# taz.de -- Fernsehen in Nordkorea: Kreischende Furien um 19 Uhr | |
> Nirgendwo tragen Nachrichtensprecherinnen Meldungen so leidenschaftlich | |
> vor wie in Nordkorea. Und wenn es der Anlass gebührt, brechen sie auch | |
> schon mal in Tränen aus. | |
Bild: Ausrasten ganz in Orange: Sprecherin in Nordkoreas Staatsender. | |
PEKING taz | Wer es gewohnt ist, nach einem anstrengenden Arbeitstag die | |
abendlichen Nachrichten für ein kurzes Nickerchen zu nutzen, der sollte auf | |
keinen Nordkoreas Staatssender einschalten. Denn die Sprecherinnen tragen | |
die Nachrichten nicht nur einfach vor. Sie werden ausgeschrien. | |
Mit bösem Blick und in schimpfendem Tonfall verkündete etwa in diesen Tagen | |
die Sprecherin der 19-Uhr-Nachrichten, dass „die Führung der Demokratischen | |
Volksrepublik Korea sich von den Tiraden der Imperialisten nicht | |
einschüchtern lassen“ werde. Bis zum bitteren Ende werde Nordkorea die USA | |
und Südkorea bekämpfen. | |
Beim letzten Wort hebt sie kämpferisch die Faust. Wenn der geliebte Führer | |
Kim fällt, wird die ganze Welt untergehen. Im nächsten Moment senkt sich | |
ihr Tonfall, sie wird ruhig, ja geradezu liebevoll. Aber dazu werde es | |
natürlich nicht kommen, haucht sie. „Kim hält die schützende Hand über | |
uns.“ | |
Nirgendwo auf der Welt werden Nachrichten so leidenschaftlich vorgetragen | |
wie im nordkoreanischen Staatssender KCT. Legendär ist die | |
Nachrichtensprecherin [1][Ri Chun Hee,] auch als „Tante Ri“ bekannt. Bis | |
2012 hatte sie mit ihrer sonoren Stimme 37 Jahre lang Nachrichten | |
vorgetragen. Wenn sie über das verfeindete Südkorea berichtete, bäumte sie | |
sich mit ihrem rosafarbenen Chosŏnot auf, der traditionellen koreanischen | |
Tracht, holte tief Luft und polterte los. Sie wirkte dann | |
furchteinflößender als Nordkoreas Atombombe, beschrieb sie einst ein | |
chinesischer Beobachter. | |
## Das Lächeln der „Tante Ri“ | |
Sprach sie hingegen vom geliebten Führer, setzte sie ein Lächeln auf und | |
ihre Stimme wurde ganz weich. Unvergesslich: Als sie 1994 vor laufender | |
Kamera weinte und herzzereißend den Tod von Staatsgründer Kim Il-sung | |
verkündete, dem „ewigen Präsidenten“. | |
Ähnlich Ende 2010 als Nachfolger Kim Jong-il verstarb: Da gab sich Tante Ri | |
alle Mühe, sich zu mäßigen. Vergeblich. Dicke Tränen kullerten ihr vom | |
Gesicht. Sie ist denn auch keine ausgebildete Journalistin, sondern | |
besuchte in ihren jungen Jahren die Schauspielschule in Pjöngjang. Ein | |
Monat nach Kim Jong-ils Tod hängte sie ihm zu Ehren den Job an den Nagel | |
und verabschiedete sich in den Ruhestand. | |
Ihre Nachfolgerinnen haben es noch nicht zu einer solchen Prominenz | |
geschafft - obwohl sie ihr in den Gefühlsausbrüchen in nichts nachstehen. | |
Auch sie wettern, kreischen, heulen, agitieren und werden zwischendurch | |
ganz sanft. Dass sie nicht so berühmt sind wie Tante Ri dürfte auch damit | |
zusammen hängen, dass ihre Namen im Fernsehen nicht mehr angezeigt werden. | |
## Wetter im Stakkato | |
Wer etwa neulich ebenfalls auf beeindruckende Weise zunächst enthusiastisch | |
und freudestrahlend den geglückten Atomtest bekannt gegeben hat, um im | |
nächsten Moment keifend die Reaktionen des Auslands vorzutragen, ist | |
namentlich ebenso nicht bekannt wie die junge Frau, die sich vor kurzem | |
verhaspelte, als sie bei der Wettervorhersage aus Versehen den donnernden | |
Tonfall angestimmt hatte. | |
