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# taz.de -- Nordkoreanische Propaganda: „Dieser Film ist manipulierend“
> Regisseur Slavko Martinov hat den ersten „Propumentary“ gedreht: Eine als
> nordkoreanischer Propagandafilm getarnte Kritik der westlichen Welt.
Bild: Arirang-Festival in Pjöngjang mit Pistolenmosaik: Die Waffe der Propagan…
taz: Herr Martinov, warum dreht man einen fiktiven Propagandafilm?
Slavko Martinov: 2003 kam mir die Idee, einen Dokumentarfilm über
Propaganda zu machen. Aber ich war Anfänger und ohne Chance auf eine
Finanzierung. Darum dachte ich: Ich muss etwas machen, das noch niemand
gemacht hat. So kam ich auf die fiktive Story eines zugespielten
Propagandafilms, der die westliche Propaganda kritisiert und entlarvt. Das
Ergebnis ist der erste „Propumentary“ der Welt.
Bitte was?
Propaganda- und Dokumentarfilm in einem – „Propumentary“.
Warum haben Sie diesen Film in Nordkorea beheimatet?
Auch wenn inzwischen Filme und Fernsehsendungen eingeschmuggelt werden und
die Leute einen Hauch von der Außenwelt mitbekommen: Nordkorea ist immer
noch der einzige Ort auf der Welt, der nicht der westlichen Populärkultur
und dem Konsumdenken ausgesetzt ist. Dieses Land bietet uns eine
anthropologische Einzigartigkeit: die Chance, uns selbst, unsere Kultur in
einer objektiven Weise zu betrachten. Wir können das nicht.
Warum nicht?
Wir sind unsere Kultur. Es ist aufregend, unser Wertesystem mit den Augen
der vermeintlichen anderen zu sehen.
Aber in der westlichen Zivilisation ist Kritik nicht nur erlaubt, sondern
Voraussetzung dafür, dass sich die Gesellschaft immer wieder erneuert hat.
Noam Chomsky, der im Film zitiert wird, ist Professor an einer
amerikanischen Eliteuniversität.
Das stimmt. Aber was ich versuche zu sagen, ist: Dieser Film ermöglicht die
Kritik von einem Standpunkt aus, der unbeeinflusst ist von westlicher
Populärkultur.
Im Mai 2012 haben Sie den [1][ersten Teil] des Films auf YouTube gepostet.
Was geschah dann?
Wir hatten kein Geld für Werbung und fanden auch keine Zeitung, die sich
dafür interessiert hätte. So waren wir auf die Dynamik des Internets
angewiesen: Einer sah den Film, dann zwei, fünf, zwölf. Einer teilte den
Film auf Facebook, dann noch einer – so ging der Film um die Welt.
Inzwischen haben Freiwillige den Film in sechs Sprachen übersetzt, zuletzt
ins Spanische.
Sie arbeiten neun Jahre an einem Film und stellen ihn dann auf gut Glück
ins Internet?
Unsere Legende, die auch in der Beschreibung auf YouTube steht, lautete ja,
dass Sabine, einer in Australien lebenden Halbkoreanerin, bei einem Besuch
in Seoul die DVD in die Hände gelangte. Den Film ins YouTube zu stellen,
war die einzige Option, um diese Story glaubhaft zu machen.
Was hat Sie so sicher gemacht, dass man das glauben würden?
Mir war klar: Wenn ich mich intensiv mit der Geschichte und Sprache Koreas
beschäftige, würde ich etwas schaffen können, das die Leute für echt
halten. Und ich wusste, dass es schwierig werden würde nachzuweisen, dass
der Film nicht aus Nordkorea stammt. Aber um ehrlich zu sein: Nachdem wir
den Film gepostet hatten, dachten wir: Es wird keine 24 Stunden dauern, bis
jemand sagt: „Das ist nicht echt.“ Und das war’s dann.
Dennoch kann man im [2][Netz] die wahren [3][Hintergründe] finden.
Fünf Monate nachdem wir den Film auf YouTube gepostet hatten, haben wir
„Propaganda“ beim Internationalen Dokumentarfilmfestival IDFA eingereicht.
Erst dort haben wir die wahren Hintergründe aufgedeckt. Auf YouTube haben
wir aber nichts getan. So blieb die Wahrheit nur einen Mausklick weit
entfernt.
Wie kommt es denn, dass so viele Zuschauer den Film für echt halten?
Weil die meisten Menschen nur sehr wenig über Nordkorea wissen. Nicht
einmal die Nordkorea-Experten wissen wirklich, was dort vor sich geht.
Könnte das nordkoreanische Regime den Film für seine [4][Propaganda]
nutzen?
