| # taz.de -- Integration in Baden-Württemberg: Lehrgeld einer SPD-Ministerin | |
| > Unter hohen Erwartungen startete Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) | |
| > in Baden-Württemberg ins Amt. Doch sie ist umstritten. | |
| Bild: Was hat sie erreicht? Bilkay Öney. | |
| STUTTGART taz | Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland mit einem | |
| eigenständigen Integrationsministerium. Doch wenn in diesen Tagen die für | |
| Integration zuständigen Landesminister zu einer Konferenz in Dresden | |
| zusammenkommen, steht ausgerechnet die baden-württembergische Vertreterin | |
| Bilkay Öney (SPD) bei einem Thema mit leeren Händen da: die Anerkennung | |
| ausländischer Berufsabschlüsse. | |
| Vor knapp einem Jahr war auf Bundesebene das Anerkennungsgesetz in Kraft | |
| getreten. Es soll helfen, die Chancen der MigrantInnen auf dem Arbeitsmarkt | |
| zu verbessern. Wie wichtig das ist, hatte Öney selbst Anfang 2012 betont. | |
| Als sie damals ihre politischen Schwerpunkte vorstellte, verwies sie auf | |
| den Fachkräftemangel. „Wir verschenken viel, wenn wir Leute als Putzkräfte | |
| arbeiten lassen, obwohl sie auch als Pflegekräfte arbeiten könnten.“ | |
| Da der Bund nur für einen Teil der Berufsabschlüsse zuständig ist (Ärzte | |
| und Handwerker), sollten dann auch die Länder nachziehen, die | |
| beispielsweise bei den Lehrern entscheiden. Wie die Stuttgarter Zeitung | |
| berichtet, haben dies inzwischen die meisten Bundesländer getan. Zumindest | |
| liege in jedem Bundesland ein Referentenentwurf vor, Grundlage für einen | |
| Gesetzestext. In Hamburg etwa trat bereits im August 2012 ein Gesetz in | |
| Kraft. | |
| In Baden-Württemberg hingegen verweist das Ministerium auf taz-Anfrage auf | |
| die umfangreichen Abstimmungen mit anderen Ministerien oder der Industrie- | |
| und Handelskammer hin, die noch nötig seien. Ein Arbeitsentwurf werde nun | |
| aber angefertigt. „Der Gesetzentwurf soll noch vor der Sommerpause beim | |
| Landtag eingebracht werden“, so das Ministerium. Dann wäre eine | |
| Verabschiedung im Herbst möglich. | |
| ## Einbürgerungspraxis wurde einfacher | |
| Die Zwischenbilanz von Öney fällt nach fast zwei Jahren Amtszeit gemischt | |
| aus. Ihr Budgettopf ist der kleinste im Gesamthaushalt. Für das Jahr 2013 | |
| wurden 92,6 Millionen Euro veranschlagt, wovon der Großteil in die Aufnahme | |
| und Unterbringung von Flüchtlingen fließt. Letztlich bleiben ihr zur | |
| Gestaltung 5 Millionen. | |
| Was sie mit ihrem Mini-Etat umsetzen kann, ging Öney zunächst schnell an. | |
| Sie hat dafür gesorgt, dass die Einbürgerungspraxis einfacher wird. Zudem | |
| initiierte sie in ihrem ersten Amtsjahr einen „Runden Tisch Islam“ und | |
| startete eine Einbürgerungskampagne. | |
| Doch in die Schlagzeilen gerät sie immer wieder mit irritierenden und | |
| unglücklichen Aussagen, die sie anschließend klarstellen muss. „Mit | |
| Ministerin Öney verbindet mich: Wir sind beide im Verein für klare Worte“, | |
| sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) einmal. Das setze aber | |
| voraus, dass nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werde. Doch genau | |
| das wird bei einer Integrationsministerin, die weniger finanziell als viel | |
| mehr symbolisch wirken kann und muss, natürlich erst recht getan. Für die | |
| schwarz-gelbe Opposition ein gefundenes Fressen. Sie merkte schnell, dass | |
| die Regierung an dieser Stelle angreifbar ist, und kritisierte immer | |
| wieder, dass Öney nicht ministrabel sei. | |
| Erst machte sie den Fehler, in einem Gespräch mit einem Journalisten nicht | |
| zwischen öffentlichen und privaten Aussagen zu unterscheiden. Dann äußerte | |
| sich Öney in einer Diskussionsrunde der Alevitischen Gemeinde zur | |
| NSU-Mordserie und den Einsatz von verdeckten Ermittlern und dubiosen | |
| V-Leuten mit dem Satz: „Den ’tiefen Staat‘ gibt es auch in Deutschland.“ | |
| ## Jetzt ist sie viel im Land unterwegs | |
| In der Türkei steht der Begriff „tiefer Staat“ für die Verflechtung von | |
| Polizei und Geheimdiensten mit dem organisierten Verbrechen und | |
| rechtsextremen Gruppen. Heikel an diesem Vergleich ist, dass das Spektrum | |
| dieser Verstrickungen vom bloßen Wegschauen über die aktive Duldung bis hin | |
| zu gezielten Auftragsmorden reichen kann. | |
| Inzwischen ist Öney im Umgang mit JournalistInnen deutlich zurückhaltender | |
| und in der Landespresse wenig präsent. Oft ist sie im Land unterwegs und | |
| damit fernab des politischen Betriebs der Landeshauptstadt. „Das ist auch | |
| richtig und wichtig“, sagt der Sprecher von Vizeministerpräsident Nils | |
| Schmid (SPD), der sie nach Stuttgart holte. „Integration spielt sich | |
| schließlich nicht nur im Stuttgarter Talkessel ab.“ | |
| 21 Mar 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Nadine Michel | |
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