Das Wetter wird nämlich im Stakkato vorgetragen. Wenn Jungdiktator Kim | |
Jong-un sich mit Micky Maus bei einer Fernsehgala ablichten lässt, wechselt | |
die Stimme zu mütterlich fürsorglich. Der hasserfüllte Tonfall ist für | |
Themen zu Südkorea und den USA vorbehalten. | |
Seit einiger Zeit bemüht sich das nordkoreanische Staatsfernsehen um eine | |
zeitgemäße Erscheinung. In den 19-Uhr-Nachrichten sind im Hintergrund nicht | |
mehr nur schneebedeckte und Fichten zu sehen, sondern tatsächlich Bilder | |
vom Geschehen. Und auch das pinke Gewand wie einst bei Tante Ri ist nicht | |
mehr Pflicht. Erlaubt ist an einem Tag das graublaue Jacket, am anderen ein | |
freundliches gelb oder orange - je nachdem, was aktuell gerade ansteht. | |
13 Apr 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=lGIrtvjrlj0 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
## TAGS | |
Nordkorea | |
Kim Jong Un | |
Nordkorea | |
Nordkorea | |
Gaddafi | |
Nordkorea | |
USA | |
Nordkorea | |
John Kerry | |
Die Wahrheit | |
Nordkorea | |
Nordkorea | |
Südkorea | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wissenstest zu Nordkorea: Kim Jong Dingsbums | |
Nordkorea prüft die Welt – prüfen Sie Ihr Wissen über Nordkorea! Sie werden | |
sehen: So absurd ist das Land gar nicht. Mehrere Antworten sind möglich. | |
Nordkoreanische Propaganda: „Dieser Film ist manipulierend“ | |
Regisseur Slavko Martinov hat den ersten „Propumentary“ gedreht: Eine als | |
nordkoreanischer Propagandafilm getarnte Kritik der westlichen Welt. | |
Keine Furcht vor Diktatoren: Der Irre vom Dienst | |
Der Wahnsinn hat Methode: Warum wir Diktatoren zu Kranken erklären müssen. | |
Und welche Rolle Elefanten und Onkel aus dem Westen dabei spielen. | |
Diktatorengeburtstag in Nordkorea: Kein Feuerwerk zum „Tag der Sonne“ | |
Der erwartete Raketentest erfolgte bisher nicht. Derweil feierte das Regime | |
in aller Ruhe den 101. Geburtstag seines Staatsgründers Kim Il Sung. | |
US-Außenminister Kerry zu Nordkorea: Ende der Provokationen gefordert | |
Ein neues Gesprächsangebot der USA soll den Konflikt mit Nordkorea | |
entschärfen. Die Provokationen aus Pjöngjang verstören selbst den | |
traditionellen Verbündeten China. | |
Jubel von ganz links und ganz rechts: Kim und seine deutschen Freunde | |
Am Montag wäre Kim II Sung, der „ewige Führer“ Nordkoreas, 101 Jahre alt | |
geworden. Auch Deutsche schicken Glückwünsche. | |
US-Außenminister in China: Annäherung im Zeichen der Bombe | |
China und USA sind sich einig: Die koreanische Halbinsel soll | |
atomwaffenfrei werden. Wie eine gemeinsame Reaktion auf Nordkoreas | |
Provokationen aussehen soll, bleibt unklar. | |
Die Wahrheit: Steuerparadies Pjöngjang | |
Turbo-Kapitalismus statt Lahmarsch-Kommunismus: Nordkorea lässt sich | |
umerziehen. Darauf kam der Große Führer nach zwei Tagen Nachdenken. | |
Experten uneinig über Atomraketen: Hat Kim die Bombe? | |
Kim Jong Un spricht von „mächtigen Angriffswaffen“. Wie weit Nordkorea mit | |
der Entwicklung seiner Atombombe tatsächlich ist, wird unterschiedlich | |
bewertet. | |
Krise in Korea: Kein Fisch mehr vom anderen Ufer | |
Nordkorea geht auf Distanz zu China. An beiden zentralen Grenzübergängen | |
dürfen Touristengruppen nicht einreisen. Der Handel liegt brach. | |
Fischer im Koreakonflikt: Schlappen für den Bunker | |
„Die da drüben machen einem das Leben schwer“, sagt der Fischer Lee Yong | |
San. Mit seinem Boot traut er sich nicht mehr weit hinaus. Zu nahe liegt | |
Nordkorea. |