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# taz.de -- Verteilungskampf im grünen Biedermeier: Hysterisches Beben in der …
> Die Wellness- und Ökopartei gerät mit ihrem Steuerprogramm unversehens in
> eine knallharte Verteilungsdebatte der Mittelschicht. Das ist gut so.
Bild: Nachhaltige Musterstadt Freiburg-Vauban: Herrscht hier die Angst vor grü…
Wer dieser Tage mit wohlhabenden Bekannten im prosperierenden Süden
Deutschlands telefoniert, die sich grundsätzlich für „Mittelschicht“
halten, auch wenn sie mit einem Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 4.500
Euro im Monat zum bestverdienendsten Sechstel der Bevölkerung gehören und
damit eigentlich schon zu einer Art Oberschicht, wer also mit solcherlei
ansonsten netten Bekannten telefoniert – dem entgeht nicht das hysterische
Beben in der Stimme, wenn die Rede auf das Steuerprogramm der Grünen kommt.
Es hört sich an, als plane die Partei einen politischen Überfall auf die
Geldsäckel der Mittelschichten. Was ist passiert? Die Grünen haben für den
Wahlkampf ein Steuer- und Abgabenprogramm vorgelegt, das einige neue
Umverteilungselemente enthält. „Raubzug mit Ansage“ schäumt der Spiegel u…
kommt mit einer eigens aufgelegten Berechnung zu dem Schluss, dass
beispielsweise ein doppelverdienendes Ehepaar mit Kind und einem
Monatsnetto von heute 5.135 Euro ganze 23 Euro monatlich draufzahlen
müsste, kämen die Grünen mit ihren Ideen an die Macht.
Es trifft auch „Normalbürger“, toben Kommentatoren in den Medien, und da
hilft es nicht, dass Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin immer wieder
betont, dass doch nur die „Reichen“ mehr Steuern zahlen müssten, kämen die
Grünen an die Macht.
Im Wahlkampf eine Debatte anzuzetteln, wer denn nun „wirklich reich“ sei
und wer nur „normal verdient“, kann leicht zur Irrfahrt werden. Denn in
Deutschland hält sich auch das wohlhabendste Viertel der Bevölkerung für
„Normalbürger“ und wähnt sich beständig vom Abstieg bedroht. Hier will
niemand zu den „wirklich Reichen“ zählen.
## Wahlentscheidung als Lifestyle
Der Streit über das grüne Umverteilungsprogramm bekommt extra Schwung, weil
in den vergangenen Jahren gerade Gutverdiener aus Lifestyle-Gründen gerne
die Grünen wählten. Das passte, solange die Grünen als eine Art
Wellnesspartei auftraten, die sich gegen atomare Endlager und
Autobahntrassen ins Zeug warf und als Retter der Natur auftrat, ganz im
Sinne einer alternden Jack-Wolfskin-Gesellschaft mit Sehnsucht nach einer
Geborgenheit im großen Ganzen.
Das Soziale und Ökonomische geriet dabei ein wenig ins Hintertreffen – doch
mit dieser Wähleridylle ist nun Schluss.
Dass es in der Politik um die Verteilung von ziemlich viel Geld geht, und
zwar auch innerhalb der sogenannten Mittelschichtsmilieus, ist nicht mehr
zu leugnen in einem Wahlkampf, der eigentlich an Langeweile zugrunde gehen
drohte. Danke, Grüne!
Mit dem Wahlprogramm aus Vermögensabgabe, Spitzensteuersatz und höheren
Beitragsbemessungsgrenzen für die Sozialkassen halten die Grünen dem
sogenannten Normalbürger den Spiegel vor, auch wenn sie dies vielleicht so
gar nicht bedachten. Im Spiegel erblickt man nicht einen ums Gemeinwohl
bemühten Vernunftwähler, sondern einen von Verlustängsten geplagten
Berechnungswähler.
## Angst vor Enteignung
Medienberichte verstärken die Ängste, indem sie gerne vernachlässigen, dass
die Grünen für bessere Ganztagsschulprogramme sind, sondern lieber darauf
verweisen, dass die Ökopartei gerne den Hartz-IV-Regelsatz in die Höhe
schrauben würde. So was schürt Empörung, denn eine Umverteilung von der
Mitte nach unten hat derzeit ein ganz schlechtes Image.
Wobei die meisten Bürger tatsächlich gut führen mit den grünen
Verteilungsideen. Denn wer hat schon ein Vermögen von über einer Million
Euro, wobei laut Grüne ja nur der überschießende Anteil des Vermögens
überhaupt belastet würde mit den 1,5 Prozent? Und verdienen nicht die
meisten Ehepaare heute zweifach, sodass das allmähliche Abschmelzen des
Ehegattensplittings gar nicht so stark zu Buche schlüge? Verdiener mit
einem Jahreseinkommen unter 60.000 Euro würden ohnehin entlastet, so die
Berechnungen des Bundes der Steuerzahler zum Grünen-Programm.
Wer reicher ist, muss aber jetzt nicht unbedingt die FDP wählen aus Angst
vor Enteignung. Man kann sich für die Grünen entscheiden nicht nur, weil
Grünenwähler wissen, dass die linken Umverteilungsideen der Partei sowieso
nie umgesetzt werden. Sondern aus Prinzip. Vieles im Leben kostet Eintritt,
Gebühren, Beiträge. Warum nicht auch die Wahl der Partei, der man sich nahe
fühlt?
6 May 2013
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
## TAGS
Bündnis 90/Die Grünen
Steuerpolitik
FDP
Wahlkampf
Umverteilung
Bündnis 90/Die Grünen
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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