# taz.de -- Suche nach einem Endlager: Konsens mit kurzer Halbwertszeit | |
> Nach fast 40 Jahren soll die Suche nach einem Endlager neu beginnen. Es | |
> ist ein historischer Kompromiss, doch nun beginnt die schwierige | |
> Umsetzung. | |
Bild: Wohin, wohin? | |
BERLIN taz | Es war ein ganz schönes Gedränge: Nachdem sich Bund, Länder | |
und Parteien auf einen Neustart der Suche nach einem Atommüllendlager | |
[1][geeinigt hatten], wollten gleich sieben Politikerinnen und Politiker | |
auf die Bühne und ans Mikrofon. Schließlich gab es einen Erfolg zu feiern – | |
und den eigenen Anteil daran zu preisen. | |
Und was sie verkündeten, klang ja auch wirklich historisch: Nach fast 40 | |
Jahren, die von Intransparenz, Parteienstreit und Protesten geprägt waren, | |
soll die Suche nach einem Endlager neu beginnen: nach wissenschaftlichen | |
Kriterien, unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft und möglichst im | |
Konsens. „Ich glaube, dass mit dem heutigen Tag die Konfliktphase im Umgang | |
mit der Kernenergie ein für allemal beendet ist“, sagte Umweltminister | |
Peter Altmaier (CDU), als er – müde, aber in spürbar euphorischer Stimmung | |
– der taz unmittelbar nach der Einigung ein Interview gab. | |
Doch diese Rechnung hat er offenbar ohne seine Parteifreunde gemacht. Als | |
diese Woche die Ergebnisse des Gorleben-Untersuchungsausschusses | |
vorgestellt wurden, gab es zwar kein Gedränge – aber umso mehr Konflikte | |
zwischen den Parteien. Dreieinhalb Jahre lang waren Abgeordnete aller | |
Fraktionen der Frage nachgegangen, ob es in den 70er und 80er Jahren bei | |
der Entscheidung für Gorleben als Endlagerstandort Manipulationen und | |
politischen Druck gegeben hat. Für SPD, Linke und Grüne war die Sache klar: | |
Das „System Gorleben“ beruhte auf Willkür, Täuschung und Geheimhaltung – | |
deswegen brauche man ja auch einen Neubeginn. | |
Im Abschlussbericht von Union und FDP wird hingegen nicht wirklich klar, | |
warum überhaupt neu gesucht werden soll. Das Auswahlverfahren für Gorleben | |
sei „nach wissenschaftlich abgesicherten Kriterien“ erfolgt und „auch aus | |
heutiger Sicht geradezu beispielhaft und fortschrittlich gewesen“, heißt es | |
da. Und während Altmaier zur Begründung für den neuen Suchprozess verkündet | |
hatte, man müsse „jetzt die Öffentlichkeitsbeteiligung nachholen, die es in | |
den letzten Jahren nicht gegeben hat“, behaupten seine Parteifreude im | |
Untersuchungsausschuss ernsthaft, die „breit angelegte | |
Öffentlichkeitsarbeit“ im Gorleben-Verfahren habe „vielfach Maßstäbe | |
gesetzt“. | |
## Die Gegner bleiben die gleichen | |
In der neuen Bund-Länder-Kommission, die in den nächsten zwei Jahren die | |
Kriterien für die neue Endlagersuche entwickeln soll, werden die | |
erbitterten Gegner aus dem Untersuchungsausschuss teilweise wieder | |
aufeinandertreffen. Die Obleute von SPD und Grünen, Ute Vogt und Sylvia | |
Kotting-Uhl, erklärten gegenüber der taz bereits ihr Interesse, ihre | |
Fraktionen in dem neuen Gremium zu vertreten. | |
Auch die Regierungsfraktionen werden wohl bewährte Kräfte schicken: Bei der | |
Union soll die Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Maria Flachsbarth, | |
Ambitionen haben. Für die FPD erklärte die Ausschuss-Obfrau Angelika | |
Brunckhorst gegenüber der taz, sie könne sich gut vorstellen, dort | |
mitzuarbeiten. Beiden gehören zwar nicht zu den atompolitischen Hardlinern | |
ihrer Fraktion, sondern haben etwa den parteiübergreifenden Kompromiss zur | |
Räumung des Endlagers Asse mit ausgehandelt. Aber sie stehen eben auch | |
hinter jenem Abschlussbericht, der sämtliche Zweifel an Gorleben radikal | |
bestreitet. | |
Auch in den Bundesländern, die wie der Bundestag sechs Mitglieder der neuen | |
Kommission stellen, gibt es teilweise wenig Bereitschaft zum Kompromiss. | |
Eine Focus-Umfrage unter den 16 Ministerpräsidenten ergab, dass nur vier | |
ein Endlager in ihrem Bundesland akzeptieren würden. Doch auch bei einer | |
sehr viel weniger dramatischen Frage gibt es Widerstand. | |
Teil des Endlagerkompromisses ist es, dass ins bestehende Zwischenlager in | |
Gorleben kein neuer Müll mehr gebracht wird, um den Eindruck einer | |
Vorfestlegung zu vermeiden. Doch in der britischen | |
Wiederaufbereitungsanlage Sellafield stehen noch 21 Castorbehälter mit | |
deutschem Atommüll; weitere 5 warten im französischen La Hague. Das ist | |
wenig im Vergleich zu dem, was derzeit schon in Gorleben und in den | |
dezentralen Zwischenlagern steht – aber genug, um den Konsens bröckeln zu | |
lassen. | |
## Bouffier bleibt hart | |
Bisher haben lediglich die rot-grün regierten Länder Schleswig-Holstein und | |
Baden-Württemberg – gegen den Protest der schwarz-gelben Opposition – ihre | |
Bereitschaft zur Aufnahme von Teilen dieses Mülls erklärt. Bayern und | |
Hessen lehnen dies entschieden ab – obwohl ein großer Teil des | |
wiederaufbereiteten Mülls ursprünglich aus ihren AKWs stammt: 22 Prozent | |
aus Bayern und 14 Prozent aus Hessen. Und Kapazitäten gibt es an den | |
dortigen AKW-Standorten auch genug. | |
Doch Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier bleibt hart: Es sein | |
„nicht im Interesse der Bevölkerung, wenn Castortransporte durch die ganze | |
Republik rollen, obwohl gleichwertige Lagermöglichkeiten in geringerer | |
Entfernung vorhanden sind“, sagte er. | |
Umweltminister Altmaier lässt sich vom neuen Parteienstreit nicht | |
beeindrucken. „Das sind die üblichen Diskussionen bei derart sensiblen | |
Themen“, sagte er der taz. Er sei sicher, am Ende eine breit getragene | |
Lösung zu finden. | |
Selbst wenn das bei der Zwischenlagerung gelingt: Eine Einigung auf | |
gemeinsame Endlagerkriterien, gar mit der geforderten Zweidrittelmehrheit, | |
dürfte der neuen Kommission schwerfallen. Denn neben den zwölf Politikern | |
aus Bund und Ländern sollen dort vier Wissenschaftler sowie jeweils zwei | |
Vertreter von Industrie, Gewerkschaften, Kirchen und Umweltverbänden sitzen | |
– und dort sind die Gräben nicht minder tief . | |
21 Apr 2013 | |
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## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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