# taz.de -- Netz-Expertin über SPD-Wahlkampf: „Ich bin ein wenig das Zugpfer… | |
> Gesche Joost ist in Steinbrücks SPD die Frau für den Anschluss an die | |
> Internetgeneration. Probleme mit der Telekom-Professur sieht sie nicht. | |
Bild: Peer-to-Peer (hier gemeinsam mit einer Mitarbeiterin der SPD-Zentrale in … | |
taz: Frau Joost, Sie sind jung, weiblich, netzaffin und jetzt im | |
Kompetenzteam von Peer Steinbrück. Warum SPD und nicht Piratenpartei? | |
Gesche Joost: Ich habe große Sympathie für die Piraten, weil sie sich | |
engagieren wollen. Leider betrachten sie das Thema Netz isoliert. Mich | |
interessiert der Brückenschlag: Was bedeutet Netzpolitik für Bildung, für | |
Ältere und Menschen mit Behinderung? Was bedeutet das für die Zukunft der | |
Arbeit und was für die Kreativwirtschaft? | |
Sind mit netzpolitischen Themen Wahlen zu gewinnen? | |
Allein sicherlich nicht. Aber auch nicht ohne. Wichtig ist, dass man das | |
Thema auf die Straße bringt. Dass ganz normale Bürger und Bürgerinnen | |
verstehen, dass es kein Nerd-Thema ist. | |
Wie überzeugen Sie 70-Jährige, dass sie das Internet brauchen? | |
In Berlin-Mitte gibt es einen Senioren-Computerklub. Dort bringen sich | |
Ältere Skype, Photoshop und Facebook bei – als Möglichkeit der Teilhabe. | |
Sie merken schnell, dass ältere, vereinsamte Menschen aus ihrer Wohnung | |
kommen und mitmachen. | |
Haben bei der Netzpolitik nicht viele resigniert? Die sagen, zum Beispiel | |
beim Datenschutz: Damit habe ich nichts zu tun, ich habe nichts zu | |
verbergen … | |
Das Gefühl gibt es, ja. Und es ist Aufgabe der Politik, Rahmenbedingungen | |
so zu gestalten, dass dass man sich keine Gedanken machen muss um seine | |
Privatsphäre, wenn man bei Facebook unterwegs ist. | |
Wird die Debatte um Netzthemen nicht sehr elitär geführt? | |
Das ist ein großes Problem. Deshalb entwickle ich gerade fünf Geschichten | |
und konkrete Bilder, was die vernetzte Gesellschaft bedeutet – für Ältere, | |
für Familien, für Start-up-Unternehmen. Was sich hinter Begriffen wie Open | |
data, Open access und so weiter verbirgt, das ist hochspannend. Ein offenes | |
Netz bedeutet viele Verlockungen. Es ist notwendig, dafür die Weichen zu | |
stellen. | |
In Deutschland passiert das Gegenteil: ländliche Regionen verwaisen, Netze | |
werden dort nicht ausgebaut. | |
Wir wollen ein Grundrecht auf Netzzugang für jeden. Da passiert in | |
Deutschland ja gar nichts. Beim Netzausbau liegen wir hinter Rumänien. Das | |
geht gar nicht. | |
Braucht Deutschland deshalb ein Internetministerium? | |
Das Thema muss– in welcher Form auch immer – in der ersten Reihe präsent | |
sein. Dafür stehe ich. | |
Und Sie würden dabei nach erfolgreicher Wahl mitmischen? | |
Wenn ich da was mitgestalten kann, bin ich mit dabei. Andererseits habe ich | |
hier an der UdK auch eine schöne Professur. | |
Sie haben eine [1][Stiftungsprofessur der Telekom]. Die Telekom spielt beim | |
Netzausbau eine wichtige Rolle. Und sie überlegt, auf dem Land keine | |
Festnetzanschlüsse mehr anzubieten. Auch mit Plänen zur Drosselung und dem | |
Verstoß gegen Netzneutralität hat sie sich unbeliebt gemacht. Sehen Sie da | |
einen Interessenkonflikt? | |
Nein, dann wäre ich nicht ins Kompetenzteam gegangen. Ich bin als | |
Professorin Beamtin des Landes Berlin und basta. | |
Wie begeistert sind die SPD-Netzpolitiker, dass Sie im Kompetenzteam für | |
Netzpolitik zuständig sind? | |
Die waren zunächst überrascht. Aber wir arbeiten sehr gut zusammen. Ich | |
sattele auf deren Arbeit auf und bin jetzt ein wenig das Zugpferd. Die sind | |
froh, dass sie mich als neues Gesicht und als Frau haben. | |
Sind Sie eine Quotenfrau im Kompetenzteam? | |
Nein, gar nicht. Quotenfrau ist ja immer ein wenig despektierlich gemeint, | |
aber ich bin da ganz selbstbewusst. Es ist gut, dieses Thema mit einer Frau | |
zu besetzen. | |
Sollen Sie als junge, kompetente, netzaffine Frau Stimmen bei Frauen holen, | |
weil Peer Steinbrück das nicht gut kann? | |
Für so etwas würde ich mich nicht hergeben. Ich weiß gar nicht, woher diese | |
