| # taz.de -- Zukunft des Hamburger Hafens: Globalisierung macht Vollbremsung | |
| > Vom 9. Mai an feiert Hamburg wieder den Geburtstag seines Hafens. Die | |
| > Politik glaubt an dessen Zukunft - wider alle Vernunft. | |
| Bild: Trübe Aussichten für den Hamburger Hafen: die Zeiten des Schifffahrtsbo… | |
| HAMBURG | taz Beinahe hätte die Hamburger Politik die Globalisierung | |
| verschlafen. „Diese Kiste kommt mir nicht in meinen Hafen“, schimpfte der | |
| damalige Hafen-Senator Ernst Plate, als in den 60er-Jahren die Container | |
| aufkamen. Dabei war der liberale Politiker durchaus vom Fach: Nach dem | |
| Zweiten Weltkrieg war er Vorstandsvorsitzender der Hamburger Hafen- und | |
| Lagerhausgesellschaft (HHLA) gewesen. | |
| Aber Plate und Hamburgs Senat zögerten lange, um 35 Millionen D-Mark für | |
| einen Containerterminal zu investieren – ohne Zusage einer einzigen | |
| Reederei, später wirklich Stahlkisten in die Stadt tief im Binnenland zu | |
| schippern. Medien und große Teile der Wirtschaft hielten die Anfahrt über | |
| mehr als 100 Flusskilometer einfach für zu lang im modernen Handelsverkehr | |
| – der Hafen der Zukunft werde an der Küste liegen. Heute ist die Binnenlage | |
| ein Wettbewerbsvorteil – die Transportkosten sind per Schiffsriese weit | |
| niedriger als per Lkw oder Bahn, und seit der Öffnung der Grenzen im Osten | |
| hat der Hafen wieder ein weites Hinterland. | |
| Damit „die Kiste“ die Welt verändern konnte, brauchte sie eine Norm: | |
| Zwanzig mal acht Fuß misst der Standardcontainer, kurz TEU genannt (Twenty | |
| Foot Equivalent Unit). Er ist also 6 Meter lang und 2,60 Meter hoch. Fortan | |
| konnten Schiffe in jedem Hafen der Welt anlanden und Container problemlos | |
| löschen und laden, erinnerte sich der frühere Wirtschaftssenator Helmuth | |
| Kern auf der Geburtstagsparty „40 Jahre Containerumschlag“, die der | |
| städtische Hafenbetreiber HHLA 2008 auf dem Terminal Burchardkai mit | |
| einigen Hundert Gästen feierte. Hier am Burchardkai hatte Senator Kern im | |
| Sommer 1968 das erste Containerschiff im Hamburger Hafen persönlich | |
| empfangen, die „American Lancer“ der Reederei United States Lines. | |
| Sozialdemokrat Kern gehörte zu den wenigen mit dem richtigen Riecher und | |
| konnte die konservativen Bedenken in Senat, SPD, Gewerkschaften und | |
| Unternehmerschaft überwinden. | |
| Jobs kostete das neue Zeitalter zunächst nicht, schließlich wurden die | |
| Container am Burchardkai erst einmal ausgepackt und die Waren wie gehabt | |
| auf Lastwagen oder Bahnwaggons verladen. Bald waren aber die Hallen des | |
| Terminals zu klein und die meiste Arbeit wurde in – wie man heute sagen | |
| würde – Logistikzentren ausgelagert. Wo früher eine ganze „Schicht“ mit | |
| einem Dutzend Leuten 20 Tonnen auf ein Schiff verlud, so viel wie in einen | |
| Container passt, dreht heute nur noch ein Kranfahrer seine einsamen Runden. | |
| Mit dem Aufschwung des Welthandels in den 1990er-Jahren und dem | |
| Container-Boom, der aus China und Südostasien in den 2000er-Jahren nach | |
| Hamburg schwappte, kamen die Jobs zurück. Der Container reiht sich nun in | |
| eine hochkomplexe Logistikkette ein – neudeutsch: Supply Chain Management – | |
| und ein Großteil der im Universalhafen ankommenden Produkte wird in und um | |
| Hamburg industriell weiterverarbeitet. So sichert der Hafen nach Schätzung | |
| des Senats heute allein in der Metropolregion direkt und indirekt über | |
| 150.000 Arbeitsplätze – wahrscheinlich mehr als jemals zuvor. | |
| Anders sieht es mit dem Wachstum des Hafens aus. So prognostizierte der | |
| Unternehmensverband Hafen Hamburg 2005, in fünf Jahren werde eine | |
| Containermenge von 12,4 Millionen TEU verladen – in Wirklichkeit wurden es | |
| weniger als 8 Millionen. Schuld war die große Krise. Die ist vorbei, doch | |
| noch immer dümpelt der Hafen auf Vorkrisenniveau dahin. Für Reeder, | |
| Finanzinvestoren und Schiffsbanken wie die marode HSH Nordbank, aber auch | |
| für das Staatssäckel und die gut bezahlten Kernbelegschaften des Hafens bei | |
| HHLA und Eurogate scheinen die goldenen Zeiten vorbei zu sein. Vorbei die | |
