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# taz.de -- Aktenfunde bei Ex-Nazijurist: „Es gab Netzwerke der NS-Täter“
> Im Justizministerium hat ein Ex-Nazijurist Vorwürfe gegen einen anderen
> Ex-Nazijuristen überprüft, sagt der Strafrechtler Christoph Safferling.
Bild: Justizia leider mit NS-Wurzeln.
taz: Herr Safferling, warum diese Forschung über das Justizministerium und
die NS-Zeit. Weiß man nicht längst alles?
Christoph Safferling: Nein, tut man nicht. So waren die Personalakten, eine
wichtige Quelle, bislang nicht zugänglich. Die werden wir sichten,
analysieren, danach werden sie im Bundesarchiv allen zur Verfügung stehen.
Gibt es also offene Fragen?
In dem Buch „Vergangenheitspolitik“ von Norbert Frei gibt es viele
Schilderungen und Vermutungen über das Justizministerium. Es fehlt aber der
letzte Beweis. Das Justizministerium ist in seiner Kontinuität zur NS-Zeit,
personell und sachlich, noch nicht wirklich durchleuchtet.
Was fehlt konkret?
Es ist zum Beispiel unbekannt, wie das Ministerium mit den NS-Belasteten
umgegangen ist.
Nehmen wir den Fall Eduard Dreher. Der war in der Nachkriegszeit
Spitzenjurist im Justizministerium und dort für Amnestiegesetze für
NS-Täter zuständig. Was wissen Sie über ihn in der NS-Zeit?
Dreher hat als Staatsanwalt in Innsbruck in Bagatellfällen die Todesstrafe
beantragt – und nicht nur wie bisher angenommen in 3, sondern mindestens in
12 Verfahren. Er argumentierte unter anderem mit der
Volksschädlingsverordnung. Es ging dabei um Taten wie Plünderungen. In
Verfahren wegen Hören von Feindsendern hat er hohe Zuchthausstrafen
beantragt.
Ist das neu?
Diese Akten in Innsbruck hat zuvor noch niemand angeschaut.
War Dreher Nationalsozialist?
Seine Verteidigungslinie im Justizministerium lautete: Ich war Jurist und
stand dem NS-System innerlich distanziert gegenüber. Aber er hat in
Innsbruck bei Bagatelldiebstählen, in denen geringere Strafe verhängt
wurden, als er gefordert hatte, alles versucht, um noch höhere Strafen
durchzusetzen. Das zeigt: Er ist der NS-Ideologie gefolgt.
Der Rechtswissenschaftler Joachim Rückert bezeichnet in dem von Ihnen
herausgegebenen Band Drehers Taten nicht als spezifisches NS-Unrecht,
sondern als Kriegsjustiz.
Ich sehe das anders.
Die DDR hat in Kampagnen Dreher als Nazijuristen beschuldigt. Wie ist das
Bonner Justizministerium mit der NS-Belastung ihres Spitzenbeamten
umgegangen?
Das Ministerium wollte sich selbst ein Bild machen. Ministerialdirektor
Josef Schafheutle ließ Akten aus Innsbruck kommen und schrieb eine
rechtliche Bewertung. Schafheutle, der Drehers NS-Vergangenheit prüfte, war
im Reichsjustizministerium Referatsleiter für politisches Strafrecht
gewesen.
Ein Ex-Nazijurist prüfte die Vorwürfe gegen einen Ex-Nazijuristen – war das
ein Zufall, eine Ausnahme? Oder gab es Seilschaften von Ex-Nazis, die ihre
hohen Ämter nutzten, um NS-Täter zu schützen?
Es gab eher Netzwerke, man kannte sich. Man muss es aber differenziert
sehen: Es sind auch Juristen wegen zu hoher NS-Belastung vom
Justizministerium abgelehnt worden. Andere wie Dreher und Schafheutle
wurden eingestellt. Es scheint, dass Staatssekretär Walter Strauss, der als
Jude die NS-Zeit überlebt hatte, nach sehr persönlichen Kriterien
entschied. Und nach Empfehlungen. Dreher war von dem NS-Verfolgten Adolf
Arndt empfohlen worden.
10 May 2013
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Justizministerium
Deutschland
NS-Verbrechen
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Nazis
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