und nicht nur für 6,5 Prozent, wie es der offizielle | |
Entwicklungsplan vorsehe. Darüber hinaus fordert die GEW für die Schulen | |
weitaus mehr SozialarbeiterInnen, für die Unis größere Kapazitäten in der | |
Lehrerausbildung und für die AbsolventInnen eine Übernahmegarantie. | |
„Der Bremer Senat hat in den vergangenen Jahren alles dafür getan, die | |
Bedingungen an den Schulen unattraktiv bis kaum zumutbar zu gestalten“, | |
kritisiert die Linkspartei. Viele anfangs enthusiastische LehrerInnen seien | |
„enttäuscht“, manche hätten sich wegen der „unzureichenden Voraussetzun… | |
zurückgezogen. Auch sei fatal, dass die rot-grüne Koalition ausgerechnet | |
die Lehrerfortbildung auf die lange Bank geschoben und dann auch noch die | |
Entlastungsstunden reduziert habe. | |
7 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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