# taz.de -- Die Wahrheit: Steuerparadies Pjöngjang | |
> Turbo-Kapitalismus statt Lahmarsch-Kommunismus: Nordkorea lässt sich | |
> umerziehen. Darauf kam der Große Führer nach zwei Tagen Nachdenken. | |
Bild: So sah es in Pjöngjang vor seinem Relaunch zum Steuerparadies aus. | |
Damit hätte wohl niemand gerechnet: Nordkorea ist über Nacht zum | |
Steuerparadies für Superreiche geworden. „Es war die Idee unseres Großen | |
Führers. Wer außer ihm wäre sonst zu solch einem Coup fähig?“ Der | |
Botschafter der demokratischen Volksrepublik in Berlin erzählt voller Stolz | |
vom einwöchigen Umerziehungsseminar in Monaco, von dem er gerade | |
zurückkehrte. | |
Kim Jong Un, der bekanntermaßen in der Schweiz studierte, war dort | |
persönlich zu Gast. Eingereist war er getarnt als asiatischer | |
Elvis-Imitator: „Sie kennen ja seine Haarpracht, er verwandelte sie zu | |
einer Tolle. Unser Führer ist eben ein echter Freak, ein Business-Punk, | |
wahnsinnig, aber fantastisch! Das war noch besser als Atomkrieg.“ Dank | |
dieses großartigen Charakters hätte sein Chef auch den „Neuen Großen | |
Dreißig-Jahres-Plan der ewigen Stabilisierung unserer Finanzen“ ersonnen. | |
Tag für Tag verkündete Nordkorea in den letzten zwei Wochen neue | |
Drohgebärden gegen Südkorea und den Westen: Abbruch aller diplomatischen | |
und wirtschaftlichen Beziehungen, neue Waffentests, Atomkrieg. Diese | |
Kaskade der Eskalation barg aber ein Problem in sich: „Denn unser Großer | |
Führer fürchtete, seine Glaubwürdigkeit zu verlieren, wenn er seine | |
Drohungen nicht umsetzt. Atomkrieg aber wäre Selbstmord, wir sind doch | |
keine Al-Qaida-Loser. Und in den westlichen Nachrichten waren wir tagelang | |
nur Platz 2 hinter diesem Skandal mit den Steuerparadiesen. | |
## Böse sein wie der FC Bayern | |
Das konnten wir uns nicht gefallen lassen. Unser Großer Führer zog sich | |
daraufhin zwei Tage zum Nachdenken in unsere schönen Berge zurück, dort | |
bekam er die allmächtige Idee: Wir mussten noch eins draufsetzen, etwas | |
richtig Großes!“, erzählt der Botschafter. „Und was fürchten diese feigen | |
Kapitalisten im Westen noch mehr als unseren großen Kommunismus? Das noch | |
größere Finanzkapital! Da dachte sich unser Großer Führer: Das ist unser | |
Ding! Das machen wir auch!“ | |
Innerhalb kürzester Zeit möchte sich das abgeschottete Land ein neues Image | |
geben: „Nein, wir wollen nicht freundlich werden, sondern supercool, eine | |
böse Elite! Alle sollen uns hassen und fürchten – so wie den FC Bayern.“ | |
Oder so wie China? „Nein, nicht wie diese blöden Hundefresser da im Norden. | |
Wenn schon Tigerstaat und gelbe Gefahr, dann richtig!“ | |
Der Große Führer hätte auch schon die Unternehmungsberatung McKinsey | |
beauftragt, ein Rundum-Make-over-Konzept seines Landes zu erarbeiten nach | |
dem Motto „Bad news are the best news!“ Die seien dort richtig begeistert | |
gewesen: „Einer der Krawattenträger meinte: Endlich können wir uns mal | |
richtig austoben. Das wird Kostenoptimierung vom Feinsten.“ | |
## „Veronica Ferres würde passen“ | |
Die hätten auch geraten, die verhärmt wirkenden nordkoreanischen | |
TV-Ansagerinnen auszutauschen durch „die Börsenschlampen vom CNN“. Ferner | |
plane man, populäre Ausländer als ruchlose Werbebotschafter zu engagieren, | |
um bei den Anlegern Vertrauen zu gewinnen. Der Botschafter hat schon eine | |
Favoritin: „Veronica Ferres würde sehr gut passen: weiche Schale, harter | |
Kern. Die macht für Geld alles.“ | |
Um die Finanzprobleme des Landes nachhaltig in den Griff zu bekommen, sei | |
eine „skrupellose Wertschöpfungskette“ geplant: „Wir haben da ganz große | |
Pläne: Menschenhandel ist stark im Kommen, da wollen wir hochpreisig | |
einsteigen. Unser Großer Führer plant die Gründung einer internationalen | |
