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# taz.de -- Kommentar Steuerpläne der Grünen: It’s the money, stupid!
> Die Grünen begeben sich mit den Plänen für steigende Abgaben auf
> gefährliches Terrain. Denn sie verlangen ihrer gut verdienenden Klientel
> einiges ab.
Bild: Sie wollen's grün, aber zahlen müssen vor allem die Besserverdienenden …
Wenigstens auf einem Schlachtfeld der Innenpolitik sind die Fronten noch
klar sortiert. Wenn SPD und Grüne an die Macht kommen, zerstört das den
Wirtschaftsstandort Deutschland, rufen die Wirtschaftslobby, die CDU und
die FDP im Chor. Diese Rot-Grünen wollen nämlich: um-ver-teil-en!
Es schimmert die nackte Angst vor diesem, igitt, nahezu sozialistischen
Begriff durch, wenn Eric Schweitzer, Chef des mächtigen Deutschen
Industrie- und Handelskammertages, droht, ein höherer Spitzensteuersatz
vernichte 1,4 Millionen Arbeitsplätze. Ob er die persönlich gezählt hat?
Was stimmt, ist: Sollten die Grünen, die an diesem Wochenende ihr
Wahlprogramm beschließen, im Herbst regieren, bezahlen gut verdienende und
reiche Menschen mehr. Vermögensabgabe, Spitzensteuersatz, Kürzung des
Ehegattensplittings, Erbschaftsteuer – die Partei plant ein Bündel von
Instrumenten, die nicht nur Millionäre, sondern auch die obere
Mittelschicht empfindlich belasten.
Es ist richtig, dass sich die Partei vor diesem für sie gefährlichen Kampf
nicht drückt. Denn die Grünen wenden sich auch an ihre eigene, akademische
und deshalb gut verdienende Klientel. Wir wollen euer Geld für einen
besseren Staat, lautet verkürzt ihre Botschaft. Die Energiewende finden
inzwischen alle toll, höhere Löhne irgendwie auch, und die CDU ringt sich
zur Frauenquote durch. Somit wird die Finanzpolitik zum letzten
gesellschaftlichen Großkonflikt. Zu Recht.
Denn dort geht es um Geld, und damit um die wichtigste Ressource in der
Marktwirtschaft. Es ist ganz einfach: Umverteilung sprengt betonierte
Machtverhältnisse.
## Vermögensverhältnisse klaffen auseinander
Wie wichtig es ist, das Geld in der Republik fairer zu verteilen, belegen
ungezählte Studien, die die berühmte, sich öffnende Schere zwischen Arm und
Reich zitieren. In Deutschland täuscht das vergleichsweise hohe
Wohlstandsniveau darüber hinweg, wie stark auch hier die
Vermögensverhältnisse auseinanderklaffen.
Die Grünen markieren mit ihrem Kurs gleich mehrere wichtige Positionen. Sie
korrigieren (teilweise) ihren historischen Fehler, in der rot-grünen
Regierungszeit fatale Steuersenkungen mitbeschlossen zu haben. Sie denken
mit, dass die immensen Kosten der Eurokrise irgendwann fällig werden. Sie
akzeptieren, dass all die Versprechen, Kitas, Ganztagsschulen, nicht ohne
Solidarität der Bessergestellten zu haben sind.
Damit setzen Sie nicht nur auf die Solidarität der Gutverdiener, sondern
auch auf deren Egoismus. Einem Arztehepaar, das die Kinder bisher auf die
Privatschule schickt und eine Tagesmutter bezahlt, sind vielleicht gute
öffentliche Schulen und Kitas etwas wert. Ein Unternehmer akzeptiert
möglicherweise höhere Steuern, weil er gute Azubis braucht. Ein
Hochschullehrer, weil er die Nöte seiner Uni kennt. Es ist vielleicht ein
Appell an den gesunden Menschenverstand.
## Uneinigkeit in der Partei
Über die Dringlichkeit dieses Appells sind sich die Grünen allerdings
uneins. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann warnt vor
hohen Belastungen für den Mittelstand. Er hofft sogar darauf, dass in
Koalitionsverhandlungen Steuervorhaben verschoben werden.
In diesen Mahnungen des scheinbar Vernünftigen steckt etwas sehr
Unehrliches: Kretschmann verschweigt, dass seine Landesgrünen das grüne
Finanzkonzept in langen Verhandlungen mitbeschlossen haben. Er desavouiert
demokratische Parteibeschlüsse, indem er sie für realitätsfremd erklärt.
Und vor allem übt er wortgewaltig Kritik, stellt sein Plädoyer für weniger
Umverteilung aber nicht zur Abstimmung. Es gibt keinen Realo-Antrag auf dem
Parteitag, der den Kurs ernsthaft infrage stellt.
So bleibt Kretschmanns Intervention vor allem eine wolkige Inszenierung.
Sie nutzt seinem Image in Baden-Württemberg, aber sie schadet der Partei,
weil ein wichtiger Grüner das Klischee der Umverteilungsorgie bedient. Das
freut CDU, FDP und die Wirtschaftslobby.
26 Apr 2013
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
Grüne
Steuererhöhung
Winfried Kretschmann
Familiensplitting
FDP
Umverteilung
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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