Wir haben mitbekommen, dass der Film auf einer nichtoffiziellen Website der
Demokratischen Volksrepublik Korea veröffentlicht wurde. Allerdings ohne
die Einführung…
…in der es heißt, Kim Jong Un wolle, dass die Menschen die Wahrheit über
den Westen kennen.
Genau. Man könnte sagen, dass der Film für die Nordkoreaner perfekt als
Propagandafilm funktioniert: Ein globales Publikum bekommt ihre Sicht der
Dinge zu sehen, aber sie können wahrheitsgemäß sagen, sie hätten nichts
damit zu tun. Aber ich glaube nicht, dass der Film einem nordkoreanischen
Publikum vorgeführt werden könnte. Zu viel Information.
Das ist der einzige Grund?
Nein. Obwohl der Film den Westen kritisiert, zeigt er die Fülle von
Nahrungsmitteln und die unbegrenzte Anzahl von Konsumgütern, die es dort
gibt. Das wäre für das nordkoreanische Regime problematisch. Und der Film
zeigt, dass Menschen aufbegehren können.
Wie weit entspricht denn die Darstellung des Irakkrieges oder des
Nahostkonflikts der nordkoreanischen Propaganda, wie sie etwa von der
Nachrichtenagentur [5][KCNA] verbreitet wird?
Ich habe lange Zeit KCNA untersucht, um mich mit den Ansichten und der
Sprache vertraut zu machen. Aber der Ausgangspunkt sind meine Ansichten und
Recherchen. Ich musste dann überprüfen, ob diese mit der nordkoreanischen
Sicht übereinstimmen, und das Ganze in ein Skript bringen.
Das sind also Ihre eigenen Ansichten, die Sie in diesem Film vertreten?
Ich habe das Skript geschrieben und habe auch einige Passagen von anderen
Autoren übernommen. Es gibt einige bewusste Provokationen. Und es gibt ein
paar Fehler: Susannah, die über die koreanische Tonspur dem englischen Text
gelesen hat, hat den Dezimalpunkt übersehen, so dass aus 3,8 Millionen
Obdachlosen in den USA 38 Millionen wurden. Das ist eine verrückte Zahl.
Aber ich habe es nicht korrigiert. Denn was bedeutet ein solcher Fehler in
einem nordkoreanischen Film für ein nordkoreanisches Publikum? Daran musste
ich mich beim Schreiben immer erinnern: Was würden die machen?
Ist das der Grund, warum Sie beispielsweise bei der Darstellung der
Geschichte Israels nicht erwähnen, dass Israel bei seiner Gründung von den
sozialistischen Staaten unterstützt und sofort von seinen arabischen
Nachbarstaaten angegriffen wurde?“
Ja. In einem normalen Dokumentarfilm sollten Sie Widersprüche aufzeigen und
so viele Details präsentieren, wie Sie nur können, sodass das Publikum
abwägen kann. Aber in diesem „Propumentary“ musste ich mich daran erinnern,
dass es nicht darauf ankam, ob es ausgewogen oder sinnvoll war. Dieser Film
ist per Definition emotional manipulierend.
Viele, die „Propaganda“ für einen nordkoreanischen Film halten, [6][sagen]:
Ich lehne das nordkoreanische Regime ab, aber die Kritik an der
amerikanischen oder israelischen Regierung ist zutreffend. Oder die Kritik
an der Konsumideologie ist richtig. Wie finden Sie solche Reaktionen?
Das ist großartig! Ich lese oft Kommentare wie: „Vergiss den Boten und
achte auf die Botschaft!“ Das ist eine ideale Weise, an den Film
heranzugehen.
Wie ist denn die Botschaft – in einem Satz?
Stell alles infrage!
Was denken Sie über Nordkorea?
Ich kann die geopolitische Weltsicht eines kleinen Landes nachvollziehen,
das sich von Feinden umgeben und bedroht sieht. Aber ich verabscheue
monarchistische Strukturen. So viel Kontrolle über andere Menschen, nur
weil sie in die richtige Familie geboren wurden? Das macht mich krank.
Ist die westliche Welt der bessere Ort zum Leben?
Ich bin glücklich, dass ich in Neuseeland geboren wurde und ich in einer
Gesellschaft lebe, die mich nicht verhungern lässt. Wenn ich sehe, wie
Menschen in der Dritten Welt leben, denke ich: Ja, die westliche Welt ist
der bessere Ort zum Leben. Aber sind wir glücklicher?
24 Apr 2013
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=Dw-p84oWW84
[2] http://www.youtube.com/watch?v=SVwPs-3nlYc
[3] http://propagandafilm.net/Propaganda/?page_id=4
[4] /!114481/
[5] http://www.kcna.co.jp/index-e.htm
[6] /!c114030p15/
## AUTOREN
Deniz Yücel
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