Online-Escort-Agentur. So wie Berlusconi, nur größer selbstverständlich.“ | |
Ob das ernst gemeint sei? „Sicher. Human Ressources. Alles muss zu Geld | |
gemacht werden, only sky is the limit. Unser Großer Führer hat auch schon | |
einen idealen Namen für das Angebot ersonnen: Elite-Partner.nk. Warum ist | |
noch niemand vor ihm darauf gekommen?“ | |
## Hot Spot der globalen Schickeria | |
Jetzt, so der Botschafter, sei die ideale Zeit für dieses große Vorhaben: | |
Auf die anderen Steuerparadiese würde zunehmend Druck ausgeübt, so werde | |
Nordkorea zum neuen Player. Das Reich des Schreckens möchte sich zum neuen | |
Hot Spot der globalen Schickeria wandeln: „Mehr Geld, mehr Sex, mehr Fun: | |
Der Kapitalismus ist verrückt – aber wir sind verrückter!“ Auch würde der | |
Große Führer zu Unrecht als humorlos und trocken dargestellt: „In | |
Wirklichkeit ist er ein sehr fröhlicher Mensch. Wenn ihm an Sonntagen | |
danach ist, dann zieht er sich auch einmal zum herzlichen Lachen in sein | |
Kartenhaus zurück.“ | |
Wenn der Botschafter über den „Großen Führer“ spricht, hört man aber au… | |
leise, gar einfühlsame Töne heraus: „Was der grauen Welt von heute fehlt, | |
das sind Visionen, Mut, Risiko- und Leidensbereitschaft. Wir müssen auch | |
die Zumutbarkeitskriterien der Arbeitsangebote für das einfache Volk weiter | |
herabsetzen, um unser Land wettbewerbsfähig zu machen. Wer sich zumutbarer | |
Arbeit verweigert, den müssen Sanktionen treffen, wir werden nur das | |
Existenzminimum garantieren. Unser Großer Führer macht das persönlich vor, | |
er schläft seit Kurzem gar nicht mehr in seiner Hängematte. Er zeigt uns | |
damit jeden Tag leibhaftig, dass Turbo-Finanz-Kapitalismus konsequent und | |
gewissenlos gelebt werden muss. Im Fernen Osten sagen wir nicht umsonst: | |
Nur die Harten kommen in den Garten.“ | |
13 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Marcel Malachowski | |
## TAGS | |
Die Wahrheit | |
Pjöngjang | |
Kim Jong Un | |
Nordkorea | |
Gaddafi | |
Nordkorea | |
Nordkorea | |
Die Wahrheit | |
Gedicht | |
Mitgliederversammlung | |
Internat | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Keine Furcht vor Diktatoren: Der Irre vom Dienst | |
Der Wahnsinn hat Methode: Warum wir Diktatoren zu Kranken erklären müssen. | |
Und welche Rolle Elefanten und Onkel aus dem Westen dabei spielen. | |
Jubel von ganz links und ganz rechts: Kim und seine deutschen Freunde | |
Am Montag wäre Kim II Sung, der „ewige Führer“ Nordkoreas, 101 Jahre alt | |
geworden. Auch Deutsche schicken Glückwünsche. | |
Fernsehen in Nordkorea: Kreischende Furien um 19 Uhr | |
Nirgendwo tragen Nachrichtensprecherinnen Meldungen so leidenschaftlich vor | |
wie in Nordkorea. Und wenn es der Anlass gebührt, brechen sie auch schon | |
mal in Tränen aus. | |
Die Wahrheit: Das Tor zur Welt | |
Die Leistung des Dampfradios für den musikalischen Geschmack der | |
Nachkriegsgenerationen wurde oft besungen. Aber was ist mit der „Heavy | |
Metal Show“? | |
Die Wahrheit: Schnapszahlgeburtstag | |
Der 111. Geburtstag des besten Fußballvereins der Welt steht an. Tickets | |
für die große TeBe-Party gibt es in der Astra Stube. | |
Die Wahrheit: Scheues Reh in Übersee | |
Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit-Seite. Dieses Mal darf sich die | |
Leserschaft an einem Poem über Bambis Flucht nach Übersee erfreuen. | |
Die Wahrheit: Sozusagen, quasi | |
Am Ende des Tages läuft man eventuell Gefahr es mit einem Vertreter der | |
„Sozusagen“-Fraktion aus der Füllwörterhölle zu tun zu bekommen. | |
Die Wahrheit: Ich war Hanni und Nanni | |
Was wir in unserer Kindheit verpasst haben, müssen wir später nachholen, | |
und dann ist es blöd, teuer und macht keinen Spaß mehr. |