# taz.de -- Konferenz zur Medienreform in den USA: Jenseits der Monopole | |
> Nur wenige Unternehmen bestimmen den Fluss von Nachrichten und | |
> Unterhaltung – ob auf Papier oder im Netz. Alternative Anbieter suchen | |
> nun staatliche Hilfe. | |
Bild: Noch gibt es sie: Zeitungen in den USA. | |
WASHINGTON taz | In Los Angeles, wo er bereits zwei Fernsehsender besitzt, | |
will Rupert Murdoch auch die größte Zeitung der Stadt – die Los Angeles | |
Times – erwerben. US-weit versuchen die wenigen Giganten im privaten | |
Telekommunikationsgeschäft mithilfe der Abgeordneten und der Gerichte in | |
den Bundesstaaten zu verhindern, dass kommunale Breitbandzugänge als | |
öffentlicher Dienst eingerichtet werden. Und in Dutzenden von Städten | |
stehen die letzten gedruckten Tageszeitungen kurz vor dem Aus. | |
In dieser Gemengelage auf dem größten Medienmarkt der Welt haben 2.000 | |
Teilnehmer der „[1][Nationalen Konferenz für Medienreform]“ am Wochenende | |
auf Einladung der Gruppe „Free Press“ in Denver, Colorado, nach | |
Alternativen gesucht. Unter ihnen Journalisten, Forscher und Politiker, die | |
für alternative Medien und linke Lobby-Gruppen arbeiten. | |
Für sie ist Medienvielfalt eine Grundbedingung für das Funktionieren einer | |
Demokratie. Sie konstatieren, dass längst tiefe Lücken bei der | |
Berichterstattung über zentrale Themen in den USA klaffen. Vom Krieg über | |
Bürgerrechte bis hin zur Umwelt. Unterrepräsentiert sind auch die | |
„Minderheiten“, die schon in zwei Jahrzehnten die Mehrheit der | |
US-Bevölkerung stellen werden. | |
Sie kommen in Medien – wenn überhaupt – häufig als Stereotype vor: Latinos | |
als Papierlose, Afroamerikaner als Straffällige, Indianer als Alkoholiker. | |
„Wir müssen weg von der Konzentration“, sagt Buchautor Joseph Torres: „W… | |
brauchen Diversität im Eigentum“. Gegenwärtig befinden sich nur 2,2 Prozent | |
der Medien in den Händen von „Minderheiten“. | |
Susan Crawford, ehemals Technologie-Beraterin für Barack Obama im Weißen | |
Haus, beschreibt in Denver eine weitere Aufgabe für die alternativen | |
Medienmacher. Die Deregulierung des High-Speed-Breitbandmarktes sei „zum | |
Nachteil der amerikanischen Öffentlichkeit – insbesondere von Armen und | |
Minderheiten“, geschehen, sagt sie. Anstatt dafür zu sorgen, dass jeder | |
Bürger einen Zugang zu einer Internetverbindung zu einem akzeptablen Preis | |
bekomme, sei die Industriepolitik wie eine Empfehlung, Aktien der | |
Kabel-Unternehmen zu kaufen. | |
„Das Land hat keinen föderalen Plan für die Zukunft,“, beklagt sie in | |
Denver und listet auf, was geschehen müsste, um mehr Wettbewerb und | |
Kontrolle auf den Markt zu bringen: Darunter die Verlagerung der | |
Telefon-und Zeitungsvertriebs-Subventionen zum Breitband, die Schaffung von | |
kommunalen Glasfaserkabelnetzen, sowie die Stärkung der | |
Medienaufsichtsbehörde FCC. | |
## Traditionelle Massenmedien verlieren Werbeeinnahmen | |
Die traditionelle Haupteinnahmequelle der US-Medien – Werbung – spielt bei | |
den Debatten in Denver keine Rolle mehr. Die Werbebranche wendet sich ab | |
von den Massenmedien. Statt an das große Publikum richtet die Branche ihre | |
Werbung direkt an potenzielle Kunden. Dank intensiver Datensammlung im | |
Internet, weiß sie, wer gerade über einen Autokauf nachdenkt, oder sensibel | |
für Urlaubswerbung ist. | |
Zum Ersatz für die Werbeeinnahmen denken die Versammelten in Denver | |
einerseits über staatliche Beihilfen nach und andererseits über private | |
Finanzierungsmodelle. Unter anderem kommt der Vorschlag, Gutscheine | |
einzuführen. Einzelpersonen oder ganze Stadtteile könnten sie erwerben, um | |
damit jedes Jahr aufs neue ein nicht kommerzielles Medium ihrer Wahl | |
finanziell fördern. | |
Darüber, dass die Kartelle im Internet und bei den Medien zerschlagen | |
werden müssen, herrscht in Denver Konsens. „Es gibt nur zwei Themen, die | |
alle anderen beherrschen“, erklärt der Journalist David Sirota: „Geld und | |
Politik. Und Medien und Politik“. Aber die Papierzeitung ist eine | |
Generationenfrage. Die jüngeren Teilnehmer lesen kein Papier, sondern | |
orientieren sich auf Blogs, Internetmagazinen, Radio und Fernsehen. | |
## Riesige Monopole | |
Ältere KonferenzteilnehmerInnen hingegen warnen vor Illusionen über das | |
Internet. Bei dem „Kollaps der Medienindustrie“, so erinnert Gewerkschafter | |
Bernie Lunzer von der „Newspaper Guild“, sind in nur 10 Jahren bereits | |
40.000, „vielleicht auch 50.000“ Arbeitsplätze vernichtet worden. Es gebe | |
zwar „wunderbare neue Dinge“, fügt er hinzu, jedoch nichts, das auch nur | |
annähernd die alten Lücken füllt. | |
Der Kommunikationsforscher Robert McChesney von der Universität Illinois | |
beschreibt, dass die anfängliche Idylle im Internet – als eine | |
„nicht-kommerzielle Oase“, längst komplett auf den Kopf gestellt worden | |
ist. Heute sei das Internet „zu dem historisch größten Generator von | |
Monopolen“ geworden. Sowohl beim Zugang zum Internet (AT&T, Verizon, | |
Comcast), als auch bei bei der Internetnutzung (Google, Facebook, Apple, | |
Amazon) seien „riesige Monopole, mit immenser Macht entstanden, die eng mit | |
der Regierung, der Sicherheitsdiensten und dem Militär zusammenarbeiten“. | |
Eine Hoffnung der alternativen Medienmacher richtet sich auf die Vakanz an | |
der Spitze der der Medienkontrollbehörde FCC (Federal Communications | |
Commission). Deren Chef Julius Genachowski ist Ende März zurückgetreten. | |
Bei ihm hatte zuletzt auch Murdoch versucht, Stimmung zugunsten seines | |
Zeitungskaufs in Los Angeles zu machen. | |
Murdochs Argument: Regeln gegen marktbeherrschende Monopole auf | |
Medienmärkten seien ein „Relikt der Vergangenheit“. In Denver sehen die | |
linken Medienmacher das anders. Sie wollen künftig eine starke Person an | |
der Spitze der Behörde haben. „Jemanden, der tatsächlich einen öffentlichen | |
Dienst leistet“, sagt „Free Press“-Präsident Craig Aaron, „mit der nö… | |
Macht, um gegen Industriegiganten aufzustehen.“ | |
8 Apr 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://conference.freepress.net/ncmr-2013 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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