# taz.de -- Die Wahrheit: Café Olé mit dem Märzenkalbl | |
> Die Kellnerin hörte nicht die französische Version, sondern einen | |
> stierkampfaffinen Café Olé heraus, worunter sie Kaffee mit einer Portion | |
> 43er verstand | |
Bild: Milch – Das weiße Gift. | |
Merkwürdige Einkaufszettel von Unbekannten aufzuklauben, ist kein | |
Kunststück. Mehr Aufwand erfordert es, das bekritzelte Papier zu einer | |
Geschichte zu entfalten. So etwa? | |
Am 3. März geriet mir im Supermarkt ums Eck ein unausgefüllter Verzehrbon | |
samt Werbedruck für Herforder Pils in die Finger. Auf dem Blatt war in | |
maskuliner Schrift ein Anliegen eingetragen, dem eine gewisse Dringlichkeit | |
innewohnte: „bitte Wodka & Jägermeister / 43er kaufen!“ | |
Der von dem Anonymus gewünschte 43er – der Likör heißt im spanischen | |
Original „Cuarenta y Tres“ – begegnete mir ein weiteres Mal Ende März, | |
irrtümlich gewissermaßen, als ich in einem Lokal nach Blick in die | |
Getränkekarte einen Café au lait bestellte. Die Karte hatte die neue | |
Kellnerin offenkundig bislang missachtet. Sie hörte nicht die französische | |
Version, sondern einen stierkampfaffinen Café Olé heraus, worunter sie | |
Kaffee mit einer Portion 43er verstand. Und dies servierte. | |
Ich ließ das Schicksal walten, mir das Gebräu schmecken und grübelte, ob | |
diese spektakulären Korrespondenzen in mein Dossier über den sonderbar | |
frostigen März einzuspeisen wären. Zumal meine Freundin am 4.3. Geburtstag | |
hat. In Anflügen magischen Denkens stoßen wir hin und wieder mit einem 43er | |
an. | |
In diesem Trägheitsmoment rastete im Gedächtnis die „Repeat“-Taste an ein… | |
bestimmten Position ein. Ein mehr als zehn Jahre altes Zitat warnte davor, | |
Ende Februar, Anfang März davon auszugehen, der harte Winter sei endgültig | |
vergangen: „Man glaubt, es ist schön und gesund draußen“, schreibt der | |
Realitätenvermittler Karl Hennetmair in seinem Buch „Ein Jahr mit Thomas | |
Bernhard“, – „aber bei uns haben die Mütter die Kinder im Zimmer gehalten | |
und ihnen gedroht, draußen werde sie das Märzenkalbl erwischen.“ | |
Ob die Kellnerin als Nächstes einen weiteren Café Olé oder einen Café au | |
lait servierte, ist mir entfallen, so ausgiebig spintisierte ich; weniger | |
vom Märzenkalbl aus, als von dem österreichischen Ausdruck | |
Realitätenvermittler für einen Immobilienmakler. Denn dem entsprechend | |
müsste es im Umkehrschluss einen Irrealitätenvermittler geben. Der handelt | |
nicht mit Immobilien, sondern, sagen wir, mit Möbeln. Oder mit | |
Traumbildern, Phantastereien? Auch diese synaptische Abschweifung schien | |
von Erinnerungsfragmenten infiziert worden zu sein. Wie auch anders? | |
Um sich solch nichtigen Fragen entgegen zu stemmen, bedurfte es eines | |
Befreiungsschlags, einer Erleuchtung. Die sich heranschlich, nachdem ich zu | |
guter Letzt Hochprozentiges geordert hatte. Es galt Nützliches, | |
Verwertbares zu erzeugen, um die März-Akte abzuschließen. | |
Siehe da, es ergab sich ein Zweizeiler, den ich zugleich dem ab- und | |
ausschweifenden Autor Jean Paul widmete, dessen 250. Geburtstag sich dieser | |
Tage jährte: „Mancher bepackt das Leben mit der Suche nach Sinn / Besser | |
wirkt überwiegend ein doppelter Gin“. Lieber Unsinn als Sinn, immerhin. Ich | |
zahlte und schritt zuversichtlich dem sehr frostigen 1. April entgegen. | |
2 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Dietrich zur Nedden | |
## TAGS | |
Supermarkt | |
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