| Zeiten, in denen „der Hafen den Hafen finanziert“ – seit einigen Jahren i… | |
| die maritime Infrastruktur wieder ein Zuschussgeschäft. Der Senat verweist | |
| dagegen auf üppige Steuereinnahmen durch die Hafenwirtschaft. Laut einer | |
| Studie der OECD trägt der Hafen zu Beschäftigung und Wertschöpfung in der | |
| Metropolregion – je nach Definition – 5 bis 10 Prozent bei. Der Hafen | |
| bedeutet also viel, aber nicht alles. | |
| Dass gegenüber den Landungsbrücken nicht wie ursprünglich geplant ein | |
| weiterer Containerterminal entstehen wird, sondern eine dritte | |
| Kreuzfahrtdestination, hat allerdings nichts mit einer neuen Bescheidenheit | |
| zu tun, sondern mit cleverer Arbeitsorganisation und hohen Investitionen | |
| von HHLA und dem zweiten großen Hafen-Spieler Eurogate: Sie setzen auf eine | |
| Verdoppelung, wenn nicht Verdreifachung der Kapazitäten auf den jetzigen | |
| Flächen. | |
| Einer der wenigen Akteure, die über den Hafenrand hinausblicken, ist | |
| HHLA-Chef Klaus-Dieter Peters. Während einer Bilanzpressekonferenz wies er | |
| kürzlich auf die gebremste Globalisierung hin: Wuchs in der Vergangenheit | |
| der Welthandel und damit die Schifffahrt 2,5 bis 3 Prozentpunkte schneller | |
| als die Weltwirtschaft, haben sich beide Entwicklungen angenähert. Damit | |
| ist der globale Schifffahrtsboom bis auf Weiteres vorbei. Und dabei könnte | |
| es bleiben: Globalisierung heißt zunehmend industrielle Produktion vor Ort | |
| und gesättigte Märkte in Europa. Zudem hat sich das Schwergewicht der | |
| wirtschaftlichen Entwicklung nach Asien verlagert und damit auch der | |
| Schiffsverkehr. | |
| Trotzdem macht Olaf Scholz’ Senat in Optimismus pur: Der im Oktober nach | |
| langen Diskussionen verabschiedete „Hafenentwicklungsplan 2025“ sieht wie | |
| einst, nun für 2015, das ominöse Containerumschlagpotenzial von 12,4 | |
| Millionen TEU vor. Und im Jahr 2025 will man 25,3 Millionen Container | |
| umschlagen. Maßlose Ziele. Doch dieses Szenario legt der Senat seinen | |
| „Planungen von Investitionen in die Infrastruktur“ zugrunde. | |
| Dieses Mal könnte der Senat tatsächlich etwas verschlafen – nämlich wie die | |
| Globalisierung eine Vollbremsung macht. | |
| 5 May 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Hermannus Pfeiffer | |
| ## TAGS | |
| Streik | |
| Deutschland | |
| Offshore-Windpark | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Schiffer und Schleuser streiken: Ein Schiff in sechs Jahren gesichtet | |
| Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes protestiert gegen | |
| Personalabbau. Die Behörde ist aber dringend reformbedürftig. | |
| Besuch aus Peking: Herr Li will Freihandel | |
| Seit Wochen zoffen sie sich um Solarmodule und Porzellan. Bei der Visite | |
| der chinesischen Führung in Berlin geht es wieder um mehr Exporte. | |
| Strukturwandel im Hafen: Passagiere statt Container | |
| Die Kreuzschifffahrt boomt: Hamburg plant statt des geplanten neuen | |
| Containerterminals eines für Kreuzfahrtschiffe - inklusive Gondelbahn. | |
| Historiker zu Hafenentwicklung: "Wie die Kohle für das Ruhrgebiet" | |
| Hamburgs Politik ist nicht nur personell eng mit dem Hafen verflochten, | |
| sondern hat dessen Bedeutung stets großzügig berechnet. | |
| Maritime Industrie in der Krise: Da hilft nur noch Energie | |
| Mit großen Kähnen ist kaum noch Geld zu machen. Die Schiffsbranche könnte | |
| sich mit der Offshore-Gewinnung von Strom aus Wind, Öl und Gas über Wasser | |
| halten. | |
| Schiffsbeteiligungen: Krisenhafen: Überseestadt | |
| Bei Reedern herrscht Flaute: Es gibt mehr Frachtraum als zu | |
| transportierende Container. Viele kriselnde Schiffe landen an einer Adresse | |
| in der Überseestadt. | |
| Schlechte Auftragslage: Im Hafen wird die Arbeit knapp | |
| 400 MitarbeiterInnen des Jade-Weser-Ports in Wilhelmshaven werden in | |
| Kurzarbeit geschickt. Am Freitag Verhandlungen. | |
| Neuer Handel mit Südamerika: Wenn der Zuckerhut lockt | |
| Hamburgs Hafen setzt künftig auf Brasilien statt auf China. Diesen | |
| Strategiewechsel soll Bürgermeister Scholz im April in Rio und São Paulo | |
| einleiten |