# taz.de -- Die Wahrheit: Carpe motherfuckin’ diem, SPD! | |
> „Die SPD ist nicht tot, sie riecht nur komisch.“ Herr K. hatte seine | |
> Hypothese probehalber in die zwanglose Runde geworfen ... | |
Bild: ... und nach dem Aussteigen immer links ums Auto gehen. | |
„Die SPD ist nicht tot, sie riecht nur komisch.“ Herr K. hatte seine | |
Hypothese probehalber in die zwanglose Runde geworfen, die sich im | |
parkähnlichen Hinterhof zufällig gebildet hatte. | |
Tatsächlich handelte es sich nicht um eine Runde, sondern um ein Trio. Herr | |
K. aus der Mansarde rechts, Frau B. aus dem Erdgeschoss links und ich – | |
bisweilen überschneiden sich unsere Kreise oder berühren sich. | |
Eh man sichs versah, hatte B. handliche Biere geholt. Seit ihr Mann ein | |
Geländerstück ihres Balkons gekappt und diesen durch paar Stufen mit dem | |
Garten verbunden hatte, brauchten sie noch weniger Schritte. | |
„Carpe motherfuckin’ diem, Nachbarn“, sagte ich, als wir es uns in den | |
Klappsesseln gemütlich gemacht hatten. Ich meinte, mit dem Trinkspruch | |
irgendeine Fernsehserie zu zitieren, ließ es jedoch bei der Unwissenheit | |
bewenden. | |
Anders ging es mir mit dem Eingangssatz von Herrn K., der über die SPD. Ich | |
kannte die Originalversion von Frank Zappa. Er hatte seinerzeit verlauten | |
lassen, Jazz sei nicht tot, rieche bloß komisch. | |
Frau B. wiederum – ihr Mann sitzt für die SPD an vorderster Front im | |
Bezirksrat –, empfand K.s Satz als ein „billiges Bonmot“, das die „Müh… | |
der Ebene“ ins Lächerliche schleudere. | |
Als sich die Sonne hinter einer dicken Wolke versteckte, erlaubte ich mir | |
die Bemerkung, immerhin habe Rot-Grün seinerzeit eine Spielart des offenen | |
Strafvollzugs namens Hartz IV eingerichtet. Frau B. überhörte es, eilte zum | |
Balkon und kehrte mit ihrem iPad bewaffnet zurück: „Woll’n wir doch mal | |
sehn, seit wann die SPD müffelt.“ | |
„Wie denn jetzt?“, murrte Herr K., dessen profunde Eitelkeit ins Wanken | |
geriet. Er dachte, diese Variante zu Zappas Jazz-Bashing vorhin geschaffen | |
und damit gleichsam das Urheberrecht darauf zu haben. | |
Mitnichten, wie sich herausstellte. Auf Zeit online beginnt ein | |
Leserkommentar, erschienen im Juni 2007, mit ebender Zeile. Sich als | |
origineller Kopf zu verstehen, fußt auf einem Mangel an Recherche oder auf | |
der Bildungslücke, dass Ausleihen und Klauen unvermeidlich sind. | |
Frau B. triumphierte ob des Resultats und sagte: „Totgesagte leben länger.“ | |
Um zu kontern, stellte ich die Frage, inwieweit die Dauer des Untotsein von | |
Zombies in Jahreszahlen zu rechnen wäre, und fügte protzig hinzu: „Ich | |
meine, ob die SPD seit 2007 oder seit dem Verrat der Novemberrevolution | |
riecht, sei dahingestellt.“ | |
Statt darauf zu reagieren, stieg K. hinauf zu seiner Mansarde und holte | |
frische Biere. Frau B. und ich schwiegen derweil, sie, weil sie weiter | |
umherklickte, ich, um jetzt die kargen episodischen Sonnenstrahlen | |
einzuatmen. Als K. zurückkam, hatte B. einen weiteren Pfeil im Köcher: „Es | |
hat sich natürlich weit verzweigt. Nicht tot, aber komisch riechend sind | |
laut diverser Suchmaschinen Zeitungen, Werbung, Datenschutz, Google Plus, | |
Euro, Bücher, Klassik, traditionelle Malerei und – wer sonst? – Gott. | |
„Vielleicht auch Pointen“, sagte K. eher zu sich selbst, doch vernehmlich. | |
Der letzte Punkt ging an ihn. | |
2 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Dietrich zur Nedden | |
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