| # taz.de -- Serbien und Kosovo verhandeln: Serbien vor schwerer Entscheidung | |
| > Serbien steht vor einem Dilemma: Den Kosovo behalten oder den EU-Beitritt | |
| > anstreben? Beides geht nicht mehr. Nun muss sich das Land entscheiden. | |
| Bild: Werden Belgrad und Prishtina getrennte Wege gehen? | |
| BELGRAD taz | Diesen Dienstag beginnt in Brüssel die achte Runde des | |
| Dialogs zwischen Serbien und Kosovo, den die EU-Chefdiplomatin Catherine | |
| Ashton betreut. Viele meinen, dass dieses Treffen zwischen dem serbischen | |
| und dem kosovarischen Ministerpräsidenten, Ivica Dacic und Hashim Thaci, | |
| entscheidend sei für die Normalisierung der Beziehungen der einstigen | |
| Kriegsparteien und die Einbindung Serbiens in die EU. | |
| Denn, nur wenn es zu einer Einigung kommt, wird die EU-Kommission am 16. | |
| April einen positiven Bericht über den Beginn der Beitrittsverhandlungen | |
| mit Serbien verabschieden. Sollte dies nicht geschehen, könnten die Serben, | |
| die die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkennen, die Lust am „bösen | |
| Spiel“ verlieren. | |
| So einiges wurde bisher schon vereinbart, zum Beispiel die Zollregelung und | |
| die gemeinsame Verwaltung der Grenze (in Belgrad spricht man von einer | |
| „administrativen Trennlinie“). Die EU-Funktionäre lobten den Fortschritt. | |
| Doch nun liegt der für Serbien härteste Brocken auf dem Verhandlungstisch: | |
| Brüssel, allen voran die deutsche Bundesregierung, fordert die Auflösung | |
| serbischer, von Belgrad finanzierter Parallelinstitutionen im mehrheitlich | |
| von Serben bewohnten Nordkosovo. Die serbische Regierung gab nach, will | |
| diese durch einen Bund in das kosovarische System eingebundener serbischer | |
| Gemeinden ersetzen, die allerdings gewisse legislative und exekutive | |
| Vollmachten hätten. | |
| Doch Prishtina lehnt das entschieden ab, will lediglich eine Assoziation | |
| der Serben im Rahmen der vorhandenen Gemeindestruktur zulassen – eine Art | |
| serbischer Nichtregierungsorganisation. Eine „dritte Machtebene“ werde man | |
| schlicht und einfach nicht akzeptieren, verkündet Kosovos | |
| Ministerpräsident, Hashim Thaci. | |
| ## EU oder Kosovo? | |
| Von „elf Tagen Hölle“ spricht Serbiens Vizepremier und | |
| Verteidigungsminister Aleksandar Vucic. Er meint damit die Zeit zwischen | |
| der siebenten und achten Runde im Dialogprozess, die Zwickmühle, in der | |
| sich Serbien in der Kosovo-Frage befindet. Einerseits will Serbien in die | |
| Europäische Union – andererseits aber auch Kosovo, die „heilige serbische | |
| Erde“, die Wiege des Serbentums, nicht aufgeben. Beides aber – das sieht | |
| man auch in Belgrad immer deutlicher – wird man nicht haben können. Damit | |
| stehen aber die Grundpfeiler serbischer Außenpolitik in den letzten Jahren | |
| auf dem Spiel, denn die beruhte auf der Devise „Kosovo und Europa“. | |
| Zwar fordert Brüssel von Belgrad auch jetzt nicht direkt, das Kosovo | |
| anzuerkennen, doch der europäische Integrationsprozess wird vom Westen mit | |
| serbischen Zugeständnissen bedingt, die de facto die Unabhängigkeit des | |
| Kosovo konsolidieren. | |
| Die Belgrader Staatsspitze beteuert unisono, dass Serbien nicht weiter | |
| nachgeben könne. Die serbische Regierung stelle „minimale Ansprüche“, | |
| erklärt etwa Ministerpräsident Dacic. Er gibt sich enttäuscht, dass EU und | |
| US-Regierung „gar keinen Druck“ auf Prishtina ausüben, „auch nur ein wen… | |
| nachzugeben“, sondern ausschließlich von Belgrad fordern, das „Inakzeptable | |
| zu akzeptieren“. Dacic beklagte sich, dass Serbien keine einflussreichen | |
| Verbündeten im Westen bezüglich des Kosovo habe. Ein voll ins kosovarische | |
| System eingebundener serbischer Gemeindebund ohne etliche legislative und | |
| exekutive Vollmachten käme für Belgrad einer Kapitulation gleich. | |
| ## „Hochverrat“ in Belgrad? | |
| In der serbischen Hauptstadt folgt eine Sondersitzung der anderen. Es | |
| herrscht die Stimmung eines nationalen Dramas. Politiker warnen, dass | |
| Serbien nach einem negativen Ausgang von seinem europäischen Kurs abkommen | |
| könnte, man spricht vom Nationalstolz, von Neuwahlen. Die Kosovo-Serben | |
| wittern „Hochverrat“ in Belgrad. | |
| Staatspräsident Tomislav Nikolic, Dacic und Vucic haben begonnen, die | |
| Schuld für ein eventuelles Scheitern der ersehnten Beitrittsverhandlungen | |
| bis zum Jahresende einander zuzuschieben. Belgrader Medien berichten, dass | |
| sich Brüssel und Washington an Vizepremier Vucic gewandt hätten, der | |
| nächsten Dialogrunde beizuwohnen. Denn acht Monate nach der | |
| Regierungsbildung ist er eindeutig der starke Mann Serbiens; allein er | |
| hätte die notwendige Autorität, um das Dilemma im europäischen Sinne zu | |
| lösen. | |
| 2 Apr 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Andrej Ivanji | |
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