# taz.de -- Zypern und die Russen: Was sie an der Insel lieben | |
> Sie interessieren sich fürs zyprische Gas, leben auf der Insel oder | |
> parken ihr Geld dort. Zypern ist die Trauminsel der Russen. | |
Bild: Urlaubsparadies: Protaras auf Zypern. | |
MOSKAU taz | Eigentlich hatte Zyperns Finanzminister Michalis Sarris in | |
Moskau bleiben wollen, bis eine Lösung für die Schuldenkrise der | |
Mittelmeerinsel gefunden sei. Das zumindest sagte er noch bei seiner | |
Anreise am vergangenen Dienstag. Doch am Freitag in aller Frühe verließ | |
Sarris quasi durch den Hinterausgang unverrichteter Dinge die russische | |
Hauptstadt. | |
Moskaus Finanzminister Anton Siluanow kommentierte den Abbruch der | |
Gespräche mit mangelndem Interesse. Seitens der Investoren gebe es „kein | |
Interesse“, sagte Siluanow fast ein wenig zu demonstrativ. | |
Nikosia hatte Beteiligungen im Energie- und Bankensektor vorgeschlagen. | |
Bislang brannte Russlands Energiewirtschaft darauf, bei der Ausbeutung der | |
Gasvorkommen vor der zyprischen Küste eine Hauptrolle zu übernehmen. Es | |
geht den „Gasowiki“ dabei nicht nur um ein profitables Geschäft, sondern um | |
eine strategische Positionierung, die die Abhängigkeit Europas vom | |
russischen Gas langfristig sichern helfen soll. Russland pokert daher und | |
treibt den Preis für seine Hilfe in die Höhe. | |
Nicht nur Zypern steht finanziell unter Duck, auch die EU gehört zu den | |
Verlierern. „Moskau ist die Gelegenheit geschenkt worden, bei einer | |
sensiblen inneren EU-Angelegenheit ein Wörtchen mitzureden“, meint ein | |
westlicher Diplomat. | |
Russland betreibt eine Realpolitik, die auf den ersten Blick den sonst eher | |
engen und herzlichen Beziehungen der beiden Länder widerspricht. Seit | |
Russlands Bürger nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 wieder reisen | |
dürfen, zählte die Mittelmeerinsel zu den beliebtesten Urlaubszielen. | |
Zunächst kamen neugierige Touristen, bald folgten aber auch Emigranten, die | |
sich für immer auf der Insel niederließen. | |
## Lange Zeit war kein Visum nötig | |
Mehr als 50.000 Russen leben in Zypern. Das sind jene, die dort offiziell | |
ihren Wohnsitz anmeldeten. Inoffiziell dürften es noch weit mehr sein. Im | |
Unterschied zu anderen europäischen Ländern und auch zum Mutterland Hellas | |
verlangte Nikosia von den Exsowjetbürgern lange Zeit kein Visum. | |
Anfang der 1990er Jahre setzte überdies eine Ausreisewelle der im | |
russischen Herrschaftsbereich lebenden Russlandgriechen ein. | |
Hunderttausende Pontos-Griechen, die am östlichen Schwarzen Meer und im | |
bergigen Hinterland siedelten, zog es damals nach Griechenland. Viele | |
wanderten von dort später weiter nach Zypern. | |
Die Nähe zu Moskau reicht indes schon in die 1970er Jahre zurück. Nach der | |
türkischen Besetzung des nördlichen Teils der Insel 1974 machte sich die | |
UdSSR zum Anwalt zyprischer Interessen auf der internationalen Bühne. Es | |
setzte sich im Sicherheitsrat der UNO für Nikosia ein und ergriff Partei | |
gegen den Gegner und das Nato-Mitglied Türkei. Zypern zeigte sich dankbar | |
und orderte Ende der 1990er Jahre russische Boden-Luft-Raketen des Typs | |
S-300. | |
Auch die Sowjetunion ließ sich nicht lumpen. Tausende Zyprer studierten | |
damals an russischen Hochschulen. Einer von ihnen war der Kommunist und | |
Expräsident Dimitris Christofias, der das Land bis zur Präsidentschaftswahl | |
im Februar führte. Christofias ist nur einer unter vielen, die, in Moskau | |
ausgebildet, der heutigen Führungsschicht angehören. | |
Auch Limassols Bürgermeister Andreas Christou verbrachte einige Jahre in | |
Russland. Inzwischen stellen die Russen in „Limassolograd“, wie sie es | |
nennen, mehr als 40 Prozent der Einwohner. Es ist die Hauptstadt des | |
russischen Zypern. Die kommunistische Partei Akel pflegt überdies noch | |
immer enge Bande zur russischen Mutter. Wie die russische KP trägt auch sie | |
Marx nur noch als Maskottchen im Emblem. | |
Ohne die Entwicklung zum Steuer- und Offshore-Paradies wäre Zypern | |
sicherlich nicht zur russischen Trauminsel aufgestiegen. Neun von zehn | |
russischen Großunternehmen wickeln zumindest einen Teil der Geschäfte über | |
dortige Niederlassungen ab. Aber auch mindest 10 Prozent der kleineren | |
Firmen mit Gewinnen bis zu einer Million Dollar sind laut Forbes vertreten. | |
## Alle führenden Öl-, Metall- und Finanzbarone haben eine Dependance | |
Die Liste der russischen Giganten liest sich wie ein Who is who der | |
russischen Oligarchie. Auch Wladimir Putins Protegé Roman Abramowitsch, der | |
in London lebt, steuert sein Imperium über Zypern – ebenso wie der | |
Milliardär Michail Prochorow, der als Präsidentschaftskandidat letztes Jahr | |
gegen Putin antrat. Alle führenden Öl-, Metall- und Finanzbarone halten | |
sich eine zyprische Dependance. | |
Insgesamt flossen zwischen 1990 und 2010 800 Milliarden Dollar aus Russland | |
in Steuerparadiese. „Der klassische Weg der Geldwäsche aus kriminellen | |
Geschäften führt zunächst in die Karibik und von dort nach Zypern“, | |
ermittelte das Magazin Profil. | |
Moskau war aufgebracht über die von der EU geplante Sparerzwangsabgabe, da | |
es nicht informiert worden war und staatliche Einrichtungen betroffen sind. | |
Auch Oligarchen wären Leidtragende, auf deren Loyalität Putin angewiesen | |
ist. Der Kremlchef steht vor einem Dilemma. Angeblich will er die | |
Offshore-Praxis eindämmen und mehr Transparenz einfordern. Dazu bräuchte er | |
aber den Geheimdienst. Der aber dürfte als Großunternehmer oder kollektiver | |
Oligarch kein Interesse haben. | |
22 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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