These kommt, das Peer Steinbrück einen Frauenproblem hat. | |
Er hat beispielsweise Angela Merkel einen „Frauenbonus“ zugeschrieben … | |
Ich habe ihn bei diesen Themen immer offen erlebt. Ich kann den Eindruck, | |
der jetzt kursiert, nicht bestätigen. Wichtiger ist für mich, dass sich die | |
SPD öffnet. | |
Wie meinen Sie das? | |
Ich bin nicht Mitglied der SPD und vertrete nicht immer Positionen der | |
Partei. Das ist ein Zeichen, dass man Querpositionen und Querdenker mit | |
reinholt. | |
Gibt Ihnen die SPD Beinfreiheit? | |
Ja. Ich glaube, die Partei hat extra jemanden gesucht für diese Themen, der | |
nicht aus der Partei kommt. | |
Sie haben zum Kommunikationsverhalten von Frauen und Männer geforscht. Gibt | |
es da Unterschiede? | |
Bei vielen technischen Entwicklungen sind die Teams hauptsächlich mit | |
Männern besetzt. Wir haben das umgedreht und haben Frauen als | |
Entwicklerinnen einbezogen. Dabei haben wir gemerkt, dass Frauen andere | |
Themen einbringen. | |
Zum Beispiel? | |
Jüngere Frauen spüren einen starken Druck, ständig auf Facebook präsent zu | |
sein. Ältere glauben, wegen der Kinder ihr Handy nie ausschalten zu können. | |
Männer müssen doch auch Job und Familie vereinbaren. | |
Männer haben das auch bestätigt, aber nicht aktiv genannt. Frauen wünschen | |
sich stärker als Männer so etwas wie eine Etikette: Was ist höflich in der | |
modernen Kommunikation? Und sie haben eine App vorgeschlagen, die | |
Störgeräusche simuliert. Dann können Sie dem Anrufer sagen, den Sie nicht | |
einfach so abwimmeln können: Ich kann Sie gerade nicht verstehen … | |
Ist Ihr Handy gerade aus? | |
Ja, das liegt im anderen Raum. Ich bin auch mal offline. Ich habe keine | |
Familie, das ist also kein Problem. Viele Frauen mit Familie machen ihr | |
Handy nie aus. | |
Ist nicht jetzt die SPD Ihre neue Familie, die Sie immer erreichen will? | |
Noch nicht. Aber wer weiß, vielleicht brauche ich selbst bald die | |
Störgeräusche-App… | |
24 May 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.laboratories.telekom.com/public/Deutsch/Innovation/design-resear… | |
## AUTOREN | |
Paul Wrusch | |
Simone Schmollack | |
## TAGS | |
Gesche Joost | |
Wahlkampf | |
Internet | |
Peer Steinbrück | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
SPD | |
Peer Steinbrück | |
Online-Petition | |
Peer Steinbrück | |
Klaus Wiesehügel | |
SPD | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Reaktionen auf Internet-Bemerkung: Merkel und ihr Neuschland | |
Für Angela Merkel ist das Internet „Neuland“. Onlinenutzer und politische | |
Gegner reagieren umgehend. Doch nicht jeder Seitenhieb funktioniert. | |
Neue im SPD-Schattenkabinett: Steinbrück setzt auf Vielfalt | |
Der SPD-Kanzlerkandidat holt drei weitere Mitglieder ins Komptenzteam. Mit | |
dabei für Bildung und Wissenschaft: Yasemin Karakasoglu, Konrektorin der | |
Uni Bremen. | |
Florian Pronold und die Gentrifizierung: Keine Strafen für Wuchermieten | |
Die Bundes-SPD stellt ihr wohnungspolitisches Konzept vor. Florian Pronold, | |
neu im Kompetenzteam, will sozialen Wohnungsbau mit Steuergeld fördern. | |
Forderung nach Netzneutralität: Schneller Erfolg für Online-Petition | |
Ein Gesetz soll Internetprovider zur Netzneutralität verpflichten. In nur | |
drei Tagen erhielt eine entsprechende Online-Petition an den Bundestag | |
50.000 Unterschriften. | |
Kompetenzteam der SPD: Steinbrücks Frau fürs Digitale | |
Gesche Joost soll Netzthemen für den SPD-Wahlkampf liefern. Die | |
Designprofessorin arbeitet seit Jahren im Entwicklungslabor der Telekom. | |
„Focus“-Bericht über SPD-Wahlkampf: Steinbrücks Schattenteam wächst | |
Matthias Machnig, Jana Schiedek und Jutta Allmendinger sollen Teil von | |
Steinbrücks Wahlkampfteam werden. Ein anderes Mitglied soll sein Amt ruhen | |
lassen, fordert die Linkspartei. | |
Steinbrücks Schattenminister: Drei für alle Zielgruppen | |
Ein Gewerkschaftler fürs Soziale, ein Parteisoldat fürs Innere, eine junge | |
Professorin fürs Netz: Steinbrück benennt erste Mitglieder seines | |
Kompetenzteams. |